Adhäsive Energiefreisetzungsrate: Unterschied zwischen den Versionen

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<span style="font-size:1.2em;font-weight:bold;">Adhäsive Energiefreisetzungsrate</span>
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<span style="font-size:1.2em;font-weight:bold;">Adhäsive Energiefreisetzungsrate</span> (Autor: Prof. Dr.-Ing. Michael Nase)
 
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Version vom 15. November 2021, 14:34 Uhr

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Adhäsive Energiefreisetzungsrate (Autor: Prof. Dr.-Ing. Michael Nase)

Allgemeines

Zur Charakterisierung des Peelverhaltens von Folien aus Kunststoff oder Metall, sowie Metall-Kunststoff-Verbunden stehen der T-Peeltest in Anlehnung an ASTM D 1876 "Standard Test Method for Peel Resistance of Adhesives (T-Peel-Test)" und der Fixed-Arm-Peeltest in Anlehnung an den ESIS TC4 Normvorschlag "Peel Testing of Flexible Laminates" zur Verfügung.

Für die werkstoffspezifische Beschreibung des Peelvorganges werden die Methoden der linear-elastischen Bruchmechanik herangezogen, die es ermöglichen Kenngrößen mit einem hohen Informationsgehalt abzuleiten, wie z. B. die Energiefreisetzungsrate. Derartige Kenngrößen lassen sich dann vorteilhaft zur Bewertung des Einsatzverhaltens von Foliensystemen anwenden.

Bewertung des Peelverhaltens gesiegelter Folien mit bruchmechanischen Kenngrößen

Die adhäsive Energiefreisetzungsrate GaIc spiegelt ausschließlich den Energieanteil wider, der für die Trennung zweier versiegelter Folien (siehe: Siegelnaht) aufgewendet werden muss und ist bei elastisch-plastischem Werkstoffverhalten anwendbar.

Die adhäsive Energiefreisetzungsrate GaIc wird nach Gl. (1) berechnet.

(1)

mit

Ua direkte Adhäsionsenergie
EG Gesamtpeelenergie
Ed,P Deformationsenergie der Peelarme
Ed,S Deformationsenergie der gepeelten Siegelnaht
W Breite der Siegelnaht
L Länge der Siegelnaht

Die Gesamtpeelenergie EG entspricht dabei der Fläche unter dem Peelkraft-Bruchweg-Diagramm (auch Peelkurve; siehe Bild 1). Die Deformationsenergie der Peelarme Ed,P ist die Energie, die vom Peelprüfkörper im Vorfeld des eigentlichen Peelvorgangs aufgenommen wird. Im Peelkraft-Bruchweg-Diagramm ist der Beginn des Peelvorgangs durch eine Änderung des Anstiegs der Peelkurve bei ld,P gekennzeichnet, so dass die Deformationsenergie der Peelarme Ed,P der Fläche unter der Peelkurve bis ld,P entspricht. Es wird davon ausgegangen, dass sämtliche Deformationen, die nach ld,P infolge Krafterhöhung stattfinden, von der gepeelten Siegelnaht und nicht mehr vom Peelarm aufgenommen werden, da die gepeelte Siegelnaht eine größere Neigung zur Deformation aufweist als die Peelarme.

Adhesive G 1.jpg

Bild 1: Darstellung des idealen Verlaufs der Peelkurve, d. h. ohne Deformation der Siegelnaht (gepunktete Kurve) im Vergleich zur realen Peelkurve (durchgehende Kurve); ld,P – Beginn des Peelvorgangs; lB – Bruchweg; lB,i – Bruchweg beim idealen Peelversuch; Ed,P – Deformationsenergie der Peelarme; Ed,S – Deformationsenergie der gepeelten Siegelnaht und EG,i – ideale Gesamtpeelenergie bei zugelassener Deformation des Peelarms

Somit wird die Deformationsenergie der gepeelten Siegelnaht Ed,S durch Subtraktion der idealen Gesamtpeelenergie EG,i, d. h. der Gesamtpeelenergie beim Vorhandensein einer idealen Siegelnaht mit unendlichem E-Modul (gepunktete Peelkurve), von der Gesamtpeelenergie EG gemäß Gl. (2) berechnet. Es sei vorausgesetzt, dass der Peelarm auch beim Vorhandensein einer idealen Siegelnaht Deformationen aufnehmen kann.

(2)

Es wird vorausgesetzt, dass die Deformationsenergie der gepeelten Siegelnaht Ed,S nicht von der Deformationsenergie der Peelarme Ed,P beeinflusst wird, so dass die beiden Deformationsprozesse, die Deformation der Peelarme und die Deformation der Siegelnaht, nacheinander erfolgen. Der exakte Zahlenwert der idealen Gesamtpeelenergie EG,i ist nicht berechenbar, dennoch kann die Deformationsenergie der gepeelten Siegelnaht Ed,S nach Gl. (3) angenähert werden.

(3)

mit

lB Bruchweg beim realen Peelversuch
lB,i Bruchweg beim idealen Peelversuch, d. h. ohne Deformationen der gepeelten Siegelnaht

Der Bruchweg im idealen Peeltest wird für den T-Peeltest nach Gl. (4) und für den Fixed-Arm-Peeltest nach Gl. (5) berechnet.

(4)

mit

ld,P Beginn des Peelvorgangs
(5)

mit

Peelwinkel

Anwendungsbeispiel für ein PE-LD/iPB-1-Peelsystem

Die adhäsive Energiefreisetzungsrate beim Peelsystem Polyethylen niederer Dichte geblendet mit isotaktischem Polybuten-1 (Kurzzeichen: PE-LD/iPB-1) wird maßgeblich durch die Blendzusammensetzung beeinflusst. Als Ergebnis des T-Peeltests ist in Bild 2 die adhäsive Energiefreisetzungsrate in Abhängigkeit vom iPB-1-Gehalt dargestellt. Die adhäsive Energiefreisetzungsrate vermindert sich exponentiell mit zunehmendem iPB-1-Gehalt. Diese Abhängigkeit wird bei der gezielten Einstellung des PE-LD/iPB-1-Peelsystems unter Verwendung bruchmechanischer Kennwerte (siehe: Bruchmechanische Prüfung) zugrunde gelegt.

Ahaesive G 2.jpg

Bild 2: Einfluss des Masseanteils an iPB-1 auf die adhäsive Energiefreisetzungsrate


Literaturhinweise

  • Kinloch, A. J., Lau, C. C, Williams, J. G.: The Peeling of Flexible Laminates. Intern. J. of Fracture 66 (1994) 45–70
  • Nase, M., Langer, B., Müller, C., Grellmann, W.: Bruchmechanische Kennwertermittlung im T-Peeltest und im Fixed-Arm Peeltest. In: Frenz, H., Grellmann, W. (Hrsg.): 26. Tagung Werkstoffprüfung „Herausforderung neuer Werkstoffe an die Forschung und Werkstoffprüfung“, Berlin (2008) Tagungsband S. 223–228, ISBN 978-3-00-026399-6 (siehe AMK-Büchersammlung unter A 10) Download als pdf
  • Nase, M., Langer, B., Baumann, H. J., Grellmann, W.: Fracture Mechanics on Polyethylene/Polybutene-1 Peel Films. Polymer Testing 27 (2008) 1017–1025