Scherbandbildung

Aus Lexikon der Kunststoffprüfung
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Scherbandbildung

auch Scherfließen, siehe auch Deformationsmechanismen

Scherbänder können sich nur bei bestimmten Dehngeschwindigkeiten und Temperaturen bilden. Es läuft eine Translation der Moleküle bzw. ihrer Segmente aneinander ab, wobei durch Tempern gedehnter glasartiger Polymere oberhalb der Glastemperatur Tg sich der Ausgangszustand weitgehend wieder einstellen lässt.

Das Scherfließen erfolgt in teilkristallinen Kunststoffen durch Gleiten, Zwillingsbildung und martensitische Transformation wie in anderen kristallinen Festkörpern. In glasartigen Polymeren treten entweder stark lokalisierte Scherbänder oder diffuse Scherdeformationen auf. Ihre Ausdehnung erfolgt üblicherweise in einem Winkel von 30 bis 45° zur Hauptspannung. Für die Ausbildung von Scherbändern bzw. diffusen Scherzonen scheint die Temperatur der bestimmende Parameter zu sein.

Polystyrol (Kurzzeichen: PS) und Polypropylen (Kurzzeichen: PP) zeigen folgendes Verhalten:

  • bei T/Tg < 0,75 Scherbandbildung
  • bei T/Tg > 0,75 diffuse Scherdeformationszonen.

Zahlreiche Kunststoffe, wie Polyvinylchlorid (Kurzzeichen: PVC), Polystyrol (Kurzzeichen: PS), Polycarbonat (Kurzzeichen: PC), Polyethylen (Kurzzeichen: PE) und Polytetrafluorethylen (Kurzzeichen: PTFE), weisen bei Belastung im Zugversuch eine kleinere Fließspannung auf als bei Druckbeanspruchungen. In diesen beiden uniaxialen Beanspruchungsfällen (siehe: einachsiger Spannungszustand) variiert die Fließspannung stark mit dem aufgebrachten hydrostatischen Druck.

Die Schubspannung τs, die notwendig ist um eine Fließzonenbildung einzuleiten, ist außer von der reinen Schubfestigkeit τds noch von den herrschenden Normalspannungsbedingungen abhängig. Es gilt


mit

τds = Schubfestigkeit
= Materialkonstante

Es wird angenommen, dass die Enden kurzer Normalspannungsfließzonen bei höherer Belastung der Ausgangspunkt von Schubspannungsfließzonen sein können oder von diesen in ihrem Wachstum begrenzt werden.

Im Bild 1 sind die Fließzonen des Scherbandmechanismus für teilkristalline und amorphe Kunststoffe schematisch dargestellt. Die Ausgangsstruktur ist für beide Werkstoffe natürlich unterschiedlich.

Scherbandbildung.JPG

Bild 1: Ausbildung von Scherbändern bei Zugbeanspruchung von teilkristallinem Aeryl-Butadien-Styrol (ABS) und amorphen Polystyrol (PS)

Die sich unter Zugbeanspruchung einstellende verstreckte Struktur ist durch eine Zunahme des Ordnungsgrades charakterisiert. Normalerweise tritt bei diesem Mechanismus keine Volumenänderung auf. Entstehende Hohlräume (bei großen Deformationen) werden durch die Zunahme der Dichte in den orientierten Bereichen kompensiert.

Die Fließzonen sind oft schon visuell bei transparenten Werkstoffen und partiell bei opaken Materialien auf der Oberfläche zu beobachten.


Literaturhinweise

[1] Grellmann W., Seidler, S. (Hrsg.): Kunststoffprüfung. Carl Hanser Verlag München (2015) 3. Auflage, S. 146, (ISBN 978-3-446-44350-1; siehe AMK-Büchersammlung unter A 18)
[2] Michler G. H.: Kunststoff-Mikromechanik – Morphologie, Deformations- und Bruchmechanismen von polymeren Werkstoffen. Carl Hanser Verlag, München Wien (1992), (ISBN 3-446-17068-5; siehe AMK-Büchersammlung unter F 4)