Wärmeleitfähigkeit

Aus Lexikon der Kunststoffprüfung
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Wärmeleitfähigkeit

Polymere enthalten in der Regel keine frei beweglichen Elektronen. Der Transport von Wärmeenergie kann somit nur über elastische Wellen im Festkörper (Phononen) und den Energieaustausch beim Zusammenstoß von Molekülteilen erfolgen. Die Wärmeleitfähigkeit als Maß für den Transport von Energie in einem Werkstoff ist daher als mit Schallgeschwindigkeit ablaufender quantisierter Transportprozess vorstellbar [1]. Es gilt die auf DEBYE zurückgehende Beziehung:

(1)

worin

cp ... spezifische Wärmekapazität
... Dichte
c ... Schallgeschwindigkeit und
l ... Abstand der Moleküle

bedeuten.

Die Wärmeleitfähigkeit oder Wärmeleitzahl entspricht derjenigen Wärmemenge in Joule, die im stationären Zustand in einer bestimmten Zeiteinheit durch einen Körper bestimmten Querschnittes hindurchgeleitet wird, wobei der Temperaturgradient 1 K beträgt. Die physikalische Einheit dieser Größe ist W (m K)-1.
Die empirische Grundgleichung für alle Wärmeleitungsvorgänge ist:

(2)

worin

Q ... Wärmemenge
t ... Zeit
... Wärmeleitfähigkeit
T ... Temperatur
x ... Länge in Wärmetransportrichtung und
Ao ... Querschnitt des Prüfobjektes

bedeuten.

Das Minuszeichen bedeutet, dass die Wärmemenge in entgegengesetzter Richtung zum Temperaturgradienten fließt. Aus der Differenz der in das Volumenelement A0 • dx eintretenden und austretenden Wärmemenge ist die Wärmeleitungsgleichung ableitbar:

(3)

Für den instationären Fall, z.B. bei Aufheiz- und Abkühlvorgängen, d.h.

und unter Berücksichtigung aller drei Raumrichtungen, ergibt sich die vollständige Wärmeleitungsgleichung:

(4)

Die Größe /(cp ) wird als Temperaturleitzahl oder Temperaturleitfähigkeit a bezeichnet. Sie bestimmt den zeitlichen Ablauf von Wärmeausbreitungsvorgängen und dient zur Beurteilung der Wärmespeicherung sowie Feuersicherheit von Werkstoffen.

Für den stationären Fall

führt die Lösung der allgemeinen Beziehung zu

(5)

Die Wärmeeindringzahl b ist definiert als:

(6)

Sie wird zur Bestimmung der Kontakttemperatur Tk bei Berührung zweier Körper (Gl. 7) verwendet.

(7)
bA,B ... Wärmeeindringzahl des Körpers A bzw. B
TA,B ... Temperatur an der Oberfläche des Körpers A bzw. B

Die Wärmeübergangszahl kennzeichnet einen Übergangswiderstand an den Grenzflächen zwischen Prüfkörper und Wärme- bzw. Kühlmedium. Sie kennzeichnet die Wärmemenge je Zeiteinheit bei gegebener Temperaturdifferenz zwischen einer bestimmten Körperoberfläche und dem sie berührenden Medium. Da es kaum möglich ist, alle Grenzbedingungen des Wärmeüberganges in eine mathematische Formulierung aufzunehmen, wird die Wärmeübergangszahl als empirischer Faktor angesehen und experimentell bestimmt.
Für die in der Isoliertechnik erforderliche quantitative Bewertung des Wärmedurchganges durch einzelne Schichten einer Werkstoffkombination zum Zwecke der Wärmedämmung wird die Wärmedurchgangszahl U, früher mit k oder als k-Wert bezeichnet, definiert:

(8)
Ti,a ... Temperatur des umgebenden Mediums innen bzw. außen

Die praktische Anwendung der definierten Kenngrößen Wärmeleitfähigkeit , Temperaturleitzahl a, Wärmeeindringzahl b und Wärmedurchgangszahl U findet sich bei vielen Gegenständen des täglichen Gebrauchs, wie Griffen von beheizten Gebrauchsgütern, Wärmeschutzschilden, aber auch bei der Berechnung von Werkzeugen für die Kunststoffverarbeitung.
Die Wärmeleitfähigkeit fester Stoffe ermittelt man in der Mehrzahl der Fälle in symmetrischen Prüfkörperanordnungen mittels Plattenapparaturen. Der Prüfkörper wird zwischen zwei Plattenpaare gebracht, von denen eines geheizt und das andere gekühlt wird, wodurch ein definiertes Temperaturgefälle entsteht. Zur Verhinderung seitlicher Wärmeverluste ist die Heizplatte von einem Heizring umgeben. Damit erreicht man, dass die in der Heizplatte je Zeiteinheit elektrisch erzeugte Wärmemenge durch die Probenplatte geht und nicht abfließen kann. Die Temperaturdifferenz wird in der Regel mit Thermoelementen zwischen Heiz- und Kühlplatte gemessen. Wichtig ist ein sehr guter Wärmekontakt zwischen den einzelnen Platten und damit ein einwandfreier Wärmeübergang. Dies erreicht man z.B., wenn die gesamte Prüfanordnung zusammengepresst wird oder die Prüfkörperoberflächen mit einer Metallschicht versehen werden. Eine ausführliche Darstellung der Anforderungen an die Messtechnik ist in [2] und [3] enthalten.
Prinzipiell unterscheidet man stationäre, quasistationäre und instationäre Prüfverfahren. Bild 1 zeigt am Beispiel des Wärmeleitfähigkeitsmessgerätes „Heat Flow Meter 6891/000“ der Fa. Ceast den schematischen Aufbau eines stationären Prüfsystems.

Wärmeleitfähigkleit.JPG

Bild 1: Schematischer Aufbau des Wärmeleitfähigkeitsmesssystems „Heat Flow Meter 6891/000“ der Fa. Ceast, Italien

Ein großer Nachteil dieser Messtechnik ist der relativ große Zeitaufwand. Schnell aber mit geringerer Genauigkeit arbeiten die nichtstationären Verfahren, bei denen eine Seite des Prüfkörpers einem Wärmestoß oder einer periodischen Temperaturänderung ausgesetzt ist und diese auf der anderen Seite gemessen wird [4]. Auf der Basis der Anregung mit Laserpulsen wurden in den letzten Jahren verschiedene Geräte entwickelt. Bild zeigt den Aufbau eines solchen Systems am Beispiel des Netzsch LFA 427. Mit diesem Messsystem können Temperaturleitfähigkeiten im Temperaturbereich von - 40 °C T 2000 °C gemessen werden. Auf der Prüfkörperunterseite wird ein Wärmepuls erzeugt und gleichzeitig misst ein IR-Detektor auf der Prüfkörperoberseite den Temperaturanstieg. Aus der zeitlichen Änderung der Temperatur kann die Temperaturleitfähigkeit ermittelt werden. Die Wärmeleitfähigkeit ergibt sich aus dem Zusammenhang (s. auch Gl. 4):

Wärmeleitfähigkleit 2.JPG

Bild 2: Funktionsprinzip zur Ermittlung der Temperaturleitfähigkeit mittels Laser-Flash-Methode am Beispiel des Netzsch LFA 427
(9)
a ... Temperaturleitfähigkeit
... Dichte
cp ... spezifische Wärme

Die Ermittlung der spezifischen Wärme cp erfolgt entweder mittels Differential Scanning Calorimetry (DSC) oder direkt während der Temperaturleitfähigkeitsmessung durch den Vergleich des Temperaturverlaufs im Prüfkörper mit dem eines Referenzmaterials bekannter spezifischer Wärme.
Aufgrund der Abhängigkeit der Wärmeleitfähigkeit von zahlreichen molekularstrukturellen Parametern können Wärmeleitfähigkeitsmessungen genutzt werden, Rückschlüsse auf das Verhalten der Kettenmoleküle und der übermolekularen Struktur bei Einwirkung thermischer Energie zu ziehen. Die Ausbreitung der Wärmequellen, elastische Wellen nach Art der Schallwellen, reagiert besonders auf Inhomogenitäten im Makromolekülverbund, wie z.B. geordnete Bereiche, Defektstellen, Risse u.a und wird in der modernen zerstörungsfreien Werkstoffprüfung genutzt.
Amorphe Thermoplaste verhalten bis zur Glastemperatur wie anorganisch unterkühlt eingefrorene Gläser und danach wie eine organische Flüssigkeit. Auf Grund der niedrigen Dichte und des großen Molekülabstandes sollte die Wärmeleitfähigkeit niedrig sein. Teilkristalline Thermoplaste haben infolge der höheren Dichte und des geringeren Molekülabstandes eine um Größenordnungen bessere Wärmeleitfähigkeit, die sich im schmelzflüssigen Zustand derjenigen der amorphen Polymere annähert. Ungefüllte oder -verstärkte Duromere unterscheiden sich nicht von den amorphen Thermoplasten. In einem heterogenen gefüllten oder verstärkten Kunststoff wird die Wärmeleitfähigkeit in erster Linie durch den Volumenanteil der einzelnen Bestandteile und ihrer Wärmeleitungskoeffizienten bestimmt. Bewitterung, Einwirkung von Lösungsmitteln und mechanische Beanspruchung können das Polymer angreifen. Irreversible Veränderungen durch chemischen oder physikalischen Abbau bewirken besonders dann eine Verschlechterung der Wärmeleitung, wenn sich Mikrorisse bilden oder wie bei Verbundwerkstoffen Delaminationen auftreten.


Literaturhinweise:

[1] Grellmann, W., Seidler, S. (Hrsg.): Kunststoffprüfung. Carl Hanser Verlag, München (2011) 2. Auflage, S. 301 ff. (ISBN 978-3-446-42722-8) (siehe AMK-Büchersammlung unter A 12)
[2] Brown, R. (Hrsg.): Taschenbuch Kunststoff-Prüftechnik. Carl Hanser Verlag, München Wien (1984), (ISBN 978-3-3446140523) (siehe AMK-Büchersammlung unter C 4)
[3] Schmiedel, H. (Hrsg.): Handbuch der Kunststoffprüfung. Carl Hanser Verlag, München Wien (1992), (ISBN 3-446-16336-0), (siehe AMK-Büchersammlung unter A 3)
[4] Woebcken, W.; Stoeckert, K.: Kunststoff Lexikon. Carl Hanser Verlag, München Wien, 9. Auflage (1997), (ISBN 978-3-446-17969-1) (siehe AMK-Büchersammlung unter G 3)