Schwindung

Aus Lexikon der Kunststoffprüfung
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Schwindung

Der Begriff Schwindung beschreibt im Allgemeinen den Volumenverlust eines Werkstoffes durch Trocknungsprozesse oder durch den Herstellungsprozess wie z.B. das Gießen von Metallen bzw. das Spritzgießen von Kunststoffen.

Bei Kunststoffen versteht man unter Schwindung die geometrische Veränderung eines Formteils während des Abkühlens vom schmelzflüssigem in den festen Zustand, wodurch eine Volumenkontraktion auftritt. Im Gegensatz dazu bleibt beim Schrumpfungsprozess das Volumen erhalten. Der Schwindungsprozess ist nur unterhalb der Glasübergangstemperatur definiert:

(1)

Die Schwindung in Kunststoffen kann sowohl beim Herstellungsprozess als auch im betrieblichen Einsatz auftreten. Feste Schwindungsmaße wie bei Metallen und Metalllegierungen lassen sich nicht angeben, weil die Kunststoffeigenschaften empfindlich von den Herstellungsparametern und verschiedenen einsatzspezifischen Zusatzstoffen abhängen. Die Schwindung hängt allerdings auch von der Zeit, den äußeren Bedingungen (den Prozessparametern wie z.B. Druck und Temperatur) sowie auch von der inneren Struktur des Kunststoffs ab, worunter Eigenspannungen, Orientierungen und Kristallinität sowie Verstärkungen (Fasern und Füllstoffe) zu verstehen sind. Teilkristalline und verstärkte Kunststoffe zeigen dabei eine höhere Neigung zur Schwindung als amorphe, spritzgegossene Kunststoffe.

Man unterscheidet drei verschiede Schwindungsarten:

  • Entformungsschwindung,
  • Verarbeitungsschwindung und
  • Nachschwindung.

Die Entformungsschwindung, infolge der Volumenkontraktion, wird unmittelbar nach dem Auswerfen des Formteiles mittels einer genormten Platte aus dem Werkzeug gemessen. Falls der Abkühlprozess des Kunststoffes in einem Formnest (tool) stattfindet, müssen an dem Formteil definierte Entformungsneigungen angebracht werden, um das Teil nicht während des Entformungsprozesses durch die Auswerfer zu zerstören.

Die Berechnung der Schwindung SV erfolgt dabei mittels nachstehender allgemeiner Gleichung als dimensionsloser oder prozentualer relativer Kennwert

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Hierbei ist VW das Volumen des Formwerkzeuges bei Normtemperatur (23 °C) und VF das Volumen des Formteiles.

Die Verarbeitungsschwindung SVS wird aus der Differenz der Werkzeugabmaße und des Formteiles nach 16 Stunden Lagerung im Normalklima bestimmt (DIN 16901). Zur Sicherstellung der erforderlichen konstruktiven Abmaße müssen somit beide vorhandenen Schwindungsanteile bei der Dimensionierung des Bauteils durch ein dementsprechendes Übermaß berücksichtigt werden.

Die darauffolgende Nachschwindung SNS im betrieblichen Einsatz hat ihre Ursache im Relaxationsprozess, der durch das teilweise Auflösen der Eigenspannungen geprägt ist, in einer Nachkristallisation als auch in strukturellen entropiegeprägten Neuausrichtungen der Molekülketten infolge von Umorientierungen.

Die Berechnung für alle Schwindungsarten inklusive der zeitabhängigen Schwindung erfolgt ebenfalls nach Gleichung (2), wobei dann das zeitabhängige Formteilvolumen VF (t) einzusetzen ist.

Typische prozentuale Werte der Schwindung sind in der folgenden Tabelle aufgeführt (nach KAISER):

Kunststoffe Verarbeitungsschwindung (%) Nachschwindung (%)
Thermoplast
amorph 0,2 – 0,8 ≈ 0
teilkristallin 0,2 – 3,0 0,2 – 2,0


Literaturhinweise

  • Die Maßhaltigkeit von Kunststoffformteilen. HERA AG Kunststofftechnologie, Firmen-Schrift (2006), http://www.heratech.ch/pdf/mass_kunststoff_formteilen.pdf (Zugriff am 02.02.2015)
  • Zöllner, Olaf: Grundlagen zur Schwindung von thermoplastischen Kunststoffen. Bayer MaterialSience, Firmenschrift (2001), http://plastics.bayer.com/plastics/emea/de/docId-1179/A1120.pdf (Zugriff am 02.02.2015)
  • Kaiser, Wolfgang: Kunststoffchemie für Ingenieure. Carl Hanser Verlag, München Wien (2006) S. 80 ff. (siehe AMK-Büchersammlung unter N 12)
  • Rudolf, Nathalie: Druckverfestigung amorpher Thermoplaste. Dissertation, Universität Erlangen-Nürnberg (2009)
  • Baur, E.; Schmachtenberg, E.: Saechtling Kunststofftaschenbuch. Carl Hanser Verlag, München Wien (2007) S. 733 ff.
  • Illig, A.: Thermoformen in der Praxis. Carl Hanser Verlag, München Wien (2008) S. 30 ff.
  • DIN 16901 (1982): Kunststoff-Formteile – Toleranzen und Abnahmebedingungen für Längenmaße (zurückgezogen 2009-10; ersetzt durch DIN 16742 Kunststoff-Formteile)
  • DIN 16742 (2013-10): Kunststoff-Formteile – Toleranzen und Abnahmebedingungen
  • DIN EN 1842 (1997-11): Kunststoffe – Wärmehärtende Formmassen (SMC - BMC) – Bestimmung der Verarbeitungsschwindung
  • DIN EN ISO 294-4 (2003-06): Kunststoffe – Spritzgießen von Probekörpern aus Thermoplasten –Teil 4: Bestimmung der Verarbeitungsschwindung; Berichtigung 1: 2011-09