Kriechverhalten Rückfederungsversuch

Aus Lexikon der Kunststoffprüfung
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Kriechverhalten Rückfederungsversuch

Allgemeines

Das Kriechverhalten von Kunststoffen kann unter Zug-, Biege- und Druckbeanspruchung oder mit der instrumentierten Härtemessung ermittelt werden. Bei der experimentellen Bestimmung des Kriech- bzw. Langzeitverhaltens hat der Zeitstandzugversuch die größte Bedeutung erlangt [1]. Eine vereinfachte Variante des Zeitstandzugversuchs zur Ermittlung der Kriechneigung von Kunststoffen stellt der Rückfederungs- oder Rückdehnungsversuch dar, der eine identische technische Ausstattung wie der Zeitstandzugversuch voraussetzt (Bild 1) [2].

Ermittlung der zeitabhängigen Dehnung

Die wesentliche messtechnische Voraussetzung besteht in der Ermittlung der zeitabhängigen Dehnung am Prüfkörper, die mit mechanischen Extensometern (Clip-on Gauges) oder optoelektronischen Dehnmesssystemen gemessen wird (Bild 1).

K Rueckfeder 1.jpg

Bild 1: Schematische Darstellung der Erfassung der zeitabhängigen Dehnung von Kunststoffen im Zeitstandzugversuch mittels Zeitstand-Prüfstand

Durchführung des Rückfedungsversuches

Zur Realisierung der notwendigen Belastung können Zeitstand-Prüfstände oder Universalprüfmaschinen genutzt werden, wobei diese zur Sicherung konstanter Prüfbedingungen mit Temperierkammern ausgestattet sein müssen. Im Fall der Nutzung von Universalprüfmaschinen müssen die Versuche unter Kraftregelung durchgeführt werden, da sonst die gleichzeitig stattfindende Spannungsrelaxation die Prüfbedingungen, speziell die eingestellte Belastung, verändern würde. Bei Zeitstand-Prüfständen wird die Lastspannung mittels Massestücken realisiert (Bild 1). Zur kontinuierlichen Messung der Dehnung muss jedes Prüfsystem mit mechanischen oder besser mit berührungslosen optoelektronischen Extensometern (Videoextensometer oder Laserextensometer) ausgerüstet werden, die über einen online Rechner im Mehrkanal-Betrieb die Daten aufzeichnen (Bild 2). Für die Untersuchungen werden Prüfkörper des Typs 1A oder 1B in Übereinstimmung mit der DIN EN ISO 527-1 [3] und DIN EN ISO 3167 [4] verwendet. Der Rückfederungsversuch verläuft bis zur Zeit t2, wo der Prüfkörper wieder entlastet wird, entsprechend den Konditionen des Zeitstandzugversuchs [5], wobei aber in der Regel kleinere Belastungen auf den Prüfkörper einwirken (Bild 2). Während des Versuchs wird die Dehnung entsprechend der Gl. (1) kontinuierlich aufgezeichnet, da hier kürzere Versuchszeiten vorliegen.

K Rueckfeder 2.jpg

Bild 2: Funktionsprinzip des Rückfederungsversuch
(1)

Nach der Entlastung stellt sich der Betrag der linear-elastischen Deformation spontan zurück. Ab diesem Zeitpunkt wirkt die entropieelastische Rückverformung des Betrags ε(t), deren Ursache in der reversiblen Deformation von Ketten und Kettensegmenten zu suchen ist. Die sich einstellende Restverformung entspricht dagegen einer Dehnung, die durch ein irreversibles Fließen, Abgleiten von Kettensegmenten oder Bildung von Mikrorissen entstanden ist.

Rückfederungsverhalten von Polycarbonat

Das Bild 3 zeigt als ein Beispiel die Untersuchung des Rückfederungsverhaltens von Polycarbonat.

K Rueckfeder 3.jpg

Bild 3: Rückfederungsverhalten von Polycarbonat (Kurzzeichen: PC) [2]

Damit werden Voraussagen ermöglicht, wie ein Kunststoff in einer Entlastungsphase vorhandene oder aufgebaute Deformationen in Abhängigkeit von der Zeit wieder abbaut. Die Zeitabhängigkeit der Rückfederung wird durch die sogenannte Kriechnachgiebigkeit oder den reziproken Kriechmodul C(t) ermittelt (Gl. 2) [2].

(2)


Literaturhinweise

[1] Höninger, H.: Statisches Langzeitverhalten. In: Grellmann, W., Seidler, S. (Hrsg.): Kunststoffprüfung. Carl Hanser Verlag, München (2015) 3. Auflage, S. 182–192 (ISBN 978-3-446-44350-1; siehe AMK-Büchersammlung unter A 18)
[2] Schmiedel, H.: Langzeitverhalten bei ruhender Beanspruchung. In: Schmiedel, H. (Hrsg.): Handbuch der Kunststoffprüfung. Carl Hanser Verlag, München (1992), S. 111–118 (ISBN 3-446-16336-0; siehe AMK-Büchersammlung unter A 3)
[3] DIN EN ISO 527-1 (2019-12): Kunststoffe – Bestimmung der Zugeigenschaften – Teil 1: Allgemeine Grundsätze
[4] DIN EN ISO 3167 (2014-11): Kunststoffe – Vielzweckprobekörper
[5] DIN EN ISO 899-1 (2018-03): Kunststoffe – Bestimmung des Kriechverhaltens – Teil 1: Zeitstand-Zugversuch