Smart Materials

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Smart Materials

Begriffsbestimmung

Smart Materials (oder auch intelligente Werkstoffe) zeichnen sich durch die Fähigkeit aus, zielgerichtet auf Veränderungen der Betriebs- oder Umgebungsbedingungen (z. B. Temperatur, mechanische Beanspruchung, Medien) ohne eine Regelung von außen zu reagieren.

Komplexe makromolekulare Werkstoffsysteme mit einem hohen Integrationsgrad an verschiedenen Funktionen werden als Smart Polymers oder Funktionspolymere bezeichnet.

Hierarchie der Smart Materials

Für die „höhere Werkstoffintelligenz“ der Smart Materials ist eine zusätzliche Integration von Regelsystemen auf der Basis der Mikrosystemtechnik erforderlich.

Tabelle 1: Hierarchie der Smart Materials (nach H. Blumenauer)
Bezeichnung Charakteristik Schadenstoleranz
multifunktional (passive smart) neben der strukturellen kann noch mindestens eine weitere Funktion (Sensor, Aktor) wahrgenommen werden Passive Überwachung der Schädigungsentwicklung (damage control)
adaptiv (active smart) selbst einstellendes Verhalten, Anpassung an eine sich verändernde Umgebung durch integrierte Sensoren/Aktoren nach fest vorgegebenen Regelalgorithmen Erfassung der Schädigungsentwicklung, Reaktion auf Schädigungen, wenn als Funktion im Regelalgorithmus implementiert (health monitoring)
intelligent (very smart) fähig zum Bewältigen unerwarteter Ereignisse, verbunden mit der Lernfähigkeit auf der Basis von Vorwissen; neuronale Netze Schädigung als unerwartetes Ereignis interpretieren, selbsttätige Reaktion auf Schädigungen (damage suppression)
biomimetrisch Anpassung an den Zyklus der lebenden Natur Ausheilen von Schädigungen (self repair)

Während die als "passive smart" gekennzeichneten Werkstoffe zusätzlich zu ihrer tragenden oder formgebenden (Primär-) Aufgabe noch vorgegebene Sensor- bzw. Aktor-Funktionen ausführen können und damit bereits vielfältige Anwendungen gefunden haben, zeigen die über ein Regelsystem verfügenden "active smarts" ein im Rahmen eines vorgegebenen Reaktionsmusters selbsteinstellendes adaptives Verhalten bei zufälligen Ereignissen.

Der Schritt zum intelligenten Werkstoffverhalten ("very smart") ist dadurch gekennzeichnet, dass nur noch bestimmte Verhaltensziele vorgeschrieben werden, für deren Realisierung anfänglich zwar Kriterien vorgegeben sind, die aber zunehmend durch eigenständiges Agieren des Systems ergänzt und schließlich ersetzt werden. Diese Lernfähigkeit des Systems ermöglicht es, auch auf nicht vorhersehbare, gänzlich unbekannte Einflüsse vernünftig zu reagieren. Als Störeinflüsse kommen sowohl Änderungen der Umgebungsbedingungen (Temperatur, Belastung) als auch im Werkstoffsystem durch Ermüdung, Korrosion oder sonstige Schädigungen in Betracht.

An der Spitze der Multifunktionalität stehen die im Aufbau und der Funktion an lebenden Systemen orientierten biomimetischen Werkstoffe. Zwar können diese Werkstoffe keine einfache Kopie der in einem langen Zeitraum entstandenen natürlichen Vorbilder sein, aber die Werkstoffbionik hat bereits zu vielfältigen Vorschlägen geführt, wie man biologische Strukturelemente und Verfahrensweisen für das optimale Gestalten komplexer technischer Strukturen nutzen kann. Ein wesentliche Aspekt in dieser Hierarchie der smart materials sind die von der einfachen Schädigungsanzeige bis zur Selbstreparatur – beispielsweise durch mikrostrukturelle Umwandlungen – reichenden Möglichkeiten der Schadenstoleranz (siehe Tabelle 1).

Anwendungsmöglichkeiten

Für die technische Realisierung adaptiver Werkstoffsysteme sind insbesondere Leichtbaustrukturen aus faserverstärkten Kunststoffen – vorzugsweise auf der Basis von Kohlefasern – geeignet, da sie eine vergleichsweise einfache Integration der aktiven Komponente ermöglicht.

Als Beispiel für intelligente Werkstoffe können elektro-/magneto-/optorheologische Materialien, Piezoelektrika, OLEDs, Mikro-/Nanokapseln, Chromogene Materialien, Hydrogele, Carbon Nanotubes, Shape Memory Polymers sowie elektrostriktive Materialien aufgeführt werden.

Intelligente Werkstoffe finden bereits heute Anwendungen in der Automobilindustrie (Dämpfer, Reifen), in der Medizintechnik (Shape Memory Polymers – SMPs) und in der Bauindustrie (Fensterscheiben – chromogene Materialien) Anwendung.


Literaturhinweise

  • Blumenauer, H.: Werkstoffe und Diagnosemethoden für adaptive mechanische Systeme. In: Leps, G., Kausche, H.: 40 Jahre Werkstofftechnik in Merseburg (1999). Selbstverlag, ISBN 3-86010-578-7 Inhaltsverzeichnis
  • Ritter, A.: Smart materials – in Architektur, Innenarchitektur und Design. Birkhäuser, Basel (2007), ISBN 978-3-7643-7326-9
  • Addington, D. M., Schodek, D. L.: Smart Materials and Technologies – For the Architecture and Design Professions. Elsevier Science Publishers B. V., Amsterdam (2007), ISBN 978-0-7506-6225-3