Videoextensometrie: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 11. Juli 2024, 09:09 Uhr
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Videoextensometrie
Allgemeines
Das Deformations- und Bruchverhalten der Kunststoffe und Verbundwerkstoffen im Zugversuch wird neben den Prüfbedingungen maßgeblich vom herstellungsbedingten inneren Zustand beeinflusst. Die Struktur und Morphologieparameter (siehe: Mikroskopische Struktur) der Prüfkörper bestimmen deshalb nicht nur das zeitliche und örtliche Deformationsverhalten sondern auch den Umfang und die Art der vorgelagerten Schädigungen. Der Deformationsprozess von heterogenen und anisotrop aufgebauten Kunststoffen ist grundsätzliche immer mit einer Lokalisierung der Verformung verbunden, die sich visuell z. B. in einer Einschnürung des Prüfkörpers äußert. Für das Verständnis dieser Prozesse ist deshalb eine ortsauflösende und bildgebende, wenn möglich berührungslos arbeitende Dehnmesstechnik erforderlich.
Messprinzip der Videoextensometrie
Diese Aufgabe kann mittels Laserextensometrie oder Videoextensometrie realisiert werden, wobei das letztere Verfahren zumeist nur mit einer Zweipunktmessung betrieben wird, so dass keine Ortsauflösung der lokalen Dehnungen möglich ist. Unter der Videoextensometrie versteht man i. Allg. berührungslose Dehnmesstechniken, die auf dem Reflexionsprinzip beruhen und dabei den verwendeten Prüfkörper mit adaptierten Targets als Reflektor benutzen (Bild 1).
Bild 1: | Schematischer Aufbau eines Videoextensometers |
Die Dehnungsmessung basiert dabei auf der Ermittlung der Bewegung und teilweise auch der Verformung der Messmarken (Targets) auf der Prüfkörperoberfläche. Für die Berechnung der Dehnung wird die Differenz der Verformung bzw. Bewegung benutzt. Die Prüfkörper müssen dabei mit Messmarken oder Reflektoren versehen sein, die auch über eine hinreichende Temperaturstabilität für Untersuchungen in einer Temperierkammer verfügen. Die Marken können als Folienmaske im Sieb- oder Tampondruckverfahren oder auch durch einfache Hell-Dunkel-Kontrastierung mittels Spray, Pinsel oder Klebmarken aufgebracht werden. Vorteilhaft ist bei der Videoextensometrie, dass eine bildliche Information zum Prüfkörper in jeder Phase des Zugversuchs vorliegt und bei Vorhandensein von seitlichen Marken auch die Querdehnung und damit die Poissonzahl gemessen werden kann. Die beleuchteten Messmarken werden mit CCD-Kameras verfolgt und mit einem Framegrabber werden die Bilder digitalisiert und weiter verarbeitet.
Bild 2: | Schematische Darstellung des Messprinzips eines Videoextensometers |
Messtechnische Auflösung
Die an den Hell-Dunkel-Übergängen auftretenden Intensitätsunterschiede werden z. B. über die Flanke getriggert und aus den Differenzen der Längenänderungen wird dann die Dehnung des Prüfkörpers berechnet (Bild 2). Durch die Nutzung sogenannter Subpixel oder die Interpolation zwischen den realen Pixeln des Graubilds kann die Auflösung des wegproportionalen Abstandssignals noch erhöht werden. Die Auflösung derartiger Videoextensometer hängt natürlich vom Objektabstand bzw. dem Gesichtsfeld der CCD-Kamera ab (Bild 3).
Bild 3: | Zusammenhang zwischen messtechnischer Auflösung und dem Gesichtsfeld |
Die messtechnische Auflösung kann aber auch durch die Verwendung von Vorsatzobjektiven beeinflusst werden, wobei oft auch Videoextensometer für Feindehnungsmessungen oder zur Erfassung großer Deformationen separat angeboten werden (z. B. Instron FOV60 und FOV500).
Messsysteme für Materialprüfmaschinen
Hinsichtlich der Messfrequenz bestehen je nach Applikationsbereich große Differenzen zwischen den Messsystemen, wobei für die konventionellen Zug- oder Druckversuche zumeist 50 Hz genügen. Videoextensometer werden von den meisten Herstellern von Prüfmaschinen als Zusatzmesssysteme für eine große Werkstoffpalette angeboten (VideoXtens von ZwickRoell GmbH & Co. KG, Ulm, TRViewX von Shimadzu Deutschland GmbH, Duisburg, RTSS Videoextensometer von Doli Elektronik GmbH, München, RTSS Videoextensometer von Limess Messtechnik und Software GmbH, Krefeld) (Bild 4).
Bild 4: | Beispiele von Messsystemen zur Videoextensometrie |
Die RTSS (Real Time Strain Sensor)-Messsysteme können dabei auch bei höheren Messfrequenzen z. B. bis 1 kHz für dynamische Prüfungen (Servohydraulische Prüfmaschine oder Hydropulser) oder bei Anwendung von Multi-Kamera-Systemen für die experimentelle Dehnungsanalyse genutzt werden. Das Videoextensometer der Messphysik Materials Testing GmbH, Altenmarkt, Österreich bietet bei Verwendung von 16 Messmarken oder einer 2D-Punktematrix auch die Möglichkeit lokale Dehnungen im Zug- oder Druckversuch zu ermitteln, wobei das System auch optional für die Biegeprüfung und die Bestimmung der Poissonzahl anwendbar ist. Bei einem Gesichtsfeld von 50 mm erreicht dieses Messsystem, welches auch als Video-Array verfügbar ist, eine Auflösung von 0,4 μm und ist damit für viele Werkstoffe anwendbar.
Literaturhinweise
[1] | Bierögel, C.: Hybride Verfahren der Kunststoffdiagnostik. In: Grellmann, W., Seidler, S. (Hrsg.): Kunststoffprüfung. Carl Hanser Verlag, München (2015) 3. Auflage S. 529–545, (ISBN 978-3-446-44350-1; siehe AMK-Büchersammlung unter A 18) |
[2] | Scherer, T.: Werkstoffspezifisches Spannungs-Dehnungs-Verhalten und Grenzen der Beanspruchbarkeit elastischer Klebungen. (Dissertation), Technische Universität Kaiserslautern (2014) |
[3] | Walter, H.: Morphologie-Zähigkeits-Korrelationen von modifizierten Epoxidharzsystemen mittels bruchmechanischer Prüfmethoden an Miniaturprüfkörpern. (Dissertation), Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (2003) IRB, Fraunhofer Verlag (2004) (ISBN 978-3-8167-6455-7; siehe AMK-Büchersammlung unter B 1–10) |