Maschinennachgiebigkeit

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Maschinennachgiebigkeit

Unter der Maschinennachgiebigkeit oder Nachgiebigkeit versteht man in der Werkstoffprüfung die Deformation des geschlossenen Lastrahmens von Universalprüfmaschinen mit zwei oder vier Rahmensäulen [1, 2] oder die Aufweitung des Lastgestells z. B. von Härteprüfmaschinen [3, 4] oder Prüfmaschinen mit einer Antriebsspindel. Im praktischen Sprachgebrauch wird auch als Synonym der Begriff Compliance verwendet.
Wird eine Universalprüfmaschine zur Durchführung von Zugversuchen, Druckversuchen (siehe auch Druckprüfanordnung) und Biegeversuchen eingesetzt, dann entsteht neben der Verformung des Prüfkörpers eine Eigendeformation der Prüfmaschine, die von der Steifigkeit der Konstruktion, den verwendeten Werkstoffen, der genutzten Kraftmessdose und der Bruchlast des Prüfkörpers abhängt. Die unterschiedlichen Deformation­santeile einer Prüfmaschine sind in Bild 1 schematisch dargestellt.

Maschinennachgiebigkeit1.jpg

Bild 1: Lastrahmen einer a), 2-Säulen- b) 4-Säulen-Universalprüfmaschine (UPM) mit Darstellung der Elemente und Eigenverformungsanteile der UPM

Unter der Voraussetzung einer nominellen Messung (Traversenweg) der Verlängerung des Prüfkörpers Δlp werden zusätzliche Weganteile mit erfasst, die aus der Eigenverformung der nicht unendlich steifen Prüfmaschine resultieren. Dies sind die Biegeanteile des Querhaupts Δs2 und der Traverse Δs3 sowie die Verlängerung der Lastsäulen und der Antriebsspindel Δl1, deren Absolutbetrag allerdings gering ist. Je nach Nennkapazität der Kraftmessdose werden ebenfalls Deformationen Δl2 in das Gesamtsignal einfließen. Die Verbindungsgestänge weisen erfahrungsgemäß etwas Spiel auf, wodurch zusätzliche Verformungen auftreten, die insbesondere von der Anzahl der Verbindungselemente abhängen. Den größten Einfluss üben jedoch die Spannelemente mit Δl3 aus, wobei hier je nach Bauart der Klemmeinrichtung (siehe: Prüfkörpereinspannung) Unterschiede auftreten. In diesem Fall weisen Keilspannzeuge die größten Fehlwege und nachspannende Parallelspannklemmen die geringsten Deformationen auf. Die tatsächlich ermittelte nominelle Gesamtverlängerung Δlg stellt sich somit im geschlossen Kraftfluss wie folgt dar:

mit

,

wobei allerdings noch zusätzlich Einflüsse durch das Anlaufverhalten der Prüfmaschine (siehe Antriebe für Materialprüfmaschinen) hinzu kommen können. Pro aufgebrachtem kN an Prüflast entsteht also ein zusätzlicher elastischer und reversibler Weg ΔlM zur Probenverformung Δlp, der charakteristisch für die Ausstattungsvariante der Universalprüfmaschine ist und als Maschinennachgiebigkeit K bezeichnet wird.

Das Grundprinzip der Ermittlung der Maschinennachgiebigkeit besteht in der Bestimmung der Verformung der Prüfmaschine als Differenz zwischen dem Traversenweg und der Verlängerung des Prüfkörpers bei der jeweiligen Prüfkraft, wofür unterschiedliche technische Realisierungsvarianten existieren. Von den Herstellern von Universalprüfmaschinen wird in der Regel nur die Nachgiebigkeit des reinen Lastrahmens angegeben, da durch die Vielfalt an Prüfmöglichkeiten und Ausstattungsvarianten eine Vielzahl an jeweiligen Nachgiebigkeiten angegeben werden müsste. Der Lastrahmen hat im Vergleich zu einer für den Zugversuch ausgerüsteten Prüfmaschine erfahrungsgemäß eine um 2 bis 3 Zehnerpotenzen geringere Nachgiebigkeit. In Verbindung mit einer modernen Prüfsoftware besteht jedoch für den Anwender die Möglichkeit der Ermittlung einer Korrekturkurve für die spezifische prüftypische Ausstattung, die die Nachgiebigkeit für diese Applikation darstellt und bei Nutzung der Traversenwegmessung diese automatisch korrigiert. Bei den meisten zur Ermittlung der Härte eingesetzten Prüfgeräten wird die Aufweitung des Lastrahmens durch die Auswertesoftware über die Korrektur der Eindringtiefe berücksichtigt.


Literaturhinweise

[1] Heimbrodt, P.: Einfluss der Prüfmaschine auf die Kennwerte des Zugversuches. Bergakademie Freiberg, Diplomarbeit (1976)
[2] Instron Bluehill: Referenzhandbuch – Software für Berechnungen Rev. 1.1 (2006)
[3] Reimann, E.: Bestimmung mechanischer Werkstoffkennwerte, Ergebnisse des instrumentierten Eindringversuchs im Makrobereich. Materialprüfung 42 (2000) 10, S. 411–415
[4] Zügner, S.: Untersuchungen zum elastisch-plastischen Verhalten von Kristalloberflächen mittels Kraft-Eindringtiefen-Verfahren. Dissertation, Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg (2002), (siehe Deutsche Digitale Bibliothek)