Thermischer Ausdehnungskoeffizient

Aus Lexikon der Kunststoffprüfung
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Thermischer Ausdehnungskoeffizient

Allgemeine Grundlagen

Bei Erhöhung der Beanspruchungstemperatur tritt bei Kunststoffen eine Längenausdehnung auf, die in der Regel wesentlich höher als bei metallischen Werkstoffen ist.
Diese Wärmeausdehnung wird mit dem mittleren linearen (α) bzw. dem kubischen (β) Wärmeausdehnungskoeffizienten des Kunststoffes beschrieben und gibt gleichzeitig Informationen über wichtige Umwandlungserscheinungen beim Erwärmen.

Der Wärmeausdehnungskoeffizient αTh, der auch als Wärmedehnzahl bezeichnet wird, beschreibt die Längenänderung ΔL eines Körpers bei einer Temperaturerhöhung von 1 °C und wird in K-1 angegeben [1]. In einem limitierten Temperaturintervall ergibt sich die lineare Längenausdehnung bei einer Temperaturerhöhung um ΔT nach Gl. (1).

(1)

Über eine größeres Temperaturintervall können bei verschiedenen Kunststoffen Nichtlinearitäten auftreten, die von lokalen Bewegungen kleiner Molekülgruppen (Nebenrelaxation) und kooperativen Bewegungen ganzer Molekülteile (Hauptrelaxationen) hervorgerufen werden, wobei sich bei Erreichen von Umwandlungsgebieten die Ausdehnungskoeffizienten auch sprunghaft ändern können.

Bestimmungsmethoden für den thermischen Ausdehnungskoeffizienten

Der lineare Ausdehnungskoeffizient kann an sehr kleinen Prüfkörpern im Dilatometerverfahren oder mittels Thermomechanische Analyse (TMA) [1] bestimmt werden oder an Vielzweckprüfkörpern mit der Thermischen Dehnungs-Analyse (TDA) [2–4] ermittelt werden. Zu beachten ist dabei, dass der erste Heizlauf einer TMA oder TDA von der thermo-mechanischen Vorgeschichte des Prüfkörpers überlagert wird. Dabei können flüchtige Bestandteile entweichen oder der Abbau von Orientierungen und Eigenspannungen kann bei höheren Temperaturen initiiert werden und bei teilkristallinen Kunststoffen (siehe: Kristallinität) können Nachkristallisationsprozesse auftreten. Diese Prozesse bewirken eine Schrumpfung (siehe auch: Schrumpfversuch) und verfälschen den Absolutbetrag des thermischen Ausdehnungskoeffizienten. In duroplastischen Kunststoffen können Nachhärtungsprozesse auftreten und in verstärkten oder gefüllten Kunststoffen bewirken Anisotropieeffekte infolge der Herstellung eine Richtungsabhängigkeit des Ausdehnungskoeffizienten.

Beispiel der Temperaturabhängigkeit des Ausdehnungskoeffizienten

Thermische Beanspruchungen sind in der Auslegung von Kunststoffbauteilen und deren Dimensionierung unbedingt zu berücksichtigen. Dies ist insbesondere dann zu berücksichtigen, wenn es sich um hybride Bauteile aus Kunststoffen und anderen Werkstoffen handelt, die stark unterschiedliche Ausdehnungskoeffizienten aufweisen. Großflächige Kunststoffbauteile, wie Platten für Fassadengestaltung, können bei thermischen Beanspruchungen in Abhängigkeit von der Farbgebung sehr starken Verzug oder Verwerfungen der Geometrie zeigen, der in der Temperaturabhängigkeit der Wärmeausdehnung begründet ist (Bild 1). Tritt eine Behinderung der thermischen Ausdehnung infolge der Montagebedingungen auf, dann entstehen durch den inneren Spannungsaufbau sogenannte Wärmespannungen, die bei Überlastung zu Rissen oder zum Versagen des Bauteils (siehe Bauteilversagen) führen können. Je nach äußeren Temperaturunterschieden können dann Zug- oder Druckspannungen (siehe: Zugversuch und Druckversuch) insbesondere bei kraftschlüssigen oder auch formschlüssigen Verbindungen auftreten.

Therm Ausdehnung 1.jpg

Bild 1: Wärmeausdehnungsverhalten und Ausdehnungskoeffizient von PMMA a) und PVC b) aus der Thermischen Dehnungs-Analyse (TDA)

Eine umfassende Literaturanalyse von thermischen Ausdehnungskoeffizienten für zahlreiche Kunststoffe ist in [5] enthalten.


Literaturhinweise

[1] Grellmann, W., Seidler, S. (Hrsg.): Kunststoffprüfung. Carl Hanser Verlag, München (2015) 3. Auflage, S. 319 ff., (ISBN 978-3-446-44350-1) (siehe AMK-Büchersammlung unter A 18)
[2] Sirch, C., Bierögel, C., Grellmann, W.: Wirkung von Eigenspannungen auf die lokale Dehnung von Kunststoffen. In: Langer, B., Rödel, T. (Eds.): Polymerwerkstoffe. Tagungsband PolyMerTec 2014, CD-ROM, Merseburg (2014) 556–561
[3] Sirch, C., Bierögel, C., Grellmann, W.: Wirkung von Eigenspannungen auf die lokale Dehnung von Kunststoffen. In: Christ, H.-J. (Hrsg.): Fortschritte in der Werkstoffprüfung für Forschung und Praxis. Tagungsband Werkstoffprüfung 2013, Verlag Stahleisen GmbH, Düsseldorf (2013) 181–186 (ISBN 978-3-514-60806-9; siehe AMK-Büchersammlung unter M 26)
[4] Grellmann, W., Bierögel, C., Sirch, C., Oluschinski, A.: Thermische Spannungs- und Dehnungsanalyse an Kunststoffen. In: Pohl, M. (Hrsg.): Konstruktion, Werkstoffentwicklung und Schadensanalyse. Tagungsband Werkstoffprüfung 2010, Verlag Stahleisen GmbH, Düsseldorf (2010) 365–370 (ISBN 978-3-514-00778-9, siehe AMK-Büchersammlung unter M 18)
[5] Archodoulaki, V.-M., Seidler, S.: Thermomechanical Properties. In: Grellmann, W., Seidler, S.: Mechanical and Thermomechanical Properties of Polymers. Landolt-Börnstein. Volume VIII/6A3, Springer Verlag, Berlin (2014) 34–44, (ISBN 978-3-642-55165-9; siehe AMK-Büchersammlung unter A 16)