Schlagbiegeversuch
Schlagbiegeversuch, Charpy
Russel hat im Jahre 1898 erstmals einen Pendelhammer als Prüfvorrichtung für die Schlagprüfung eingeführt. Jedoch ist diese Art der Versuchsführung heute nicht mit dem Namen Russel verbunden, sondern mit dem von Charpy, G. A. A., was an der Art und Weise liegt, mit der Charpy ab 1901 diese Methode zur Schlagbiegeprüfung metallischer Werkstoffe angewendet hat. So hat Charpy 1904 die integrale Schlagenergie als Zähigkeitswert vorgeschlagen, die er mittels seiner bekannten Anordnung bestimmt hatte. Obwohl seit der Einführung des Charpy-Versuches 100 Jahre vergangen sind, gehört die Ermittlung der (Kerb-) Schlagzähigkeit nach Charpy nach wie vor zu den verbreitesten Verfahren in der industriellen Prüfpraxis, wobei diese Methode jedoch aufgrund zahlreicher formaler Mängel streng genommen nur in der Qualitätssicherung ein berechtigtes Einsatzfeld hat. Der Schlag- und Kerbschlagbiegeversuch nach Charpy ist nach DIN EN ISO 179 genormt und dient der Beurteilung des Zähigkeitsverhaltens von Kunststoffen bei schlagartiger Beanspruchung unter Verwendung gekerbter und/oder ungekerbter Prüfkörper. Bei der Charpy-Anordnung in einem Schlagbiegeversuch wird der Prüfkörper auf zwei Widerlagern positioniert und in der Mitte durch einen Pendelhammer eines Pendelschlagwerkes schlagartig beansprucht (siehe Bild).
Die prismatischen Prüfkörper müssen nach der entsprechenden Formmasse-Norm hergestellt werden und können direkt mittels Spritzgießen oder aus gepressten bzw. gegossenen Platten spanend gefertigt werden. Die vorwiegend für Thermoplaste verwendeten Prüfkörper vom Typ 1 (siehe Tabelle) sind aus Vielzweckprüfkörpern nach DIN EN ISO 3167 Typ A entnehmbar. Die Prüfkörper Typ 2 und 3 werden nur für Verbundwerkstoffe mit interlaminarem Scherbruch, z.B. langfaserverstärkte Kunststoffe, verwendet.
Schematische Darstellung der Charpy-Anordnung zur Durchführung von Schlagbiegeversuchen
Die für die Zerstörung der Prüfkörper mit definierten Abmessungen (siehe Tabelle) notwendige Brucharbeit wird mit dem Pendelschlagwerk ermittelt. Die Schwerkraft tritt dabei als Antriebskraft auf. Das Messprinzip eines Pendelschlagwerkes beruht auf der Bestimmung der Differenz zwischen Fallwinkel und Steigwinkel, welche durch den Engergieverlust des Pendelhammers durch die Brucharbeit am Prüfkörper bestimmt wird.
Tabelle: Prüfkörpertypen und -abmessungen für den Schlagbiegeversuch nach DIN EN ISO 179
Die Berechnung der Schlag- bzw. Kerbschlagzähigkeit (Charpy) wird nach folgenden Gleichungen durchgeführt.
mit Wc – Schlagarbeit
Literaturhinweise
- Russel, S. B. (1898): Experiments with a New Machine for Testing Materials by Impact. American Society of Civil Engineers 39/826, 237–250 [Reprint: Siewert, T. A., Manahan S. (Eds.) (2000): The Pendulum Impact Testing: A Century of Progress. ASTM STP 1380, 17–45]
- Charpy, G. A. A. (1901): Essay on the Metals Impact Bend Test of Notched Bars. [Reprint: Siewert, T.A., Manahan, S. (Eds.) (2000): The Pendulum Impact Testing: A Century of Progress. ASTM STP 1380]; Charpy, A.G.A (1901): Note sur L’essai des metaux a la flexion par choc de barreaux entailles. Association internationale pour l’essai des materiaux. Congres de Budapest 1901 [auch veröffentlicht in: Soc. Ing. Civ. de Francis. Juni 1901, 848–877]
- Charpy, A. G. A. (1904): Report on Impact Test of Metals. Proc. Intern. Association for Testing Materials, Vol. I, Report III
- Grellmann, W., Seidler, S. (Hrsg.): Kunststoffprüfung. Carl Hanser Verlag, München Wien (2005) 1. Auflage, S. 157ff, (ISBN 3-446-22086-0)
- DIN EN ISO 179-1 (Entwurf 2009-08) Kunststoffe – Bestimmung der Charpy-Schlageigenschaften Teil 1: Nichtinstrumentierte Schlagzähigkeitsprüfung (ISO 179-1 AMD 1:2005)
Schlagbiegeversuch, Dynstat
Die Ermittlung der Zähigkeitseigenschaften mittels DYNSTAT-Anordnung wird bevorzugt dann angewendet, wenn nur geringe Materialmengen zur Verfügung stehen (z.B. bei der Bauteilprüfung). Dabei wird in der DIN 53435 zwischen der Prüfung von ungekerbten Prüfkörpern in der Biegeanordnung (DB – G) und der Prüfung von gekerbten Prüfkörpern in der Schlagbiegeanordnung (DS – K) unterschieden. Die Schlagzähigkeit an bzw. die Kerbschlagzähigkeit ak wird nach folgenden Gleichungen ermittelt:
DYNSTAT-Schlagzähigkeit
An - die vom Prüfkörper aufgenommene Schlagarbeit
DYNSTAT-Kerbschlagzähigkeit
hk 2/3 der ursprünglichen Dicke h
Im Bild ist schematisch die Schlagbiegeanordnung eines ungekerbten Prüfkörpers dargestellt.
Schlagbiegeanordnung DS – K zur Ermittlung der Zähigkeit unter Nutzung der DYNSTAT-Anordnung
Die für den Versuch möglichen Pendelhammerenergien sind 0,2 J, 0,5 J, 1,0 J und 2,0 J bei einer Auftreffgeschwindigkeit des Pendelhammers von 2,2 m/s. Die Prüfkörper werden spanend aus dem Formteil (Fertigteil) hergestellt. Alle Oberflächen und Kanten dürfen beim Betrachten mit dem bloßen Auge keine Beschädigungen und Fehlstellen erkennen lassen. Gegebenenfalls müssen durch Schleifen (Körnung 220 oder feiner) und anschließendes Polieren entstandene Riefen in Längsrichtung beseitigt werden.
Die Abmessungen des rechteckigen Querschnitts der ungekerbten Prüfkörper sind Länge l = (15 ± 1) mm, Breite b = (10 ± 0,5) mm und Dicke h = 1,2 – 4,5 mm. In die Prüfkörper wird ein U-Kerb (0,8 ± 0,1 mm) quer, d.h. senkrecht zur Stabachse eingesägt, eingehobelt oder eingefräst. Dabei ist die Kerbtiefe so zu wählen, dass der Restquerschnitt 2/3 des ursprünglichen Querschnittes beträgt. Der Prüfkörper wird kraftschlüssig senkrecht eingelegt, wobei die Einleglänge lE 5,5 ± 0,1 mm beträgt.
Literaturhinweise
- DIN 53435 (1983): Prüfung von Kunststoffen – Biegeversuch und Schlagbiegeversuch an Dynstat-Probekörpern