Biegeversuch und Schallemissionsanalyse

Aus Lexikon der Kunststoffprüfung
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Ein Service der
Logo psm.jpg
Polymer Service GmbH Merseburg
Tel.: +49 3461 30889-50
E-Mail: info@psm-merseburg.de
Web: https://www.psm-merseburg.de
Unser Weiterbildungsangebot:
https://www.psm-merseburg.de/weiterbildung
PSM bei Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Polymer Service Merseburg

Biegeversuch und Schallemissionsanalyse

Einleitung

Im quasistatischen Biegeversuch werden die während der Belastung auftretenden Schallemissionen an einseitig gekerbten Prüfkörpern zur Bewertung der Schädigungskinetik herangezogen. Aufgrund der Verwendung von gekerbten Prüfkörpern ist es möglich, einen definierten Abstand zwischen Schallemissionsquelle und Sensorposition anzugeben und damit reproduzierbare Verhältnisse abzuleiten. Nachteilig ist jedoch, dass infolge der wirkenden Kerbspannungsüberhöhung und des lokalen Deformationsgeschehens keine Angaben für die Spannung und Dehnung möglich sind. Aufgrund der Kerbwirkung sowie des Einflusses der Sensorposition auf die Aufzeichnung der Schallemissionen ergeben sich andere experimentelle Bedingungen und die Prüfung erfolgte in Anlehnung an die DIN EN ISO 178 [1].

Experimentelles

Gegenstand der Untersuchungen waren Polypropylen (PP)-Werkstoffe, welche mir Kurzglasfasern im Bereich von 0 bis 50 Masseprozent verstärkt wurden. Aufgrund des unpolaren Charakters von Polypropylen wurde Maleinsäureanhydrid (MSA) als Haftvermittler zur Optimierung der Anbindung der Fasern an die Matrix (Faser-Matrix-Haftung) verwendet. Kardelky und Schröder wiesen in [2] und [3] nach, das mit Echtblau im Vergleich zu anderen Nukleierungsmitteln für PP/GF-Verbunde bei einem Gehalt von 0,01 Masseprozent das beste mechanische Eigenschaftsniveau erzielt wird. Aus diesem Grund wurde Echtblau als Nukleierungsmittel verwendet.
Der Kerbradius der Metallklingen und die Kerbtiefe betrugen 0,3 µm und 2 mm. Zusätzliche Änderungen zur Norm ergaben sich durch die Applizierung des akustischen Sensors auf dem Prüfkörper. Durch die vorgeschriebene Stützweite von 62 mm betrug der Kerb–Sensor–Abstand 30 mm. Für die Prüfungen wurde die Universalprüfmaschine Zwick Z020 (ZwickRoell GmbH & Co. KG, Ulm) bei einer Traversengeschwindigkeit von 10 mm/min bei Raumtemperatur verwendet.
Zur Durchführung der Schallemissionsmessungen wurde das 3-kanalige Messsystem AMSY-4 (VALLEN-SYSTEME GMBH, ICKING, DEUTSCHLAND) mit einem Vorverstärker vom Typ AEP-3 und einem Breitbandsensor vom Typ AE204A verwendet. Die Bandbreiten des Vorverstärkers und des Sensors betrugen 95–1000 kHz sowie 150–650 kHz. Eine Impedanzanpassung bei der Applizierung des Sensors auf der Prüfkörperoberfläche erfolgte durch Bienenwachs als Haftvermittler und ein konstanter Anpressdruck wurde durch die Verwendung einer Klemme sichergestellt.
Die Versuchsanordnung ist in Bild 7 für einen unter einer Biegebeanspruchung stehenden Vielzweckprüfkörper mit appliziertem Sensor gezeigt.

Biegev SEA HybMeth Bild1a.jpg
A – akustischer Breitbandsensor; Applizierung auf dem Prüfkörper mit Kopplungsmedium
B – aufgesetzte Klemme
C – Kerböffnung
Bild 7: Versuchsanordnung für die Schallemissionsmessungen in der Biegeanordnung

Aufgrund der zunehmenden Durchbiegung der Prüfkörper musste beim Kontakt der Prüfkörperhälften mit dem Biegestempel der Versuch abgebrochen werden. Eine zusätzliche Schwierigkeit ergab sich bei der Applizierung des Sensors auf den Prüfkörper. Eine Verwendung von Gel zur Impedanzanpassung war nicht möglich, da es mit zunehmender Prüfkörperdurchbiegung sowohl zu einer Bewegung des Sensors als auch zu einer Bewegung auf dem Widerlager und damit zu Reibungseffekten kam. Das Problem der sicheren Befestigung des Sensors auf dem Prüfkörper konnte durch die Nutzung von Bienenwachs gelöst werden.

Beispiel

Die Ergebnisse für die Peak-Amplitudenwerte Ap und die Ereignisdauer tED sind exemplarisch für das PP/20 im Bild 8a–b dargestellt. Wie oben erläutert, ergibt sich bei der Versuchsdurchführung nach Erreichen der Maximalkraft und infolge der stabilen Rissausbreitung das Problem der Prüfkörperbewegung auf den Widerlagern und damit die Generierung von unerwünschten Schallemissionen. Aus diesem Grund erfolgte hier die systematische Auswertung nur bis zum Kraftmaximum. Die nicht berücksichtigen Ergebnisse sind im Bild 8a–b grau hervorgehoben. In Analogie zum Zugversuch mit der gekoppelten Schallemissionsanalyse, konnte auch für den Biegeversuch eine Einteilung in Bereiche unterschiedlicher akustischer Aktivität vorgenommen werden. Dies wird im Bild 8a–b durch die gestrichelte Linie verdeutlicht. Der Bereich I ist durch eine vernachlässigbare Aktivität charakterisiert, wobei im Bereich II Amplitudenwerte zwischen 40–61 dB und Ereignisse mit einer Dauer von bis zu 380 µs auftreten. Die Abhängigkeiten der maximalen Peak-Amplitudenwerte Apmax und der Hits vom Glasfaservolumengehalt φv sind im Bild 8c–d aufgeführt.

Biegev SEA HybMeth Amplitude20.jpg Biegev SEA HybMeth Eventduration20.jpg
Biegev SEA HybMeth Graph Amp.jpg Biegev SEA HybMeth Graph Hits.jpg
Bild 8: Funktionaler Zusammenhang zwischen der Kraft F, den Amplitudenwerten Ap (a), der Ereignisdauer tED (b) und der Durchbiegung f für PP/20 sowie den maximalen Peak-Amplitudenwerten Apmax (c) und den Hits (d)

Die bis zur Maximalkraft und damit bis zum Punkt des Beginns der stabilen Rissausbreitung bestimmten Apmax-Werte werden vom Glasfaservolumengehalt nur gering beeinflusst, was ursächlich auf die gleichbleibenden experimentellen Bedingungen, insbesondere des Sensor–Kerb–Abstands und der Verstärkung des akustischen Signals, zurückzuführen ist. Ein anderes Ergebnis konnte für die Anzahl der akustischen Emissionen (Hits) ermittelt werden. Die während der Kerbaufweitung (siehe: Rissöffnung) induzierten und mit der SEA aufgezeichneten Schädigungen nehmen demnach bei höheren Fasergehalten ab. Hier ist zum einem anzunehmen, dass es aufgrund des höheren Glasfaservolumengehalts zur Überlagerung der um die Fasern ausgebildeten Spannungsfelder und damit zur Herabsetzung der lokalen Spannungsspitzen kommt [4] und damit weniger akustische Emissionen detektiert werden. Zum anderen ist eine mehrfache Schädigung der Glasfasern bei geringeren Fasergehalten möglich [5].


Literaturhinweise

[1] DIN EN ISO 178 (2017-06): Kunststoffe – Bestimmung der Biegeeigenschaften (Normentwurf)
[2] Kardelky, S.: Einfluss der Nukleierungsmittelart auf die Deformations- und Bruchmechanismen von medial beanspruchten PP/GF-Verbunden. Diplomarbeit. Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (2002) (siehe AMK-Büchersammlung unter B 3-101)
[3] Schröder, D.: Kombinierte Wirkung des Faservolumen- und Nukleierungsmittelgehaltes auf das mechanische Eigenschaftsniveau von PP/GF-Verbunden. Diplomarbeit. Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (2003) (siehe AMK-Büchersammlung unter B 3-102)
[4] Bierögel, C.: Zur Problematik der Schallemissionsanalyse an verstärkten Thermo- und Duroplasten. Dissertation. Technische Hochschule "Carl Schorlemmer" Leuna-Merseburg (1983)
[5] Ehrenstein, G. W., Wurmb, R.: Verstärkte Thermoplaste – Theorie und Praxis. Angewandte Makromolekulare Chemie, 60/61 (1977) 157–214.