Risszähigkeit

Aus Lexikon der Kunststoffprüfung
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Risszähigkeit

Begriffserläuterung

Die Risszähigkeit oder Bruchzähigkeit beschreibt in der Bruchmechanik den Widerstand eines Bauteils bzw. Werkstoffes gegenüber einem, wie auch immer geartetem, Rissfortschritt. Risse sind unerwünschte Werkstoffdiskontinuitäten, die infolge der Herstellung und/oder Nachbehandlung sowie Bearbeitung, häufig aber auch durch eine äußere (Kräfte und Momente) oder innere (Eigenspannungen und Orientierungen) Beanspruchung entstehen [1-2].
Bei instabiler Rissausbreitung ist die Kenngröße der Risszähigkeit der kritische Spannungsintensitätsfaktor KIc. Die Risszähigkeit wird aus der senkrecht zu den Rissflanken (siehe Rissöffnungsmoden) wirkenden Lastspannung bzw. Kraft berechnet. Der Bruch ist die gefährlichste werkstoffseitige Versagensursache, da er im Fall der instabilen Rissausbreitung ankündigungslos, also ohne vorherige plastische Deformation, erfolgt. Wird eine kritische Spannung erreicht, so wird der Sprödbruch ausgelöst. Bei Kunststoffen wird der Bruch von dem Zerreißen von Molekülketten, dem Herausziehen von Molekülketten (Pull-out) und durch das Aufreißen von Phasengrenzflächen begleitet [3].

Praktische Anwendungsbeispiele

Zur Erhöhung der Risszähigkeit bzw. zur Verbesserung des Bruchverhaltens von Kunststoffbauteilen wird bei der Konstruktion und Dimensionierung dieser Bauteile eine Reihe von Maßnahmen eingesetzt [4].

  • Aufgeklebte schichtweise lokale Versteifungen,
  • Radiale Verrippungen bei Eimerböden,
  • Rippen und Stringer bei Strukturelementen des Flugzeugbaus
  • Radiale und tangentiale Rippen bei Laugenbottichen von Waschmaschinen (Bild 1),
  • Spezielle Rippen mit definiertem Deformations-Freiheitsgrad (Bild 2a),
  • Vermeidung von Wanddickensprüngen bei Spritzgusseilen (Bild 2b),
  • Einstellung definierter Orientierungen in Spritzgussteilen durch die Angussgestaltung und Fließweghindernisse,
  • Vermeidung von geometrischen Heterogenitäten, wie Kanten und Ecken oder Lunkern (Bild 2c).

Risszaehigkeit-1.jpg

Bild 1: Radiale und tangentiale Verrippung eines Laugenbottichs von Waschmaschinen

Risszaehigkeit-2.jpg

Bild 2: (a) Rippen mit und ohne Deformations-Freiheitsgrad, (b) Wanddickensprung und (c) äußere und innere Inhomogenitäten bei Spritzgussteilen


Literaturhinweise

[1] Blumenauer, H., Pusch, G.: Technische Bruchmechanik. Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, Leipzig (1993) 3. Auflage S. 15, (ISBN 3-342-00659-5; siehe AMK-Büchersammlung unter E 29-3)
[2] Schwalbe, K.-H.: Bruchmechanik metallischer Werkstoffe. Carl Hanser Verlag, München Wien (1980), , (ISBN 3-446-12983-9; siehe AMK-Büchersammlung unter E 15)
[3] Grellmann, W.: Zähigkeitsbewertung mit bruchmechanischen Methoden. In: Grellmann, W., Seidler, S. (Hrsg.): Kunststoffprüfung. Carl Hanser Verlag, München (2015) 3. Auflage, S. 247–303 (ISBN 978-3-446-44350-1; siehe AMK-Büchersammlung unter A 18)
[4] Bierögel, C., Langer, B., Müller, H., Grellmann, W.: Schadensfallanalyse an Kunststoffbauteilen. Tagung Werkstoffprüfung 2004, Neu-Ulm, 25.-26. November 2004, Werkstoff-Verlag Informationsgesellschaft mbH Frankfurt (ISBN 3-88355-337-9), S. 231–236 Download als pdf-Datei