Schlagbeanspruchung Pendelschlagwerk: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 11. Oktober 2018, 13:55 Uhr

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Schlagbeanspruchung, Kunststoffe, Pendelschlagwerk

Allgemeines

Kunststoffe oder Verbundkunstkstoffe werden unter Leichtbauaspekten in Maschinen, Fahrzeugen oder Flugzeugen zunehmend eingesetzt. Bei Crashbeanspruchungen und Explosionen von Behältern oder Rohrleitungen in der Chemieindustrie können dabei schlagartige Beanspruchungen auftreten, die sich dem vorhandenen statisch/ dynamischen Lastkollektiv überlagern. Diese Schlagbeanspruchungen rufen zumeist lokal stark erhöhte Deformationsgeschwindigkeiten hervor und werden durch das Vorhandensein von Spannungsspitzen an scharfen Kerben, Lunkern oder Kanten, mehrachsige Spannungszustände sowie niedrige Temperaturen zusätzlich verstärkt [1].

Da bei Kunststoffen die molekularen Relaxations- und Kriechmechanismen eine hinreichende Reaktionszeit erfordern, wird bei hohen Schlaggeschwindigkeiten und/oder sehr niedrigen Temperaturen das Schädigungs-, Festigkeits-, Deformations- und Versagensverhalten signifikant beeinflusst, da die erforderliche Zeit zur Reaktion des Werkstoffes auf die Schlagbeanspruchung nicht mehr zur Verfügung steht. Entscheidend für die Auswirkung der schlagartigen Beanspruchung auf den Kunststoff ist die lokale Dehngeschwindigkeit dε/dt bzw. die charakteristische Einwirkungszeit der stoßartigen Belastung.

Konventionelle Charakterisierung der Zähigkeit

Der Ermittlung der Zähigkeit der eingesetzten Werkstoffe kommt neben den Kenntnissen zur Festigkeit, dem Deformationsverhalten bei ruhender und dynamischer Beanspruchung sowie dem Steifigkeitsverhalten eine hohe Bedeutung zu. Im industriellen Forschungs- und Entwicklungsbereich werden für diesen Zweck zumeist Pendelschlagwerke (Bild 1) eingesetzt, die eine konventionelle Charakterisierung des Zähigkeitsverhaltens auch in Abhängigkeit von der Prüftemperatur gestatten.

Schlagbeanspruchung Pendelschlagwerk-1.JPG

Bild 1: Schematische Darstellung eines konventionellen Pendelschlagwerks

Mit derartigen Pendelschlagwerken wird ausgehend von der potentiellen Energie des Pendelhammers in der Ausgangsposition α bzw. h1 die durch den Prüfkörper beim Schlag konsumierte Energie ermittelt, die sich in der geringeren Höhe h2 bzw. dem Winkel β äußert. Wird der Quotient aus der verbrauchten Energie und der Querschnittsfläche gebildet, dann ergibt sich je nach verwendetem Prüfkörpertyp die Schlag- oder Kerbschlagzähigkeit für den untersuchten Werkstoff.

Prüfanordnungen

In der prüftechnischen Praxis werden neben dem Schlagzugversuch bei Schlagbiegebeanspruchung die Prüfanordnungen nach CHARPY, IZOD oder Dynstat verwendet, wobei die Prüfmethoden schon aufgrund unterschiedlicher Prüfgeschwindigkeiten (2,9 bis 3,9 m/s) nicht vergleichbare Ergebnisse erzeugen.
In Deutschland und den europäischen Staaten wird die Prüfanordnung nach CHARPY entsprechend DIN EN ISO 179-1 [2] bevorzugt, wobei hier ungekerbte und gekerbte Prüfkörper in schmal- oder breitseitiger Anordnung geprüft werden können (Bild 2).

Schlagbeanspruchung Pendelschlagwerk-2.JPG

Bild 2: Prüfanordung nach CHARPY (a) flachseitig oder e und (b) breitseitig oder f

Die Resultate der flach- oder breitseitigen Prüfung sind für die untersuchten unverstärkten oder kurzfaserverstärkten sowie gefüllten Kunststoffe allerdings auch nicht vergleichbar. Im Fall der Prüfung von Laminaten oder hochorientierten Prüfkörper aus Platten wird je nach Entnahmerichtung zusätzlich die Prüfrichtung variiert. Falls das Pendelschlagwerk mit einer Temperiereinrichtung versehen ist, können auch temperaturabhängige Zähigkeitskennwerte zur Charakterisierung von Spröd/Zäh-Übergängen ermittelt werden. Diese Übergangsbereiche besitzen eine besondere Bedeutung beim Einsatz dieser Kunststoffe, da sie einen wesentlichen Einfluss auf den dominierenden Versagensmechanismus (verformungsloser Sprödbruch oder zäher Bruch) ausüben.

Gerätesysteme

Je nach Alter und Ausstattungsgrad können diese Prüfsysteme mit analoger Messwerterfassung (Schleppzeiger mit manueller Ablesung), mit digitaler Messwertverarbeitung oder inkrementaler Messtechnik (Winkelgeber) ausgerüstet sein (Bild 3).


Schlagbeanspruchung Pendelschlagwerk-3.JPG

Bild 3: Analoges Pendelschlagwerk (a), analoges Pendel mit digitaler Messwertverarbeitung (b) und inkrementales Pendelschlagwerk (c) der Fa. ZwickRoell GmbH & Co. KG, Ulm


Literaturhinweise

[1] Grellmann, W.: Schlagartige Beanspruchung. In: Grellmann, W., Seidler, S. (Hrsg.): Kunststoffprüfung. Carl Hanser Verlag, München (2015) 3. Auflage, S. 158−168, (ISBN 978-3-446-44350-1; siehe AMK-Büchersammlung unter A 18)
[2] DIN EN ISO 179-1 (2010-11): Kunststoffe − Bestimmung der Charpy-Schlageigenschaften. Teil 1: Nicht instrumentierte Schlagzähigkeitsprüfung