Thermische Spannungs-Analyse

Aus Lexikon der Kunststoffprüfung
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Thermische Spannungs-Analyse (TSA)

Grundlagen der Thermischen Spannungsanalyse (TSA)

Bei einer Warmlagerung oberhalb der Umwandlungstemperatur zeigen Formteile aus Kunststoffen teilweise erhebliche Dimensions- und Gestaltänderungen, die man im Allgemeinen als Schrumpfung oder Schrumpf bezeichnet und die durch Volumenkonstanz gekennzeichnet ist. Die Längenänderungen in allen drei Raumrichtungen entsprechen dann im Wesentlichen der Rückstellung der verarbeitungsbedingten Molekülorientierung bis hin zum Zustand maximaler Entropie oder des energetisch günstigsten Werkstoffzustandes.
Werden Prüfkörper oder Kunststoffbauteile jedoch unter Zwangsbedingungen (feste Fixierung der Bauteile oder Prüfkörper) erhitzt und wieder abgekühlt, dann tritt eine behinderte thermische Ausdehnung und Schrumpfung auf, die sich in Schrumpfkräften FS bzw. -spannungen σS äußert.
Die Orientierung der Kunststoffbauteile oder Prüfkörper ist dabei insbesondere auf die verarbeitungstechnischen Herstellungsbedingungen in der Extrusion, dem Kalandrieren oder dem Spritzgießen sowie dem Umformprozess (Tiefziehen) zurückzuführen. Beim Kalandrieren oder der Extrusion von Platten tritt eine nahezu konstante Längs- und Querorientierung infolge des Reckprozesses auf, aber beim Spritzgießen hängt die Orientierung stark von der Bauteilgeometrie und den Prozessparametern ab. Deshalb wird schon im Spritzguss von einfachen Geometrien, wie z. B. bei den Vielzweckprüfkörpern, ein variierender Orientierungszustand in Längsrichtung der Prüfkörper beobachtet (Bild 1) [1]. In der Angussnähe tritt infolge der Angussgeometrie (Punkt- oder Linienanguss) und der Strömungsverhältnisse (Laminar- und Scherströmung) eine relativ hohe Orientierung auf, die in Richtung der angussfernen Seite stark abnimmt. Infolge dieser Tatsache tritt der Bruch oder eine Einschnürung bei diesen Prüfkörpern zumeist angussfern auf (Bild 1).

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Bild 1: Orientierungszustand im Vielzweckprüfkörper

Bei der Messung der Schrumpfkraft im konventionellen Schrumpfversuch erfolgt die Registrierung der Kraft infolge der behinderten Schrumpfung des Prüfkörpers in der Regel mit einer Kraftmessdose (siehe: Elektro-Mechanischer Kraftaufnehmer und Piezokeramischer Kraftaufnehmer). Die Schrumpfung wird normalerweise in diesem Versuch nicht überwacht. Bei Vorliegen von Orientierungsunterschieden in Längsrichtung des Prüfkörpers kommt es durch die Temperaturbeanspruchung jedoch zu lokalen Umlagerungsprozessen, die zum partiellen Ausgleich der Molekülorientierung führen.
Zur Ermittlung dieser lokalen Umlagerungsprozesse kann man die konventionelle Schrumpfkraftmessung mit der Thermischen Dehnungs-Analyse (TDA) kombinieren, wodurch die als Thermische Spannungs-Analyse (TSA) bekannte Methode der Kunststoffdiagnostik entsteht. Zur Registrierung der Schrumpfung parallel zur Schrumpfkraft werden in der Regel optoelektronische Messverfahren verwendet.

Experimentelle Durchführung der TSA

Die TSA untersucht das Schrumpfungsverhalten unter einer definierten Temperaturbeanspruchung. Der Prüfkörper wird beidseitig eingespannt, in einer Temperierkammer aufgeheizt und anschließend wieder abgekühlt. Die Kraftmessung wird mit einer Kraftmessdose registriert, aber die Dehnung bzw. Schrumpfung wird ortsaufgelöst über die Prüfkörperlänge ermittelt. Mechanische Extensometer wie im Fall der konventionellen Schrumpfmessung messen nur die integrale Dehnungsänderung und sind zur Darstellung lokaler Dehnungen nicht geeignet. Bei der TSA mittels Laserextensometrie werden auf dem Prüfkörper Reflektoren (Bild 2) mit definiertem Abstand und der lokalen Ausgangsmesslänge l0l z. B. im Siebdruckverfahren oder mittels Airbrush aufgebracht.

Während des Aufheizens des Prüfkörpers tritt zunächst eine thermische Ausdehnung des Prüfkörpers auf, die vom linearen Ausdehnungskoeffizienten des untersuchten Kunststoffes abhängt. Dadurch entsteht im Prüfkörper eine Druckspannung, die in Abhängigkeit vom Schlankheitsgrad auch zum Ausknicken führen kann. Oberhalb der Glastemperatur TG nimmt die Kettenbeweglichkeit deutlich zu, wodurch sich die eingefrorenen Orientierungen zurückstellen können und der Prüfkörper schrumpft.

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Bild 2: Schematische Darstellung der TSA mit Schrumpfkraftmessung und lokaler Schrumpfungsmessung an einem prismatischen Prüfkörper

Diese Schrumpfung äußert sich aufgrund der festen Einspannung des Prüfkörpers in einer zunehmenden Zugspannung infolge der Schrumpfkraft, wobei die Dicke und Breite entsprechend der Volumenkonstanz zunehmen. Da im Prüfkörper kein konstanter Orientierungszustand vorherrscht, können dann im Volumen temperaturabhängige lokale Umlagerungsprozesse auftreten, die das Laserextensometer registrieren kann.

Infolge des Abkühlvorganges tritt dann eine Schrumpfkraft Fa bzw. Schrumpfspannung σa auf, die mit zunehmender Haltezeit auch bei Raumtemperatur relaxiert. Werden die Einspannklemmen (siehe: Prüfkörpereinspannung) sofort nach Beendigung des Versuch geöffnet, dann wird eine geringfügige Kontraktion des Prüfkörpers registriert.
Für die Thermische Spannungs-Analyse wird in Analogie zur Thermischen Dehnungs-Analyse (TDA) ein spezielles Laserextensometer eingesetzt, welches als Laser-TMA-Scanner bezeichnet wird, und für die Messung der Schrumpfkraft wird die Kraftmesszelle der Universalprüfmaschine genutzt (Bild 3 und 4).

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Bild 3: Messprinzip des Laser-TMA-Scanners für lokale Schrumpfmessungen

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Bild 4: Prüfmaschine FRANK 81801 mit Laser-TMA-Scanner der Fa. Fiedler Optoelektronik GmbH, Lützen (Frontansicht des Systems ohne Temperierkammer)

Auswertung der TSA-Messungen

Die Schrumpfversuche werden in einer konstruktiv angepassten Temperierkammer durchgeführt. Die Temperierkammer ist dabei in eine Universalprüfmaschine appliziert (Bild 4), wobei der Prüfkörper beidseitig eingespannt ist (Bild 3).

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Bild 5: TSA-Messungen an einem PVC-Prüfkörper mit (a) einem Laser-TMA-Scanner im Temperaturintervall von 10 bis 75 °C und (b) Messung der Schrumpfkraft und (c) Darstellung der Messergebnisse des lokalen Schrumpfs

Durch ein vorgegebenes Temperaturregime der Kammer wird der Prüfkörper langsam und stetig steigend von Raumtemperatur beginnend aufgeheizt. Dadurch werden thermische Spannungen und Dehnungen, infolge des linearen Ausdehnungskoeffizienten, und anschließend Schrumpfdehnungen und -spannungen induziert, die mittels Laser-TMA-Scanner und der Kraftmessdose simultan in Abhängigkeit von der Temperatur und Zeit registriert werden. Am Beispiel eines, mit 9 Reflektoren versehenen, PVC-Prüfkörpers wird nachfolgend das Verhalten der Schrumpfkraft und Schrumpfdehnung bei einer Temperaturerhöhung bis auf 70 °C dargestellt (Bild 5a), wobei nur die Reflektorenpositionen 1 bis 3, 4 bis 6 und 7 bis 9 ausgewertet wurden. Ausgehend von einer Startposition von 10 °C, die mittels Kühlung durch flüssigen Stickstoff erreicht wurde, erfolgte die Aufheizung mit einer Temperaturrampe von 1 C°/min. Bis zum Einsetzen des Schrumpfungsprozesses bei ca. 33 °C stellt sich bei diesem Prüfkörper eine Druckspannung σth von ca. 0,2 MPa ein, die durch die Ausdehnung des Prüfkörpers hervorgerufen wird (Bild 5b). In diesem Bereich unterscheiden sich die lokalen Dehnungen εth nur sehr geringfügig. Bei weiterer Erwärmung tritt infolge der zunehmenden Einwirkungen von Schrumpfdehnungen eine Zugspannung auf, die ihr Maximum nach Umschaltung auf Kühlung bei σs erreicht (Bild 5a). Diese Zeitverzögerung wird durch die aufgeheizten Einspannklemmen (siehe auch: Prüfkörpereinspannung) hervorgerufen.
Im Volumen bzw. der integralen Messlänge werden simultan zur Kraftmessung die Veränderungen der lokalen Dehnungen bzw. Schrumpfungen gemessen. Da die Orientierung im Angussbereich am höchsten ist, erfolgt in diesem Messbereich eine starke Kontraktion des Prüfkörpers (rote Kurve in Bild 5c). Dadurch wird infolge der festen Einspannung in der Mittenzone eine geringfügige Dehnung und im angussfernen Bereich eine relativ hohe Ausdehnung induziert (grüne Kurve in Bild 5c). Im Mittel ergibt sich bei Summierung der Dehnungen unter Berücksichtigung des Messwertrauschens (Kurven sind geglättet) in den Zonen 1 bis 3 eine Gesamtdehnung von Null, was bei der festen Einspannung zu erwarten war.
Ab 70 °C wird die Temperierkammer gekühlt, um den neuen, entropisch günstigeren Zustand des Prüfkörpers zu fixieren. Danach erfolgt dann eine nahezu lineare Rückstellung der thermischen Ausdehnung, die im Endzustand verschiedene lokale Dehnungen εs bzw. Schrumpfungen Si und eine Schrumpfspannung von –0,2 MPa hervorruft. Die Summe der lokalen Dehnung ist näherungsweise gleich Null, wobei die Dehnungen in den Schulterbereichen des Prüfkörpers nicht erfasst wurden.

Es ist jedoch eindeutig zu erkennen, dass sowohl bei der Thermischen Spannungs-Analyse (TSA) als auch bei der Thermischen Dehnungs-Analyse (TDA), unabhängig von der Art des Versuches, immer überlagerte Wärmedehnungen auftreten, die bei der Interpretation der Versuchsergebnisse beachtet werden müssen.


Literaturhinweise

  • Grellmann, W., Seidler, S. (Hrsg.): Kunststoffprüfung. Carl Hanser Verlag, München (2015) 3. Auflage, S. 26, (ISBN 978-3-446-44350-1; siehe AMK-Büchersammlung unter A 18)
  • Grellmann, W., Bierögel, C., Sirch, C., Oluschinski, A.: Thermische Spannungsanalyse (TSA) und Dehnungsanalyse (TDA) an Kunststoffen. In: Pohl, M. (Hrsg.): Konstruktion, Werkstoffentwicklung und Schadensanalyse, Tagung „Werkstoffprüfung“ 2010, 2.–3. Dezember 2010, Neu-Ulm, Tagungsband S. 365–370 (ISBN 978-3-514-00778; siehe AMK-Büchersammlung unter M 18)