Hybride Methoden, Beispiele

Aus Lexikon der Kunststoffprüfung
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Hybride Methoden, Beispiele

Im nachfolgenden sollen einige Beispiele für die Anwendung dieser Prüfmethodik gezeigt werden:

(1) Kopplung der Schwingungsanalyse mit der Dielektrometrie

Bei diesem Beispiel wurden Untersuchungen an Bauteilen (Buchsen) unter dem Gesichtspunkt der Defektoskopie mit Hilfe der

  • Schwingungsanalyse mit Messung der Grundeigenfrequenz und
  • Dielektrometrie mit Messung des dielektrischen Verlustfaktors

durchgeführt (Bild 1).

Lexikon-Hybride-Methoden-04.jpg

Bild 1: Anwendung hybrider Prüfmethoden in der Defektoskopie an Kunststoffen (Institut für Kunststoffkunde und -prüfung Stuttgart, Prof. Dr. G. Busse)

Die Einzeldarstellung der Ergebnisse aus der Schwingungsanalyse und der Dielektrometrie führte zu keiner verwertbaren Aussage. Durch die simultane Auftragung der funktionellen Abhängigkeiten konnte die Selektion von defektfreien und defektbehafteten Buchsen im Sinne einer Qualitätsprüfung erfolgen.

(2) Kopplung des Zugversuches bei statischer Beanspruchung mit der Methode der Laserextensometrie

Das Bild 2 zeigt ein Beispiel zur Bewertung des lokalen Deformationsverhaltens von kurzglasfaserverstärkten Polyamid-Werkstoffen unter Zugbelastung mittels Laserextensometrie. Im linken oberen Teilbild ist das verwendete Laserextensometer der Fa. Fiedler Optoelektronik Lützen zu sehen, welches an eine Universalprüfmaschine der Fa. Zwick Ulm/Einsingen vom Typ Z020 adaptiert wurde. Vom Hersteller des Laser-Messsystems wird eine Auflösung für die Längsdehnung von besser als 1 m und für die Querdehnung von 0,15 m angegeben.
Die wichtigsten Baugruppen sind der Halbleiter-Diodenlaser mit einer Wellenlänge von 670 nm, der Drehspiegelscanner, das Linsensystem, die Photodiode als Empfänger und die Datenverarbeitung- und Auswerteeinheit.

Lexikon-Hybride-Methoden-02.jpg

Bild 2: Anwendung der Laserextensometrie zur Darstellung der lokalen Verformungen

Im linken unteren Teilbild ist ersichtlich, dass auf dem Prüfkörper mit einer Folienmaske in Sieb- oder Tampondruck in diesem Fall 26 Streifen (Targets) mit einem frei wählbaren Abstand von minimal 1 mm aufgebracht wurden. Entsprechend der gewählten Streifenanzahl sind dann n-1 Spannungs (σ)-Dehnungs (ε)-Diagramme möglich oder die wahlfreie Zuordnung von Messzonen auf der Oberfläche.

Im rechten oberen Teilbild sind ausgewählte --Diagramme dargestellt. Das sind das integrale --Diagramm für die Streifen 1–26, das --Diagramm für die Streifen 10–26 und das lokale Spannungs-Dehnungs-Diagramm für die Streifen 12–13. Diese Diagramme weisen sehr große Unterschiede im Dehnungsverhalten auf, da die Orientierungen (siehe: Zugversuch Eigenspannungen Orientierungen) der Prüfkörper sich auf die lokalen Dehnungen auswirkt.

Im rechten unteren Teilbild sind die integrale Dehnung und die maximale Dehnung bzw. minimale Dehnung in Abhängigkeit vom Glasfaseranteil (siehe: Veraschungsmethode) für die untersuchten Polyamide aufgetragen. Es ist zu erkennen, dass mit Zunahme des Faseranteils die relativen Unterschiede zwischen der maximalen und minimalen Dehnung zunehmen und damit die Heterogenität der Werkstoffe größer wird. Das hat natürlich Konsequenzen bei der Dimensionierung von Bauteilen.


Literaturhinweise

  • Grellmann, W., Seidler, S. (Hrsg.): Kunststoffprüfung. Carl Hanser Verlag, München (2015) 3. Auflage, S. 534–537 (ISBN 978-3-446-44350-1; E-Book: ISBN 978-3-446-44390-7; siehe AMK-Büchersammlung unter A 18)
  • Grellmann, W., Bierögel, C.: Laserextensometrie anwenden. Einsatzmöglichkeiten und Beispiele aus der Kunststoffprüfung. Materialprüfung 40 (1998) 11–12, 452–459

(3) Kopplung des Zugversuches mit der schädigungssensitiven Schallemissionsanalyse

Einleitung

Im quasistatischen Zugversuch werden die während der Belastung auftretenden Schallemissionen an einseitig gekerbten Prüfkörpern zur Bewertung der Schädigungskinetik herangezogen. Aufgrund der Verwendung von gekerbten Prüfkörpern ist es möglich, einen definierten Abstand zwischen Schallemissionsquelle und Sensorposition anzugeben und damit reproduzierbare Verhältnisse abzuleiten. Nachteilig ist jedoch, dass infolge der wirkenden Kerbspannungsüberhöhung und des lokalen Deformationsgeschehens keine Angaben für die Spannung und Dehnung möglich sind. Aufgrund der Kerbwirkung sowie des Einflusses der Sensorposition auf die Aufzeichnung der Schallemission ergeben sich andere experimentelle Bedingungen und die Prüfung erfolgte in Anlehnung an die DIN EN ISO 527-1 [1].

Experimentelles

Es wurde ein mit 20 Masseprozent kurzglasfaserverstärktes Polypropylen (PP/20) untersucht. Aufgrund des unpolaren Charakters von Polypropylen wurde Maleinsäureanhydrid (MSA) als Haftvermittler zur Optimierung der Anbindung der Fasern an die Matrix (Faser-Matrix-Haftung) verwendet. Kardelky und Schröder wiesen in [2] und [3] nach, das mit Echtblau im Vergleich zu anderen Nukleierungsmitteln für PP/GF-Verbunde bei einem Gehalt von 0,01 Masseprozent das beste mechanische Eigenschaftsniveau erzielt wird. Aus diesem Grund wurde Echtblau als Nukleierungsmittel verwendet. Für die Untersuchungen standen spritzgegossene Vielzweckprüfkörper nach DIN EN ISO 527-2 [4] mit einer Gesamtlänge l3 von 170 mm zur Verfügung.
Die Tiefe der mit einer Metallklinge eingebrachten Kerbe (siehe auch Kerbgeometrie) betrug 2 mm bei einem Kerbradius von 0,3 µm und einem Sensor–Kerb–Abstand von 30 mm. Für die Prüfungen wurde die Universalprüfmaschine Zwick Z020 (ZWICK GMBH, ULM) bei einer Traversengeschwindigkeit von 10 mm/min bei Raumtemperatur verwendet.
Zur Durchführung der Schallemissionsmessungen wurde das 3-kanalige Messsystem AMSY-4 (VALLEN-SYSTEME GMBH, ICKING, DEUTSCHLAND) mit einem Vorverstärker vom Typ AEP-3 und einem Breitbandsensor vom Typ AE204A verwendet. Die Bandbreiten des Vorverstärkers und des Sensors betrugen 95–1000 kHz sowie 150–650 kHz. Eine Impedanzanpassung bei der Applizierung des Sensors auf der Prüfkörperoberfläche erfolgte durch Bienenwachs als Haftvermittler und ein konstanter Anpressdruck wurde durch die Verwendung einer Klemme sichergestellt. In Bild 3 ist ein eingespannter und mit dem akustischen Sensor versehener Prüfkörper dargestellt.

Zugv SEA HybMeth Bild2a.jpg
A – akustischer Breitbandsensor, Applizierung auf dem Prüfkörper mit Kopplungsmedium
B – aufgesetzte Klemme
C – Sicherheitskabel zum Auffangen des Sensors zur Vermeidung von Beschädigungen
Bild 3: Versuchsanordnung für die Schallemissionsmessungen in der Zuganordnung

Beispiel

Die Verteilungsfunktionen für die Peak-Amplitudenwerte Ap, die Ereignisdauer tED und die kumulative Ratendarstellung der Energie EAE ist für PP/20 zusammen mit dem Kraft-Traversenweg-Diagramm in Bild 4a–c dargestellt.

Zugv SEA HybMeth Amplitude20.jpg Zugv SEA HybMeth Eventduration20.jpg
Zugv SEA HybMeth Energie(eu)20.jpg
Bild 4: Darstellung der Verteilungsfunktionen der Amplitudenwerte Ap, der Ereignisdauer tED und kumulative Ratendarstellung der Energie EAE sowie die Einteilung in drei akustisch unterschiedliche Bereiche für PP/20 (a–c) [5]

Für das PP/20 konnte eine instabile Rissausbreitung bestimmt werden und im Vergleich mit den ungekerbten Prüfkörpern (Ergebnisse nicht dargestellt) wird durch die Einbringung einer scharfen Kerbe ein geringeres Festigkeitsniveau, aufgrund der Ausbildung eines dreiachsigen Spannungszustandes und der höheren Verformungsgeschwindigkeit an der Kerbspitze, erreicht.
Aus den Verteilungsfunktionen lassen sich anhand der Hit-Dichte drei akustisch unterschiedliche Bereiche ableiten, welche in der graphischen Darstellung in Bild 4 durch vertikale Linien verdeutlich sind und für die Ereignisdauer tED sowie für die Ratendarstellung der Energie EAE übernommen wurden. Die Amplituden als auch die Ereignisdauer in den Bereichen II und III sind durch eine Überlagerung der in den Bereichen davor liegenden Werte gekennzeichnet (Tabelle 1). Dabei ist der Bereich I durch eine geringe akustische Aktivität charakterisiert und der Übergang vom Bereich II zu Bereich III weist einen überproportionalen Anstieg der akustischen Emission auf. Vor dem ultimativen Versagen des Werkstoffs werden die meisten Schallemissionen pro Zeiteinheit mit den höchsten Amplitudenwerten und maximalen Energien detektiert, was auf den Zuwachs an Werkstoffschädigungen zurückgeführt werden kann.

Tabelle 1: Zuordnung der Amplituden- und Ereignisdauerwerte zu den akustischen Bereichen für die PP-Werkstoffe
Akustischer Bereich korrespondierende Amplituden korrespondierende Ereignisdauer
I 40–50 dB < 20 s
II 50–68 dB 20–200 s
III > 68 dB > 200 s

Zur Interpretation der Ergebnisse wurden REM-Aufnahmen der zugehörigen Bruchflächen von PP/20 angefertigt, um qualitativ die Haftungsverhältnisse und Schädigungsmechanismen zu bewerten. Bild 5a–b zeigt eine Übersichts- und Detailaufnahme. Erkennbar sind Glasfaserbrüche (i), zahlreiche herausgezogene und nicht mit Matrixmaterial benetzte Glasfasern (ii), Löcher infolge des pull-out (iii) und stark plastisch verstreckte Matrixstege (iv). Anhand der Bruchflächen lässt sich nicht eindeutig klären, ob die Glasfasern während des Herstellungsprozesses oder als Folge der instabilen Rissausbreitung gebrochen sind.

Zugv SEA HybMeth Bild5.jpg

Bild 5: REM-Aufnahme (a) und Detailausschnitt (b) der Bruchfläche von PP/20; i – Faserbruch, ii – nicht mit Matrixmaterial benetzte Faser, iii – Loch infolge des pull-out und iv – plastisch verstreckte Matrixstege zwischen den Glasfasern

Die Beurteilung der Haftungsverhältnisse auf der Basis der in quasistatischen Versuchen erhaltenen Bruchflächen ist nicht möglich, da eine unzulässige Beeinflussung, d. h. eine Freilegung der Fasern während des pull-out, stattfindet. Hier muss eine Präparation nach einer hohen Beanspruchungsgeschwindigkeit und/oder bei tiefen Temperaturen erfolgen [6, 7]. Eine Bewertung der Haftungsbedingungen kann z. B. an aus dem Instrumentierten Kerbschlagbiegeversuch (IKBV) erhaltenen Bruchflächen durchgeführt werden. Bei einer guten Anbindung der Fasern an die Matrix resultiert eine Kraftübertragung zwischen der Matrix und der Faser während der Belastung. Die Deformation und damit Energieaufnahme der Matrix im quasistatischen Versuch ist im Gegensatz zur schlagartigen/dynamischen Beanspruchung größer, was durch die stark plastisch deformierten Matrixbereiche auf der Bruchfläche verdeutlicht wird.


Literaturhinweise

[1] DIN EN ISO 527-1 (2012-06): Kunststoffe – Bestimmung der Zugeigenschaften – Teil 1: Allgemeine Grundsätze.
[2] Kardelky, S.: Einfluss der Nukleierungsmittelart auf die Deformations- und Bruchmechanismen von medial beanspruchten PP/GF-Verbunden. Diplomarbeit. Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (2002), (siehe AMK-Büchersammlung unter B 3-101)
[3] Schröder, D.: Kombinierte Wirkung des Faservolumen- und Nukleierungsmittelgehaltes auf das mechanische Eigenschaftsniveau von PP/GF-Verbunden. Diplomarbeit. Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (2003), (siehe AMK-Büchersammlung unter B 3-102)
[4] DIN EN ISO 527-2 (2012-06): Kunststoffe – Bestimmung der Zugeigenschaften – Teil 2: Prüfbedingungen für Form- und Extrusionsmassen.
[5] Schoßig, M.: Bewertung der Schädigungsmechanismen von kurzglasfaserverstärkten Polyolefinen durch simultane Aufzeichnung der Schallemissionen unter quasistatischer und dynamischer Beanspruchung. Dissertation. Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (2010), (ISBN 978-3-8348-1483-8) (siehe AMK-Büchersammlung unter B 1-21)
[6] VDI 3822 Blatt 2.1.2: Schäden an thermoplastischen Kunststoffprodukten durch fehlerhafte Verarbeitung (2012-01; Berichtigung: 2012-04)
[7] VDI 3822 Blatt 2.1.10 (2012-01): Bedeutende instrumentelle Analysemethoden für die Schadensanalyse an thermoplastischen Kunststoffprodukten

(4) Kopplung von Schallemission und Thermographie mit dem Zugversuch an einem statisch beanspruchten CT-Prüfkörper oder Vielzweckprüfkörper

Eine Erweiterung der Aussagemöglichkeiten hinsichtlich der Bewertung des lokalen Deformationsverhaltens und der ablaufenden energiedissipativen Mechanismen kann man auch durch den Einsatz von

  • Schallemissionsmessverfahren und der
  • Videothermographie

erwarten.

Lexikon-Hybride-Methoden-03.jpg

Bild 6: Anwendung der SEA und der Videothermographie zur Erfassung der Schädigungskinetik

In Bild 6 sind der Aufbau eines SEA- und Thermographie-Messplatzes für CT-Prüfkörper oder Vielzweckprüfkörper zu sehen, wobei auf experimentelle Besonderheiten hier nicht eingegangen werden kann.

Bei der Schallemissionsanalyse wird ein Sensor (Schmalbandig für hohe Empfindlichkeit, Breitbandig für Frequenzanalyse) an den Prüfkörper gekoppelt. Dieser Empfänger kann bei Belastung entstehende Volumen- und Oberflächenwellen empfangen, die dann verstärkt und gefiltert werden. Anschließend erfolgt dann die energetische Bewertung der Signale.

Bei der Videothermographie wird in der Regel die Oberfläche des Prüfkörpers schwarz gefärbt, um eine hohe Emissität zu erreichen. Durch den mit flüssigen Stickstoff gekühlten Sensor (Infrarot-Kamera) wird ein thermisches Abbild der Prüfkörperoberfläche registriert und gespeichert. Dadurch können deformationsbedingte Erwärmungen oder Abkühleffekte gemessen werden.

Auf Grund der Notwendigkeit einer hinreichend hohen Energiefreisetzungsrate ist die SEA z. B. an unverstärkten Thermoplasten nur bedingt geeignet.
Es werden deshalb in zunehmendem Maße gekoppelte in situ-Techniken wie z. B.

angewandt, die selektiv einerseits Matrixprozesse erfassen und andererseits die Charakterisierung der Verbundkomponente und ihrer Wechselwirkung zur Matrix erlauben.

Im rechten Teilbild ist die Beschreibung des Verformungs- und Bruchverhaltens am Beispiel von mit 5 %-M GF verstärkten PA6 zu sehen.
Im oberen Teilbild ist die --Kurve dargestellt. Die thermische Emission wird zeitlich später als die akustische Emission registriert. Als Werkstoffkenngrößen lassen sich der akustische oder thermische Onsets sowie die hier angegebenen dehnungsbezogenen Onsets verwendet.

Bezieht man die experimentellen Ergebnisse der thermischen und akustischen Emission auf die lokale Dehnung, so führt dies zu der Erkenntnis, dass für eine strukturbezogene Interpretation der Messergebnisse die Realisierung von lokal dehngesteuerten Zugversuchen notwendig ist.

Im unteren rechten Teilbild sind die Thermographiebilder vor der Rissspitze in einem gekerbten Vielzweckprüfkörper bei unterschiedlichen Deformationen zu sehen. Es ist zu erkennen, dass auf der Oberfläche Temperaturunterschiede von bis zu 8 °C selbst bei kleinen Belastungsgeschwindigkeiten auftreten können.

(5) Kopplung des Biegeversuchs mit der schädigungssensitiven Schallemissionsanalyse

Einleitung

Im quasistatischen Biegeversuch werden die während der Belastung auftretenden Schallemissionen an einseitig gekerbten Prüfkörpern zur Bewertung der Schädigungskinetik herangezogen. Aufgrund der Verwendung von gekerbten Prüfkörpern ist es möglich, einen definierten Abstand zwischen Schallemissionsquelle und Sensorposition anzugeben und damit reproduzierbare Verhältnisse abzuleiten. Nachteilig ist jedoch, dass infolge der wirkenden Kerbspannungsüberhöhung und des lokalen Deformationsgeschehens keine Angaben für die Spannung und Dehnung möglich sind. Aufgrund der Kerbwirkung sowie des Einflusses der Sensorposition auf die Aufzeichnung der Schallemissionen ergeben sich andere experimentelle Bedingungen und die Prüfung erfolgte in Anlehnung an die DIN EN ISO 178 [1].

Experimentelles

Gegenstand der Untersuchungen waren Polypropylen (PP)-Werkstoffe, welche mir Kurzglasfasern im Bereich von 0 bis 50 Masseprozent verstärkt wurden. Aufgrund des unpolaren Charakters von Polypropylen wurde Maleinsäureanhydrid (MSA) als Haftvermittler zur Optimierung der Anbindung der Fasern an die Matrix (Faser-Matrix-Haftung) verwendet. Kardelky und Schröder wiesen in [2] und [3] nach, das mit Echtblau im Vergleich zu anderen Nukleierungsmitteln für PP/GF-Verbunde bei einem Gehalt von 0,01 Masseprozent das beste mechanische Eigenschaftsniveau erzielt wird. Aus diesem Grund wurde Echtblau als Nukleierungsmittel verwendet.
Der Kerbradius der Metallklingen und die Kerbtiefe betrugen 0,3 µm und 2 mm. Zusätzliche Änderungen zur Norm ergaben sich durch die Applizierung des akustischen Sensors auf dem Prüfkörper. Durch die vorgeschriebene Stützweite von 62 mm betrug der Kerb–Sensor–Abstand 30 mm. Für die Prüfungen wurde die Universalprüfmaschine Zwick Z020 (ZWICK GMBH, ULM) bei einer Traversengeschwindigkeit von 10 mm/min bei Raumtemperatur verwendet.
Zur Durchführung der Schallemissionsmessungen wurde das 3-kanalige Messsystem AMSY-4 (VALLEN-SYSTEME GMBH, ICKING, DEUTSCHLAND) mit einem Vorverstärker vom Typ AEP-3 und einem Breitbandsensor vom Typ AE204A verwendet. Die Bandbreiten des Vorverstärkers und des Sensors betrugen 95–1000 kHz sowie 150–650 kHz. Eine Impedanzanpassung bei der Applizierung des Sensors auf der Prüfkörperoberfläche erfolgte durch Bienenwachs als Haftvermittler und ein konstanter Anpressdruck wurde durch die Verwendung einer Klemme sichergestellt.
Die Versuchsanordnung ist in Bild 7 für einen unter einer Biegebeanspruchung stehenden Vielzweckprüfkörper mit appliziertem Sensor gezeigt.

Biegev SEA HybMeth Bild1a.jpg
A – akustischer Breitbandsensor; Applizierung auf dem Prüfkörper mit Kopplungsmedium
B – aufgesetzte Klemme
C – Kerböffnung
Bild 7: Versuchsanordnung für die Schallemissionsmessungen in der Biegeanordnung

Aufgrund der zunehmenden Durchbiegung der Prüfkörper musste beim Kontakt der Prüfkörperhälften mit dem Biegestempel der Versuch abgebrochen werden. Eine zusätzliche Schwierigkeit ergab sich bei der Applizierung des Sensors auf den Prüfkörper. Eine Verwendung von Gel zur Impedanzanpassung war nicht möglich, da es mit zunehmender Prüfkörperdurchbiegung sowohl zu einer Bewegung des Sensors als auch zu einer Bewegung auf dem Widerlager und damit zu Reibungseffekten kam. Das Problem der sicheren Befestigung des Sensors auf dem Prüfkörper konnte durch die Nutzung von Bienenwachs gelöst werden.

Beispiel

Die Ergebnisse für die Peak-Amplitudenwerte Ap und die Ereignisdauer tED sind exemplarisch für das PP/20 im Bild 8a–b dargestellt. Wie oben erläutert, ergibt sich bei der Versuchsdurchführung nach Erreichen der Maximalkraft und infolge der stabilen Rissausbreitung das Problem der Prüfkörperbewegung auf den Widerlagern und damit die Generierung von unerwünschten Schallemissionen. Aus diesem Grund erfolgte hier die systematische Auswertung nur bis zum Kraftmaximum. Die nicht berücksichtigen Ergebnisse sind im Bild 8a–b grau hervorgehoben. In Analogie zum Zugversuch mit der gekoppelten Schallemissionsanalyse, konnte auch für den Biegeversuch eine Einteilung in Bereiche unterschiedlicher akustischer Aktivität vorgenommen werden. Dies wird im Bild 8a–b durch die gestrichelte Linie verdeutlicht. Der Bereich I ist durch eine vernachlässigbare Aktivität charakterisiert, wobei im Bereich II Amplitudenwerte zwischen 40–61 dB und Ereignisse mit einer Dauer von bis zu 380 µs auftreten. Die Abhängigkeiten der maximalen Peak-Amplitudenwerte Apmax und der Hits vom Glasfaservolumengehalt φv sind im Bild 8c–d aufgeführt.

Biegev SEA HybMeth Amplitude20.jpg Biegev SEA HybMeth Eventduration20.jpg
Biegev SEA HybMeth Graph Amp.jpg Biegev SEA HybMeth Graph Hits.jpg
Bild 8: Funktionaler Zusammenhang zwischen der Kraft F, den Amplitudenwerten Ap (a), der Ereignisdauer tED (b) und der Durchbiegung f für PP/20 sowie den maximalen Peak-Amplitudenwerten Apmax (c) und den Hits (d)

Die bis zur Maximalkraft und damit bis zum Punkt des Beginns der stabilen Rissausbreitung bestimmten Apmax-Werte werden vom Glasfaservolumengehalt nur gering beeinflusst, was ursächlich auf die gleichbleibenden experimentellen Bedingungen, insbesondere des Sensor–Kerb–Abstands und der Verstärkung des akustischen Signals, zurückzuführen ist. Ein anderes Ergebnis konnte für die Anzahl der akustischen Emissionen (Hits) ermittelt werden. Die während der Kerbaufweitung (siehe: Rissöffnung) induzierten und mit der SEA aufgezeichneten Schädigungen nehmen demnach bei höheren Fasergehalten ab. Hier ist zum einem anzunehmen, dass es aufgrund des höheren Glasfaservolumengehalts zur Überlagerung der um die Fasern ausgebildeten Spannungsfelder und damit zur Herabsetzung der lokalen Spannungsspitzen kommt [4] und damit weniger akustische Emissionen detektiert werden. Zum anderen ist eine mehrfache Schädigung der Glasfasern bei geringeren Fasergehalten möglich [5].


Literaturhinweise

[1] DIN EN ISO 178 (2017-06): Kunststoffe – Bestimmung der Biegeeigenschaften (Normentwurf)
[2] Kardelky, S.: Einfluss der Nukleierungsmittelart auf die Deformations- und Bruchmechanismen von medial beanspruchten PP/GF-Verbunden. Diplomarbeit. Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (2002) (siehe AMK-Büchersammlung unter B 3-101)
[3] Schröder, D.: Kombinierte Wirkung des Faservolumen- und Nukleierungsmittelgehaltes auf das mechanische Eigenschaftsniveau von PP/GF-Verbunden. Diplomarbeit. Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (2003) (siehe AMK-Büchersammlung unter B 3-102)
[4] Bierögel, C.: Zur Problematik der Schallemissionsanalyse an verstärkten Thermo- und Duroplasten. Dissertation. Technische Hochschule Carl Schorlemmer Leuna-Merseburg (1983)
[5] Ehrenstein, G. W., Wurmb, R.: Verstärkte Thermoplaste – Theorie und Praxis. Angewandte Makromolekulare Chemie, 60/61 (1977) 157–214.

(6) Weitere Hybride Methoden