Rasterkraftmikroskopie

Aus Lexikon der Kunststoffprüfung
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Rasterkraftmikroskopie

Grundlagen der Rasterkraftmikroskopie (AFM)

Das erste Rasterkraftmikroskop (Atomic Force Microscope, AFM) wurde von Binning, Quale und Gerber im Jahre 1986 vorgestellt und basiert auf der Weiterentwicklung des Rastertunnelmikroskops (Scanning Tunneling Microscope, STM).
Herausragendes Merkmal für die Rasterkraftmikroskopie ist, dass eine kleine scharfe Spitze oder ein anderes entsprechend miniaturisiertes Objekt mit speziellen Eigenschaften den Sensor bildet, der mit Hilfe hochauflösender typischerweise Piezostellglieder (siehe auch: Piezokeramischer Schwinger) über die zu untersuchende Probenoberfläche gerastert wird. Vorteil von AFM-Untersuchungen ist, dass die Dicke der Probe nicht wie bei anderen Methoden auf Ultradünnschnitte beschränkt ist. Gemessen wird der Wechselwirkungsmechanismus zwischen Probenoberfläche und Sensorspitze. Die Kontrolle des Abstandes erfolgt über ein hochauflösendes Stellglied, wobei die Reglung auf Abstände von wenigen µm begrenzt ist und eine z-Auflösung bis in den Subnanometerbereich erreicht. An sehr glatten kristallinen Objekten lassen sich mittels STM und AFM Oberflächenabbildungen mit atomarer Auflösung erzielen. Zur Oberflächenabbildung sorgt ein Regelkreis während der Abrasterung der Oberfläche dafür, dass durch entsprechendes Nachregeln des Abstandes zwischen Sensorspitze und Probe das Wechselwirkungssignal konstant bleibt, so dass durch die Regelgröße das Oberflächenrelief quantitativ erfasst wird.

Anwendung der AFM für Kunststoffe

Wegen der Nutzung des Tunnelstroms als Wechselwirkungsmechanismus erstreckt sich die Anwendung des STM auf leitende bzw. halbleitende Objekte. Dahingegen kann ein AFM auch für die Untersuchung von elektrisch nichtleitenden Proben wie Kunststoffen verwendet werden. Dies stellt einen wesentlichen Vorteil für in-situ-Deformationsexperimente im AFM dar, wobei die entsprechende Morphologie direkt, d. h. ohne Ätzung oder Kontrastierung der Probe sichtbar gemacht werden kann.

Den Wechselwirkungsmechanismus für die Abstandskontrolle bilden hier die vielfältigen Kräfte (atomare Kräfte, Van der Waalssche Kräfte, magnetische oder elektrische Kräfte), die zwischen Sensorspitze und Probe wirken. Die Sensorspitze ist im AFM an einer miniaturisierten Blattfeder von ca. 100 µm – 400 µm Länge befestigt, die bei hinreichend kleinem Abstand zwischen Spitze und Probe entsprechend der wirksamen Kraft (ca. 10-7 – 10-10 N) und der Federkonstante des Biegebalkens (ca. 0,01 – 1 N/m) bezüglich ihrer Ruhelage maximal bis etwa 10 nm verbogen wird.

Um die geringfügige Auslenkung des Federbalkens (engl.: Cantilever) zu messen, nutzt man heute üblicherweise die entsprechende Auslenkung eines Lichtzeigers (Laserstrahls), der an der Cantileverrückseite oberhalb des Sensors reflektiert wird, und dessen Auftreffposition von einem 4-Quadranten-Detektor gemessen wird.

Die dynamische Kraftmikroskopie – "Tapping Mode" (AFM-TM)

Neben der beschriebenen Abbildung des Oberflächenreliefs, die im AFM bei konstanter Wechselwirkungskraft und ganz leicht in die Probe eingedrückter Sensorspitze (Contact Mode) durchgeführt wird, wurden verschiedene andere Untersuchungstechniken entwickelt, die zusätzlich zur Oberflächentopografie weitere Informationen über lokale Objekteigenschaften liefern. Besonders vorteilhaft in dieser Hinsicht sind Techniken der dynamischen Kraftmikroskopie, bei denen der Federbalken senkrecht zur Probenoberfläche in Schwingung versetzt wird, und Änderungen in Amplitude, Phase oder Resonanzfrequenz der Federbalkenschwingung ausgewertet werden. Besondere Bedeutung hat der „Tapping Mode“ (AFM-TM) erlangt, bei dem der Abstand zwischen der Sensorspitze und der Objektoberfläche und die Schwingungsamplitude so eingestellt werden, dass die Spitze während jedes Schwingungszyklus nur für einen Bruchteil der Schwingungsperiode an die Probenoberfläche anstößt bzw. in diese eindringt. Somit bietet der AFM-TM gegenüber dem Contact Mode den Vorteil, dass während der Rasterung keine Reibungskräfte auftreten, welche die Oberfläche zerstören und damit das Bild verfälschen können. Die Topografieabbildung wird bei dieser Technik durch Regelung auf konstante Schwingungsamplitude während der Rasterung erzielt. Darüber hinaus können gleichzeitig durch Auswertung der Phasendifferenz zwischen der Anregungsspannung und dem Messsignal Informationen über lokale Steifigkeitsänderungen der Probenoberfläche erhalten werden, die in einem Phasensignalbild dargestellt werden.

Der "Force Modulation Mode" (AFM-FM)

Aussagen zur lokalen Steifigkeitsänderungen der Probenoberfläche lassen sich im „Force Modulation Mode“ (AFM-FM) erzielen. Gegenüber dem AFM-TM ist der AFM-FM ein dynamisches Untersuchungsverfahren, bei dem die Sensorspitze sich ständig in Kontakt mit der Probenoberfläche befindet. Da der AFM-FM das Oberflächenprofil als Referenzgröße benötigt, wird beim AFM-FM unter Benutzung des „Negative Lift Mode“ jede Bildzeile zweifach durchlaufen. Beim ersten Durchlauf wird im AFM-TM das Höhenprofil entlang der Zeile bestimmt und pixelweise gespeichert. Beim zweiten Durchlauf wird bezogen auf den gespeicherten lokalen Höhenwert der Abstand Spitze-Probe entsprechend einem einstellbaren Wert („Negative Lift Height“) verringert, so dass die Spitze in die Probe eindringt und um diese Ruhelage mit einer kleinen Amplitude schwingt. An Objektstellen mit geringer Steifigkeit (weicheres Material) registriert man eine größere Schwingungsamplitude, was im Bild als hellere Struktur wiedergegeben wird.

Rasterkraftmikroskopie.jpg

Bild: Rasterkraftmikroskop (AFM)-System Q-Scope TM Modell 250 der Fa. Schaffer Technologie, GmbH, Langen


Literaturhinweise:

  • Balta-Calleja, F. J., Michler, G. H.: Mechanical Properties of Polymers Based on Nanostructure and Morphology. CRC Press, Taylor & Francis Group 2005, 784 pages, (ISBN 1-57444-771-8; siehe AMK-Büchersammlung unter F 10)
  • Binning, G., Quate, C. F., Gerber, Ch.: Atomic Force Microscope. Phys. Rev. Lett. 56 (1986) 930
  • Binnig, G., Rohrer, H.: Sci. Am. 253 (1981) 50
  • Godehardt, R., Michler, G. H., Lebek, W.: Mikromechanische Untersuchungen mit der Rasterkraftmikroskopie an binären Blends. In: Leps, G., Kausche, H., 40 Jahre Werkstofftechnik in Merseburg (1999) S. 74–83, (ISBN 3-86010-578-7)
  • Michler, G. H.: Electron Mikroscopy of Polymers. Springer Verlag, Berlin Heidelberg (2008), 473 Pages, 327 Illustrations, (ISBN 978-3-54036350-7; siehe AMK-Büchersammlung unter F 1)