Hybride Methoden

Aus Lexikon der Kunststoffprüfung
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Ein Service der
Logo psm.jpg
Polymer Service GmbH Merseburg
Tel.: +49 3461 30889-50
E-Mail: info@psm-merseburg.de
Web: https://www.psm-merseburg.de
Unser Weiterbildungsangebot:
https://www.psm-merseburg.de/weiterbildung
PSM bei Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Polymer Service Merseburg

Hybride Methoden der Kunststoffdiagnostik

Grenzen der konventionellen Kunststoffprüfung

Für die Dimensionierung von Kunststoffbauteilen und den praktischen Einsatz von Kunststoffen ist neben geeigneten konstruktiv nutzbaren Werkstoffkennwerten die Kenntnis der belastungsinduzierten Werkstoffschädigungen eine wesentliche Voraussetzung. Speziell unter dem Aspekt einer konsequenten optimalen Nutzung von Werkstoffresourcen sind tiefgehende Informationen über ablaufende Schädigungsprozesse und Deformationsmechanismen erforderlich. Dem Werkstoffentwickler und dem Konstrukteur geben die unter mechanischer, medialer und thermischer Beanspruchung ermittelten schädigungsspezifischen Kenngrößen Aussagen über relevante Beanspruchungsgrenzen und dem Anwender über die bestehende Restlebensdauer oder Funktionalität eines Bauteils. Andererseits belegen Schadensfälle und Havarien, die auf das Versagen von Kunststoffbauteilen zurückführbar sind, dass oftmals eine zu einseitige Werkstoffcharakterisierung durchgeführt wird und die bisher verwendeten Sicherheits- und Qualitätsmerkmale noch nicht ausreichend sind. Unter dem Gesichtspunkt einer modernen Werkstoffentwicklung sind deshalb stoffbeschreibende, strukturell oder morphologisch begründete Kenngrößen gefragt, die über Beanspruchungsgrenzen in Abhängigkeit von den komplexen Belastungsbedingungen informieren und in Verbindung mit geeigneten Materialgesetzen eine werkstoffgerechte Auswahl und Dimensionierung von Kunststoffen erlauben. Diesen Anforderungen können konventionelle Prüfverfahren wie der Zugversuch oder der Biegeversuch nicht gerecht werden, da die ermittelten Kennwerte nicht in jedem Fall strukturell oder werkstoffphysikalisch begründbar sind. Ein Beispiel dafür sind Mikroschädigungen (siehe Mikroschädigungsgrenze), die im nichtlinear-viskoelastischen Deformationsbereich (siehe: Elastizität) einsetzen und aus den ermittelten Spannungs-Dehnungs-Diagrammen nicht abgeleitet werden können.

Entwicklungstrends bei der Anwendung mechanischer Methoden

Die Entwicklung innovativer neuer Kunststoffe und Kunststoffverbunde, die den jeweiligen konkreten Erfordernissen angepasst sind, lässt derzeitig folgende Entwicklungstrends bei der Anwendung konventioneller mechanischer Prüfmethoden erkennen:

  • Qualifizierung der mechanischen Grundversuche der Kunststoffprüfung zur Darstellung belastungsinduzierter Eigenschaftsänderungen, welche zu Verlusten an Duktilität oder zu einer Festigkeitsabnahme führen können,
  • Ermittlung von Werkstoffschädigungen als Vorstufe des ultimativen Versagens von Kunststoffbauteilen (siehe: Bauteilversagen) sowie
  • Darstellung der Schädigungskinetik und dominanter strukturell beeinflussbarer Schädigungsmechanismen zur Beschreibung von Werkstoffgrenzzuständen oder Diagnosefunktionen für die Schädigungsmechanik.

Hybride Methoden und Instrumentierung von Prüfmethoden

Methodisch unterscheidet man dabei zwei wesentliche Vorgehensweisen, die teilweise auch in Kombination verwendet werden:

Die Übersicht im Bild belegt, dass unabhängig von den gewählten Beanspruchungsbedingungen für derartige hybride experimentelle Untersuchungen eine kontinuierliche Registrierung der Belastungsparameter erforderlich ist. Die im Sensorblock beispielhaft dargestellten Prüfmethoden müssen folgende Forderungen erfüllen:

  • hinreichende Sensibilität und Applizierbarkeit der Prüfmethode für den zu untersuchenden Kunststoff,
  • ausreichende Strukturempfindlichkeit bzw. Selektivität für die dominanten Schädigungsmechanismen und
  • das Deformationsverhalten des Kunststoffes sollte durch die verwendeten Sensoren möglichst nicht beeinflusst werden.

600px-Lexikon-Hybride-Methoden-01.jpg

Bild: Hybride Methoden der Kunststoffprüfung und Kunststoffdiagnostik

Anforderungen an die Prüfkörper

In der Kunststoffprüfung werden die experimentellen Untersuchungen im Bereich der konventionellen mechanischen Prüfung an Vielzweckprüfkörpern nach DIN EN ISO 3167 und im Bereich der bruchmechanischen Prüfung (siehe bruchmechanische Prüfung) an CT-Prüfkörpern (Crack Tension) durchgeführt.

Auf dem Zugprüfkörper (Vielzweckprüfkörper) sind z. B. Messmarken (Targets) angebracht, die den Einsatz der Methode der Laserextensometrie ermöglichen soll. Zur Ermittlung des lokalen Deformationsverhaltens können auf dem Prüfkörper bis zu 63 Targets appliziert werden. Der minimale Targetabstand beträgt dabei 1 mm. Bei der Applizierung von 10 Targets erhält man das integrale Spannungs-Dehnungs-Diagramm sowie 9 lokale Spannungs-Dehnungs-Diagramme für jede Messzone oder eine ausgewählte Anzahl von Zonen. In einer ähnlichen Art und Weise kann der CT-Prüfkörper präpariert werden, wobei dann aber ein anderes Laserextensometer (Laser-Doppel-Scanner oder Laser-Multi-Scanner) zum Einsatz kommt.

Erhöhung der Aussagefähigkeit hybrider Methoden

Parameter-Block

Der Parameter-Block enthält z. B. die aufgebrachte Kraft bzw. die querschnittsbezogene Spannung. Für die Kennwertermittlung an CT-Prüfkörpern sind als direkte Messgröße die Kraftangriffsverschiebung und die Kerbaufweitung erforderlich. Als Beanspruchungsgrößen werden neben der Zeit und Geschwindigkeit die Temperatur und die Luftfeuchte (siehe: Prüfklima) aufgeführt, die einen entscheidenden Einfluss auf den Kennwert besitzen.

Sensor-Block

Auf Grund der begrenzten Energiefreisetzungsrate in Kunststoffen ist der Einsatz verschiedener zerstörungsfreier (ZfP)-Methoden zweckmäßig.

Im Sensor-Block werden als Beispiele die

angegeben.

Das Ziel dieser Vorgehensweise ist es, den steigenden Anforderungen an die Aussagefähigkeit mechanischer Werkstoffkennwerte aus quasistatischen Experimenten gerecht zu werden. Ein weiteres Ziel besteht darin, unabhängig von der Herangehensweise und den Belastungsbedingungen eine ereignisbezogene Interpretation des Deformations- und Bruchverhaltens zu ermöglichen.

Obwohl prinzipiell viele zerstörungsfreie Prüfverfahren diesen Ansprüchen genügen, sollten wenn möglich berührungs- und trägheitslos arbeitende Sensortechniken bevorzugt werden. In Hybride Methoden, Beispiele werden anhand verschiedener Beispiele die Vorteile und Aussagemöglichkeiten derartiger hybrider Prüfmethoden der Kunststoffprüfung und Kunststoffdiagnostik dargestellt.


Literaturhinweise

  • Bierögel, C.: Hybride Verfahren der Kunststoffdiagnostik. In: Grellmann, W., Seidler, S. (Hrsg.): Kunststoffprüfung. Carl Hanser Verlag, München (2015) 3. Auflage, S. 529–531 (ISBN 978-3-446-44350-1; siehe AMK-Büchersammlung unter A 18)
  • Grellmann, W., Langer, B.: Methods for Polymer Diagnostics for the Automotive Industry. Materialprüfung 55 (2013) S. 17–22 Download als pdf
  • Grellmann, W.: Neue Entwicklungen bei der bruchmechanischen Zähigkeitsbewertung von Kunststoffen und Verbunden. In: Grellmann, W., Seidler, S. (Hrsg.): Deformation und Bruchverhalten von Kunststoffen. Springer Verlag, Berlin (1998) S. 3–26, (ISBN 3-540-63671-4; e-Book (2014): ISBN 978-3-642-58766-5; siehe AMK-Büchersammlung unter A 6)
  • Osswald, T. A., Menges, G.: Materials Science of Polymers for Engineers. Carl Hanser Verlag, München Wien 3. Auflage (2012) (ISBN 978-1-56990-514-2; siehe AMK-Büchersammlung unter G 55)
  • Roberts, J.: A Critical Strain Design Limit for Thermoplastics. Materials & Design 4 (1983) S. 791–793
  • Menges, G., Wiegand, E., Pütz, D., Maurer, F.: Ermittlung der kritischen Dehnung teilkristalliner Thermoplaste. Kunststoffe 65 (1975) S. 368–371
  • Schreyer, G. W., Bartnig, K., Sander, M.: Bewertung von Schädigungseffekten in Thermoplasten durch simultane Messung der Spannungs-Dehnungs-Charakteristik und der dielektrischen Eigenschaften. Teil 1: Schädigungseffekte während der mechanischen Belastung und Möglichkeiten der experimentellen Bewertung. Materialw. und Werkstofftechnik 27 (1996) S. 90–95
  • Bierögel, C., Grellmann, W.: Evaluation of Thermal and Acoustic Emission of Composites by Means of Local Strain Measurements. ECF 9, European Confrence on Fracture, Varna 21.–25. September 1992, Proceedings Vol. 1 (1992) 242–247
  • Cowley, K. D., Beaumont, P. W. R.: Modeling Problems of Damage at Nothes and the Fracture Stress of Carbon-fiber/Polymer Composites: Matrix, Temperature and Residual Stress Effects. Composites Science and Technology 57 (1997) S. 1309–1329
  • Bartnig, K., Bierögel, C., Grellmann, W., Rufke, B.: Anwendung der Schallemission, Thermografie und Dielektrometrie zur Bewertung des Deformationsverhaltens von Polyamiden. Plaste und Kautschuk 39 (1992) S. 1–8
  • Bierögel, C., Grellmann, W.: Determination of Local Deformation Behaviour of Polymers by Means of Laser Extensometry. In: Grellmann, W., Seidler, S. (Eds.): Deformation and Fracture Behaviour of Polymers. Springer Verlag, Berlin Heidelberg (2001) S. 365–384, (ISBN 978-3-540-41247-2; siehe AMK-Büchersammlung unter A 7)
  • Busse, G.: Hybride Verfahren in der zerstörungsfreien Prüfung (ZfP): Prinzip und Anwendungsbeispiele. In: Buchholz, O. W., Geisler, S. (Hrsg.): Herausforderung durch den industriellen Fortschritt. Verlag Stahleisen GmbH, Düsseldorf (2003) S. 18–25, (ISBN 3-514-00703-9; siehe AMK-Büchersammlung unter M 11)
  • Grellmann, W., Bierögel, C.: Laserextensometrie anwenden. Materialprüfung 40 (1998) S. 452–459
  • Markowski, W.: Ein neues Prinzip der Werkstoffprüfmaschine. Materialprüfung 32 (1990) S. 144–148
  • Bierögel, C., Fahnert, T., Grellmann, W.: Deformation Behaviour of Reinforced Polyamide Materials Evaluated by Laser Extensometry and Acoustic Emission Analysis. Strain Measurement in the 21St Century, Lancaster (UK) 5.–6. September 2001, Proceedings (2001) 56–59 Download als pdf