Piezoelektrischer Kraftaufnehmer

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Piezoelektrischer Kraftaufnehmer

Physikalisches Messprinzip

Das physikalische Messprinzip dieser Sensortechnik beruht auf dem experimentellen Nachweis des Zusammenhangs zwischen einer mechanischen Beanspruchung und der erzeugten elektrischen Ladung im Jahre 1880 durch die Brüder Pierre und Jacques Curie. Dieser sogenannte direkte piezoelektrische Effekt (siehe auch: Piezokeramik) konnte zunächst an Turmalin und Quarz (SiO2) nachgewiesen werden, wobei heute zahlreiche polykristalline Keramiken (BaTiO3, PbTiO3, PbZrO3 oder PZT) sowie Polymere wie z. B. Polyvinylidendifluorid (Kurzzeichen PVDF) technisch zur Konstruktion von Kraftaufnehmern, Drucksensoren oder Beschleunigungsaufnehmern genutzt werden [1]. Im Gegensatz zum piezoelektrischen Effekt existiert bei dem pyroelektrischen Effekt ein Zusammenhang zwischen der Temperatur und der elektrischen Ladung, weshalb bei technisch genutzten Ein- oder polykristallinen Sensoren ein thermischer Drift auftreten kann, der nicht ohne Weiteres kompensiert werden kann [2].

Piezoelektrischerkraftaufnehmer1.jpg

Bild 1: Schema des piezoelektrischen Effekts am Beispiel der trigonalen Struktur von Quarz, a) longitudinal, b) Scherung oder Schub und c) transversal nach [2]

Unter Belastung tritt infolge der Deformation des Kristallgitters bei den piezoelektrischen Sensoren eine Ladung auf, die durch das elektrische Dipolmoment der verschobenen oder verzerrten negativen und positiven Gitterbausteine entsteht. Je nach Art der Beanspruchung unterscheidet man den Longitudinaleffekt, den Scher- oder Schubeffekt und den transversalen piezoelektrischen Effekt (Bild 1). Die 3 Arten der zugehörigen Sensoren werden durch verschiedenartige von der Gitterstruktur abhängige Schnitte z. B. am Quarzkristall erzeugt, wodurch Piezoscheiben mit der gewünschten Eigenschaft entsprechend Bild 1 entstehen. Die freigesetzte Ladung hängt nur von der Deformation bzw. der die Deformation erzeugenden Kraft F des jeweiligen Kristalls ab und nicht von der Beschleunigung der Verformung oder den geometrischen Abmessungen der Kristallscheiben, d. h. entscheidend ist die Veränderung der Dicke oder der Länge, die allerdings sehr gering ist. Demzufolge weisen piezoelektrische Sensoren bei Belastung eine sehr geringe Verformung auf, d. h. sie besitzen eine hohe Steifigkeit bzw. geringe Nachgiebigkeit (siehe auch: Probennachgiebigkeit). Aufgrund dessen ist ihre Resonanzfrequenz sehr hoch, was grundsätzlich sehr günstig für dynamische Applikationen ist. Allerdings ist die gesamte Messkette (Masse, Verstärker) entscheidend für die dynamischen Eigenschaften des Kraftsensors, besonders dessen Grenzfrequenz. Auf die Kristallscheiben werden am oberen und unteren Teil metallische Kontaktflächen aufgebracht, die als Elektroden zum Abgriff der Ladung dienen. Zur Erhöhung der Ladungsausbeute werden in der Praxis mehrere derartiger Kristallscheiben mechanisch in einer Reihenschaltung gekoppelt und elektrisch parallel geschaltet, wobei zumeist Ladungsverstärker zum Einsatz kommen. Die so erzeugte Ladung Q berechnet sich wie folgt (Bild 2):

(1)

mit

Q Ladung
d piezoelektrischer Koeffizient (dQuarz = -2,3 pC/N)
Fn Normalkraft
n Anzahl der Kristallscheiben

Piezoelektrischerkraftaufnehmer2.jpg

Bild 2: Erhöhung der Ladungsausbeute durch Kaskadierung der Scheiben nach [2]

Piezosensoren

Piezoelektrische Kraftsensoren weisen, wie schon festgestellt, prinzipiell eine Drift auf, auch wenn die Messkette stabil arbeitet, da die Ladungen der Sensoren zeitabhängig abfließen. Dieser ist Wert unabhängig von der gemessenen Kraft, wodurch der relative Messfehler insbesondere dann ungünstig ist, wenn kleine Kräfte über einen längeren Zeitraum gemessen (statisch oder quasistatisch) werden sollen. Speziell bei Anwendung im Zugbereich (siehe: Zugversuch) müssen diese, auf dem longitudinalen Piezoeffekt basierenden, Sensoren mit einer mechanischen Vorspannung arbeiten, die mechanisch einen Kraftnebenschluss darstellt. Die schubempfindlichen Piezosensoren werden dagegen z. B. als Beschleunigungs- oder Vibrationssensoren, entsprechend des zweiten NEWTON’schen Gesetzes, eingesetzt oder als Teilkomponente in mehraxialen Kraftsensoren verwendet.

Bauarten von Kraftmessdosen

Diese Kraftmessdosen, die teilweise auch als Messscheiben oder Messunterlegscheiben bezeichnet werden, werden in kompakter oder ringförmiger Bauweise hergestellt, und sind dann z. B. als Kraftsensoren in Hochgeschwindigkeitsprüfmaschinen (siehe: Hochgeschwindigkeitszugversuch) oder als Ringmessdosen in instrumentierten Schlagpendeln bei Zugbeanspruchung einsetzbar (Bild 3) (siehe auch: Schlagbeanspruchung Pendelschlagwerk). Die ringförmige Deck- oder Druckplatte dient zur konstruktiven Realisierung des erforderlichen Vorspannungszustandes. Aufgrund der hohen Resonanzfrequenz und des weiten Frequenzbereiches sind diese Kraftmessdosen auch infolge der großen Signaldynamik für vielfältige Messaufgaben einsetzbar.

Piezoelektrischerkraftaufnehmer3.jpg

Bild 3: Schema und Bauarten von piezoelektrischen Kraftmessdosen


Literaturhinweise

[1] Schrüfer, E.: Elektrische Messtechnik. Carl Hanser Verlag, München (2007) 9. Auflage (ISBN 978-3-446-40904-0)
[2] Laible, M., Müller, R. K., Bill, B., Gehrke, K.: Mechanische Größen elektrisch gemessen – Grundlagen und Beispiele zur technischen Ausführung. Expert Verlag, Renningen (2009) 7. Auflage (ISBN 978-3-8169-2892-8)