Kerbschlagzugversuch: Unterschied zwischen den Versionen

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== Kerbschlagzugversuch, konventioneller ==
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<span style="font-size:1.2em;font-weight:bold;">Kerbschlagzugversuch, konventioneller</span>
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==Allgemeines==
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Das Ziel des konventionellen Kerbschlagzugversuches nach DIN EN ISO 8256 „Kunststoffe – Bestimmung der Schlagzugzähigkeit“ besteht darin, das Verhalten von [[Prüfkörper]]n unter verhältnismäßig hoher Schlaggeschwindigkeit zu untersuchen und die [[Zähigkeit]] bzw. Sprödigkeit von [[Kunststoffe]]n und [[Elastomere]]n zu bewerten [1].
  
== Kerbschlagzugversuch, instrumentierter ==
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Prinzipiell eignet sich der Kerbschlagzugversuch (Verwendung gekerbter Prüfkörper) besonders für die Untersuchung solcher Werkstoffe, für die die Durchführung von [[Schlagbiegeversuch]]en und [[Kerbschlagbiegeversuch]]en nach [[Charpy, Georges|Charpy]] (Dreipunktbiegeanordnung) aufgrund der Prüfkörperbeschaffenheit (Dicke, Flexibilität) ungeeignet ist. Sehr dünne, z. B. aus Folien hergestellte oder sehr flexible Prüfkörper (Elastomerwerkstoffe), können demzufolge einer [[Schlagbeanspruchung Kunststoffe|Schlagbeanspruchung]] unterworfen und somit ihre Zähigkeitseigenschaften unter schlagartigen Beanspruchungsbedingungen bewertet werden.
  
Der instrumentierte Kerbschlagzugversuch wird mit dem Ziel der Bestimmung bruchmechanischer Kennwerte von Folien und Elastomeren, jedoch auch von thermoplastischen Kunststoffen, durchgeführt.
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==Durchführung der Methode==
  
Durch die [[Instrumentierung]] von Schlagzug-Pendelschlagwerken, d.h. die Anbringung von Dehnmessstreifen oder eines Piezokraftaufnehmers zur Aufzeichnung des Kraft-Zeit-Verlaufes, wird ein Wissenszuwachs bezüglich der Bewertung der Zähigkeitseigenschaften erreicht. Es ist möglich, unterschiedliche Energieanteile an der Gesamtverformung zu definieren und zu bewerten sowie Messgrößen wie Maximalkraft Fmax und die zugehörige Verformungsgröße l<sub>max</sub> zu ermitteln. Die Messgrößen liefern im Rahmen eines Werkstoffvergleiches oder im Rahmen einer Werkstoffoptimierung wichtige Hinweise zur Interpretation der ermittelten Risszähigkeitskennwerte.
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Die Prüfung erfolgt beim Kerbschlagzugversuch mit verhältnismäßig hoher [[Verformungsgeschwindigkeit]]. Das Verfahren eignet sich für [[Prüfkörper]], die aus [[Formmasse]]n hergestellt sind oder aus Halbzeugen und Formteilen entnommen sind und wird zur Produktions- und Qualitätskontrolle genutzt. Mit dem konventionellen Kerbschlagzugversuch ist es außerdem möglich, das mechanische [[Anisotropie]]verhalten zu erfassen, indem Prüfkörper in unterschiedlichen Richtungen aus Prüfplatten oder Bauteilen (siehe [[Bauteilprüfung]]) entnommen und geprüft werden.
  
Für die Untersuchungen werden doppelseitig metallklingengekerbten Prüfkörper (DENT-Prüfkörper, siehe Bild) verwendet.
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Für die Durchführung derartiger Experimente werden [[Schlagbeanspruchung Pendelschlagwerk|Pendelschlagwerke]] verwendet, die mit den für [[Schlagzugversuch]]e notwendigen Zusatzausrüstungen wie speziellen Pendelhämmer und Einspannvorrichtungen versehen sind (Beispiel Resil Impactor der Fa. Ceast).  
  
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[[Datei:RTEmagicC_resil_impactor.jpg.jpg]]
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Bild: Doppelseitig gekerbter Prüfkörper für die Durchführung des Kerbschlagzugversuches
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Die Abmessungen der [[Prüfkörper]] zur Bestimmung der Kerbschlagzugzähigkeit betragen:
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Kerbtiefe a, der beidseitigen Kerben je 2 mm
  
Die Auswahl des zu verwendenden Pendelhammers, und damit der maximal angebotenen Energie, erfolgt in Abhängigkeit von den Eigenschaften des zu untersuchenden Werkstoffes. Teilweise verfügen die Pendelschlagwerke auch über Zusatzeinheiten zur definierten Einstellung des Fallwinkels und damit der Pendelhammergeschwindigkeit. Das bedeutet, die bruchmechanischen Eigenschaften von Kunststoffen können in diesem Fall auch in Abhängigkeit von der Beanspruchungsgeschwindigkeit charakterisiert werden. Die Prüfkörper haben die Abmessungen L mindestes 64 mm, W = 10 mm und die Gesamtkerbtiefe a = 2 mm. Die Einspannlänge l<sub>0</sub> beträgt 30 mm. Die Versuchsanordnung ist in folgenden Bildern dargestellt.
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Für die Durchführung von Kerbschlagzugversuchen werden die [[Prüfkörper]] mittels fester Klemmvorrichtung auf der einen Seite und Querjocheinspannung auf der anderen Seite innerhalb der Prüfeinrichtung fixiert. Nach dem Auslösen des [[Schlagbeanspruchung Pendelschlagwerk|Pendelhammers]] aus seiner Auslenkungsposition werden die [[Prüfkörper]] in Längsrichtung bis zum [[Bruch]] belastet.
  
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==Kenngrößen==
  
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Im Ergebnis des Experimentes wird die Schlagarbeit E<sub>c</sub> ermittelt und nachfolgend die konventionelle Kerbschlagzugzähigkeit a<sub>tN</sub> bestimmt:
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Eine umfassende Literaturanalyse zu der konventionellen Schlagzugzähigkeit a<sub>tN</sub> für zahlreiche [[Kunststoffe]] ist in [2] enthalten.
  
Im Ergebnis des instrumentierten Kerbschlagzugversuches erfolgt auf der Grundlage der ausgewerteten Kraft-Verlängerungs-Diagramme die Berechnung von bruchmechanischen Zähigkeitskennwerten. Bei diesen Zähigkeitskennwerten handelt es sich bevorzugt um J<sub>d</sub>-Werte, die den Widerstand des untersuchten Werkstoffes gegen die Ausbreitung eines instabilen Risses quantifizieren. Ein Vorteil dieser Kennwerte im Vergleich zu der im konventionellen Kerbschlagzugversuch ermittelten Kerbschlagzugzähigkeit a<sub>tN</sub> besteht beispielsweise in ihrer besonderen Struktursensitivität.
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Für die Ermittlung von bruchmechanischen Kenngrößen von Folien und [[Elastomere]]n ist eine [[Instrumentierung]] des konventionallen Kerbschlagzugversuches mit Kraft- und Wegsensoren erforderlich. Die Methode des [[Instrumentierter Kerbschlagzugversuch |instrumentierten Kerbschlagzugversuches]] erhöht die Aussagefähigkeit der gewonnenen Ergebnisse und ermöglicht eine Optimierung der Werkstoffeigenschaften sowie eine verbesserte Bewertung des Einsatzverhaltens von Bauteilen [3].
  
== Literaturhinweise ==
 
  
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'''Literaturhinweise'''
<li>MPK-Prozedur „MPK-IKZV“(2009-10): Prüfung von Kunststoffen Instrumentierter Kerbschlagzugversuch: Prozedur zur Ermittlung des Risswiderstandverhaltens aus dem instrumentierten Kerbschlagzugversuch</li>
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<li>Grellmann, W., Seidler, S. (Hrsg.): Kunststoffprüfung. Carl Hanser Verlag, München Wien, (2005), 1. Auflage, S. 289ff, (ISBN 3-446-22086-0)</li>
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<li>K. Reincke: Bruchmechanische Bewertung von gefüllten und ungefüllten Elastomerwerkstoffe. Mensch & Buch Verlag, Berlin (2005)</li></ul>
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|[1]
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|DIN EN ISO 8256 (2005-05): Kunststoffe Bestimmung der Schlagzugzähigkeit
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|[2]
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|Reincke, K., [[Grellmann,_Wolfgang|Grellmann, W.]]: Tensile-Impact Toughness. In: Grellmann, W., [[Seidler,_Sabine|Seidler, S.]]: Mechanical and Thermomechanical Properties of Polymers. Landolt-Börnstein. Volume VIII/6A3, Springer Verlag, Berlin (2014) S. 236–240, (ISBN 978-3-642-55165-9; siehe [[AMK-Büchersammlung]] unter A 16)
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|[3]
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|Reincke, K.: Elastomere Werkstoffe – Zusammenhang zwischen Mischungsrezeptur, Struktur und mechanischen Eigenschaften sowie dem Deformations- und Bruchverhalten. Habilitation. Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Shaker Verlag (2016), (ISBN 978-3-8440-4637-3; siehe [[AMK-Büchersammlung]] unter B 2-2)
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[[Kategorie:Schlagversuche]]
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[[Kategorie: Zugversuch]]

Version vom 13. August 2019, 07:20 Uhr

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Kerbschlagzugversuch, konventioneller

Allgemeines

Das Ziel des konventionellen Kerbschlagzugversuches nach DIN EN ISO 8256 „Kunststoffe – Bestimmung der Schlagzugzähigkeit“ besteht darin, das Verhalten von Prüfkörpern unter verhältnismäßig hoher Schlaggeschwindigkeit zu untersuchen und die Zähigkeit bzw. Sprödigkeit von Kunststoffen und Elastomeren zu bewerten [1].

Prinzipiell eignet sich der Kerbschlagzugversuch (Verwendung gekerbter Prüfkörper) besonders für die Untersuchung solcher Werkstoffe, für die die Durchführung von Schlagbiegeversuchen und Kerbschlagbiegeversuchen nach Charpy (Dreipunktbiegeanordnung) aufgrund der Prüfkörperbeschaffenheit (Dicke, Flexibilität) ungeeignet ist. Sehr dünne, z. B. aus Folien hergestellte oder sehr flexible Prüfkörper (Elastomerwerkstoffe), können demzufolge einer Schlagbeanspruchung unterworfen und somit ihre Zähigkeitseigenschaften unter schlagartigen Beanspruchungsbedingungen bewertet werden.

Durchführung der Methode

Die Prüfung erfolgt beim Kerbschlagzugversuch mit verhältnismäßig hoher Verformungsgeschwindigkeit. Das Verfahren eignet sich für Prüfkörper, die aus Formmassen hergestellt sind oder aus Halbzeugen und Formteilen entnommen sind und wird zur Produktions- und Qualitätskontrolle genutzt. Mit dem konventionellen Kerbschlagzugversuch ist es außerdem möglich, das mechanische Anisotropieverhalten zu erfassen, indem Prüfkörper in unterschiedlichen Richtungen aus Prüfplatten oder Bauteilen (siehe Bauteilprüfung) entnommen und geprüft werden.

Für die Durchführung derartiger Experimente werden Pendelschlagwerke verwendet, die mit den für Schlagzugversuche notwendigen Zusatzausrüstungen wie speziellen Pendelhämmer und Einspannvorrichtungen versehen sind (Beispiel Resil Impactor der Fa. Ceast).

RTEmagicC resil impactor.jpg.jpg

Bild 1: Pendelschlagwerk Resil Impactor der Fa. Ceast zur Durchführung von Schlag- und Kerbschlagzugversuchen

Die Abmessungen der Prüfkörper zur Bestimmung der Kerbschlagzugzähigkeit betragen:

Länge L = 80 mm
Breite W = 10 mm

Kerbtiefe a, der beidseitigen Kerben je 2 mm

Für die Durchführung von Kerbschlagzugversuchen werden die Prüfkörper mittels fester Klemmvorrichtung auf der einen Seite und Querjocheinspannung auf der anderen Seite innerhalb der Prüfeinrichtung fixiert. Nach dem Auslösen des Pendelhammers aus seiner Auslenkungsposition werden die Prüfkörper in Längsrichtung bis zum Bruch belastet.

Kenngrößen

Im Ergebnis des Experimentes wird die Schlagarbeit Ec ermittelt und nachfolgend die konventionelle Kerbschlagzugzähigkeit atN bestimmt:

Eine umfassende Literaturanalyse zu der konventionellen Schlagzugzähigkeit atN für zahlreiche Kunststoffe ist in [2] enthalten.

Für die Ermittlung von bruchmechanischen Kenngrößen von Folien und Elastomeren ist eine Instrumentierung des konventionallen Kerbschlagzugversuches mit Kraft- und Wegsensoren erforderlich. Die Methode des instrumentierten Kerbschlagzugversuches erhöht die Aussagefähigkeit der gewonnenen Ergebnisse und ermöglicht eine Optimierung der Werkstoffeigenschaften sowie eine verbesserte Bewertung des Einsatzverhaltens von Bauteilen [3].


Literaturhinweise

[1] DIN EN ISO 8256 (2005-05): Kunststoffe – Bestimmung der Schlagzugzähigkeit
[2] Reincke, K., Grellmann, W.: Tensile-Impact Toughness. In: Grellmann, W., Seidler, S.: Mechanical and Thermomechanical Properties of Polymers. Landolt-Börnstein. Volume VIII/6A3, Springer Verlag, Berlin (2014) S. 236–240, (ISBN 978-3-642-55165-9; siehe AMK-Büchersammlung unter A 16)
[3] Reincke, K.: Elastomere Werkstoffe – Zusammenhang zwischen Mischungsrezeptur, Struktur und mechanischen Eigenschaften sowie dem Deformations- und Bruchverhalten. Habilitation. Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Shaker Verlag (2016), (ISBN 978-3-8440-4637-3; siehe AMK-Büchersammlung unter B 2-2)