Festigkeit

Aus Lexikon der Kunststoffprüfung
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Festigkeit

Begriffserklärung

Der Begriff der Festigkeit ist in der Technik sowie der Werkstoff- und Kunststoffprüfung häufig genutztes Synonym für die maximale oder ultimative Beanspruchung, obwohl dieser selbst in den klassischen Fachbüchern zur Technischen Mechanik [1–3], Theoretischen Mechanik [4] und Festigkeitslehre [5, 6] nicht explizit definiert wird.
Die Ursache ist offensichtlich, dass dieser Begriff immer nur für den konkreten Anwendungsfall gültig ist und eine diesbezügliche definierte Beanspruchung vorliegen muss. Unter diesem Aspekt sind theoretische Betrachtungen zur Spannungsanalyse, z. B. mit der Gestaltänderungshypothese, auch nur geeignet, bestimmte mechanische Belastungszustände z. B. mit einer Vergleichsspannung zu beschreiben. Bei Zunahme der Komplexität der Beanspruchung, Überlagerung von langzeitigen Belastungen mit schwingenden oder schlagartigen Beanspruchungen sind diese Methoden in den seltensten Fällen zur Wiedergabe der Realität und Vorhersage eines ultimativen Festigkeitsniveaus geeignet. Treten zusätzlich noch Überlagerungen durch thermische, chemische und mediale Beanspruchungen, möglicherweise auch innere Spannungen (Eigenspannungen) auf, dann versagen diese Modellvorstellungen und zeigen aber auch die Einschränkungen einer allgemeingültigen Definition des Festigkeitsbegriffes.
Eine allgemeingültige Definition der Festigkeit könnte eventuell wie folgt lauten:

„Festigkeit ist die Beanspruchung, die aufgewendet werden muss, um ein bestimmtes kritisches Beanspruchungsniveau zu überschreiten, welches zum Bruch oder irreversibler Deformation mit Verlust der Integrität und Funktionalität des Prüfkörpers, Werkstücks oder Bauteils führt“

Im Fall einer mechanischen Beanspruchung, wie in der Werkstoff- oder Kunststoffprüfung üblich, müsste diese Definition auf den konkreten Fall angewandt werden und ist wie folgt zu modifizieren:

„Die Mechanische Festigkeit ist eine Eigenschaft eines Werkstoffes in Reaktion auf eine eingeprägte kritische Kraft oder Moment, welche aufgewendet werden muss, um den Bruch, Riss bzw. das Versagen oder eine irreversible Deformation eines Prüfkörpers, Werkstücks oder Bauteils mit Verlust der Funktionalität hervorzurufen“

Prüfmethoden zur Ermittlung der Festigkeit

Diese Definition ist für die mechanischen Prüfverfahren anwendbar und gilt gleichermaßen für uni-, bi- und multiaxiale Beanspruchungen und kann z. B. mittels Medien- oder Temperierkammern auf mechanisch-thermische oder mechanisch-mediale Beansprungsarten erweitert werden, wobei diese dann Randbedingungen der jeweiligen mechanischen Belastung darstellen.
Die mechanische Festigkeit kann also nach der Beanspruchungsart unterschieden werden und ist dann immer als maximale Belastung (Kraft oder Moment) im jeweiligen Versuch der Werkstoffprüfung zu verstehen, wodurch folgende Begriffe relevant sind:

Spannungs-Dehnungs-Diagramme

In der Werkstoff- oder Kunststoffprüfung werden im Regelfall nur scheinbare Werkstoffkennwerte ermittelt, da die gemessenen Daten auf die geometrischen Ausgangswerte normiert werden. Dadurch kann die ultimative Festigkeit auch kleinere Werte als das jeweilige Maximum (Bruchfestigkeit) annehmen (Bild 1).

Festigkeit-1.jpg

Bild 1: Ermittlung der scheinbaren und wahren Festigkeit in der Werkstoffprüfung

Werden die tatsächlichen Geometriewerte zur Normierung herangezogen, dann wird die wahre Festigkeit im Maximum der Belastung ermittelt (siehe Zugversuch Wahres Spannungs-Dehnungs-Diagramm).
Je nach Beanspruchungsart können jedoch noch die ein-, zwei- und mehrachsigen Versuche eine spezielle Kategorie bilden und in Abhängigkeit von der Prüfzeit lassen sich noch folgende Festigkeiten und Typen von Versuchen unterscheiden:

Wird die Festigkeit im jeweiligen Prüfverfahren auf die Dichte des Werkstoffes normiert, dann erhält man die sogenannte spezifische Festigkeit. Grundsätzlich hängt die Festigkeit von der Beanspruchungsgeschwindigeit bzw. der Dehnrate (Impactfestigkeit), der Temperatur (Hochtemperaturfestigkeit) und medialen Einflüssen ab, wobei das bei Kunststoffen besonders relevant ist.

Anwendungen des Begriffs "Festigkeit" in weiteren Wissenschaftsdisziplinen

Wie schon erwähnt, existieren noch andere Wissenschaftsdisziplinen, in denen der Begriff Festigkeit genutzt wird. Das ist z. B. die Verschleißfestigkeit bei tribologischen Beanspruchungen, die Korrosionsfestigkeit bei chemischer Belastung oder die Spannungsrissfestigkeit (siehe auch: Spannungsrissbeständigkeit) bei medialer Belastung. Bei den Prüfungen der elektrischen Eigenschaften wird der Festigkeitsbegriff für die elektrische Durchschlagfestigkeit, die Kriechstromfestigkeit als auch die thermische Festigkeit ebenfalls genutzt.
Insofern ist die Definition der Festigkeit als Widerstand gegen eine plastische Verformung, gegen die Ausbreitung von Rissen und gegen Verschleiß sicherlich nicht geeignet, um die Komplexität dieses Begriffes unter werkstoffkundlichen Aspekten auch nur annähernd zu beschreiben.


Literaturhinweise

[1] Szabó, I.: Einführung in die Technische Mechanik. Springer Verlag, Berlin (1984) 8. Auflage, (ISBN 3-540-13293-7; siehe AMK-Büchersammlung unter T 15)
[2] Läpple, V.: Einführung in die Festigkeitslehre. Springer Vieweg Verlag, Wiesbaden (2016) 4. Auflage, (ISBN 978-3-658-10610-2; siehe AMK-Büchersammlung unter T 16)
[3] Göldner, H., Pfefferkorn, W.: Technische Mechanik – Statik, Festigkeitslehre, Dynamik. Fachbuchverlag Leipzig (1990) (ISBN 3-343-00589-4; siehe AMK-Büchersammlung unter T 18)
[4] Budo, A.: Theoretische Mechanik. Deutscher Verlag der Wissenschaften Berlin (1969) (siehe AMK-Büchersammlung unter T 19)
[5] Szabó, I.: Höhere Technische Mechanik. Springer Verlag, Berlin (1984) 5. Auflage, (ISBN 3-540-15007-2)
[6] Issler, L., Ruoß, H., Häfele, P.: Festigkeitslehre – Grundlagen. Springer Verlag, Berlin (2006) 2. Auflage, (ISBN 978-3-662-11739-2)