Poissonzahl

Aus Lexikon der Kunststoffprüfung
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Poissonzahl

Unter der Voraussetzung eines schlanken runden Prüfkörpers, der sich im ebenen Spannungszustand (ESZ) befindet, tritt bei einer Zugbeanspruchung neben der Verlängerung l des Prüfkörpers eine messbare Querschnittsverringerung d infolge der Volumenkonstanz bei kleinen Deformationen auf. Diese Verringerung des Querschnitts wird auch als Querkontraktion bezeichnet und ergibt sich messtechnisch wie folgt [1]:

Verlängerung:

Querkontraktion:

Bei prismatischen Prüfkörpern wird gleichzeitig eine Verringerung der Dicke und der Breite des Prüfkörpers beobachtet:

Breitenänderung:

Dickenänderung:

Aus der relativen Veränderung der Prüfkörperdimension können die Dehnungen in der Längs- und Querrichtung berechnet werden, wobei voraussetzungsgemäß die relative Breiten- und Dickenänderung identisch sein soll:

Längsdehnung:

Querdehnung:

Der Quotient aus der Quer- und Längsdehnung wird als Querkontraktions- oder Poissonzahl bezeichnet und ist eine materialspezifische elastische Kenngröße, die bei dem Wert von 0,5 inkompressibles Werkstoffverhalten widerspiegelt:

Poissonzahl:

Die Querkontraktionszahl ist bei Kunststoffen von der Temperatur und der Beanspruchungsgeschwindigkeit abhängig und liegt erfahrungsgemäß im Bereich von 0,3 bis 0,45. Für die Messung der Poissonzahl sind Präzisionsextensometer mit einer Auflösung von 0,1 µm erforderlich. Die Poissonzahl wird im Zugversuch bei einer Dehnrate von 1 mm/min im linearen Bereich des Dehnungsintervalls von 0,05 % < ε < εy ermittelt.

Eine umfassende Literaturanalyse zu den experimentellen Werten der Querkontraktions- oder Poissonzahlen ist in [2] für die Werkstoffe ABS, PA 6, PA 66, PA 6/GF, PA 66/GF, PAI, PBT, PC, PE-HD, PE-LD, PEEK, PEEK/GF, PEI, PEKK, PES, PI, PI/GF, PK, PMMA, POM, PP, PPA, PPA/GF, PPS, PPS/GF, PPSU, PS, PS/PPE, PTFE, PUR, PVC, PVC/GF, SAN und SB enthalten. Die Zusammenstellung wurde durch bisher nicht publizierte Messergebnisse ergänzt. Darüber hinaus sind Beispiele für die Abhängigkeit der Poissonzahl von der Temperatur und der normativen Dehnung angegeben (Bild 1).

Querkontraktion1.jpg

Bild 1: Abhängigkeit der Poissonzahl von der Temperatur für verschiedene Werkstoffe

In [3] wird die Abhängigkeit der Poissonzahl von der Prüftemperatur tabellarisch dargestellt.

Tabelle 1: Poissonzahl µ der Werkstoffe in Abhängikeit von der Prüftemperatur

Querkontraktion tabelle.jpg


Die Tabelle 1 zeigt die ermittelten Poissonzahlen als Übersicht für ausgewählte Werkstoffe und Prüftemperaturen. Es ist zu erkennen, dass tendenziell eine Zunahme der Poissonzahl mit der Erhöhung der Temperatur auftritt. Für die Werkstoffe PMMA und PVC ergibt sich eine Temperaturabhängigkeit, die mit einer linearen Regressionsfunktion gefittet werden kann. Bei dem PP und den PA 6-Werkstoffen ist dies nicht möglich, da sich im untersuchten Temperaturintervall die Glastemperatur Tg befindet, die bei Polypropylen im Bereich von 0 bis 10 °C und bei PA 6 in Abhängigkeit vom Glasfasergehalt und dem Konditionierungszustand zwischen 40 bis 60 °C auftritt.


Literaturhinweise

[1] Grellmann, W., Seidler, S.(Hrsg.): Kunststoffprüfung. Carl Hanser Verlag, München (2015) 3. Auflage, S. 124, (ISBN 978-3-446-44350-1; siehe AMK-Büchersammlung unter A18)
[2] Bierögel, C., Grellmann, W.: Quasi-Static Tensile Test. In: Grellmann, W., Seidler, S. (Hrsg.): Mechanical and Thermomechanical Properties of Polymers. Landolt Börnstein. Volume VIII/6A3, Springer Verlag, Berlin (2014) S. 136–142 (ISBN 978-3-642-55165-9; siehe AMK-Büchersammlung unter A 16)
[3] Sirch, C., Bierögel, C., Grellmann, W.: Temperaturabhängige Bestimmung der lokalen Querkontraktionszahl an Kunststoffen mittels Laserextensometrie. In: Grellmann, W., Frenz, H.: Fortschritte in der Werkstoffprüfung für Forschung und Praxis – Werkstoffeinsatz, Qualitätsicherung und Schadenanalyse. 32. Vortrags- und Diskussionstagung Werkstoffprüfung 2014, 4. und 5. Dezember 2014, Berlin, Tagungsband S. 155–160 (ISBN 978-3-981-45168-9; siehe AMK-Büchersammlung unter A17)