Vulkanisation: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 13. August 2019, 10:11 Uhr
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Vulkanisation
Allgemeine Grundlagen
Kautschukmischungen können aus einer Vielzahl von Komponenten aufgebaut sein. Neben dem Kautschuk, Füllstoff, Verarbeitungshilfsmittel, Weichmacher und weiteren Additiven, wird ein Vernetzungssystem, abhängig vom Polymer eingemischt. So wird z. B. die Schwefelvernetzung bevorzugt bei der Vernetzung von Dienkautschuken (NBR, SBR, NR oder BR) eingesetzt. Dazu verwendet man häufig, neben Beschleuniger und Aktivator (siehe Tabelle 1), elementaren Schwefel, der in der Form von S8-Ringen vorliegt. Die benötigte Menge an Schwefel ist abhängig von der Menge an Vulkanisationsbeschleuniger und den erforderlichen Vulkanisateigenschaften. Durch den Einsatz von Schwefelspendern wird während der Vulkanisation Schwefel freigegeben. Manche Schwefelspender sind auch gleichzeitig Vulkanisationsbeschleuniger und werden dann auch in größeren Mengen dosiert. Durch diese Kombination ergeben sich synergistische Effekte, durch die erst die potentiellen Vernetzungsmöglichkeiten der Schwefelspender vollends ausgeschöpft werden. Damit das Vulkanisat die anwendungstechnisch relevanten Eigenschaften erreichen kann, muss neben Schwefel ein Beschleuniger eingemischt werden. Fast alle Beschleuniger entfalten ihre vollständige Wirksamkeit erst in Gegenwart von Metalloxiden, von denen sich Zinkoxid (ZnO) als bester Zusatz erwiesen hat. Das System Kautschuk/Schwefel/Beschleuniger/Zinkoxid wird zusätzlich durch die Zugabe von Stearinsäure oder Zinkstearat aktiviert. Dadurch wird die Löslichkeit des Vernetzungssystems, durch die Bildung von löslichen Komplexen, im Kautschuk erhöht. Vulkanisationsverzögerer werden eingesetzt, wenn die Vulkanisationszeiten zu kurz oder hohe Verarbeitungstemperaturen notwendig sind. Eine ausreichende Verarbeitungssicherheit wird dadurch gewährleistet [1].
Tabelle 1: Möglicher Aufbau eines Vernetzungssystems [1] |
Modellvorstellungen zum Ablauf der Vulkanisation
In der Literatur existieren mehrere Theorien, wie die Vulkanisation chemisch erfolgt. Die Vorstellung von Morrison und Porter [2] wird in der Literatur als die wahrscheinlichste aufgeführt. Demnach wird während der Vernetzung ein aktiver Beschleunigerkomplex ausgebildet, der die Dauer der Inkubationszeit bestimmt. Weiterhin steht fest, dass in Gegenwart von Zink-Ionen Komplexe gebildet werden, die im Kautschuk löslich sind. Der aktive Beschleunigerkomplex reagiert mit dem Schwefel und bildet einen Schwefelübertragungskomplex. Danach erfolgt die Übertragung des Schwefels an den Kautschuk und schließlich die Vernetzung. Neben diesem einfachen Reaktionsablaufs finden noch eine Reihe von Folge- und Parallelreaktionen statt, die unterschiedliche Aktivierungsenergien aufweisen [3].
Der Einbau des Schwefels in das Netzwerk bei der Vulkanisation kann als monosulfidische, disulfidische, polysulfidische, hängende sulfidische oder zyklisch monosulfidische sowie disulfidische Gruppierung erfolgen, die unter Bildung von pendent groups (hängende Gruppen) in die Polymermatrix eingebaut werden können (SyR) (siehe Bild 1). Die Folgereaktion der Vernetzung sind neben Polysulfidabbau in den Vernetzungsstellen die Bildung zyklischer Thioether an der Kautschukkette und Zinksulfidbildung (aus ZnO und polysulfidischem Schwefel). Die mono- und disulfidischen Strukturen resultieren in geringerer, bleibender Verformung, besserer thermischer Beständigkeit und in einem geringen Reversionsverhalten. Dagegen können polysulfidische Vernetzungsstellen bei erhöhter Temperatur entlang der Kette wandern, wobei es dabei keine Kettenspaltung (slipping effect) gibt und lokale Spannungsspitzen abgebaut werden. Der Schwefel greift in der Polymerkette in der a-Stellung zur Doppelbindung an (-C=C-C*-, *S-Angriff in Allystellung). Die Vernetzungsstellen sind ca. 30 bis 100 Monomereinheiten
voneinander entfernt [4].
Bild 1: | Schwefelstrukturen im Kautschuk-Netzwerk [4] |
Bestimmung des Vulkanisationsverlaufes mit Hilfe der Vulkametrie
In der Praxis wird häufig zur Bestimmung des Verlaufs der Vernetzungsreaktion die Vulkametrie verwendet, die auf der Proportionalität zwischen Schubmodul und der Vernetzungsdichte (siehe auch: Entropieelastizität) beruht. Vulkameter bestehen aus einer temperierten Reaktionskammer und einer Kraft- bzw. Drehmoment-Messeinrichtung. Nach DIN 53529-1 kann die Prüfung mit unterschiedlichen Gerätetypen durchgeführt werden [5]. Bei der Prüfung mit einem Torsionsschub-Vulkameter ohne Rotor wird die Probe infolge einer oszillierenden (sinusförmigen) Verformung der Probenkammer beansprucht. Die periodische Änderung der Schubkraft bzw. des Drehmoments wird dabei in Abhängigkeit von der Zeit erfasst. Der Verlauf der Vernetzungsreaktion ist in Bild 2 schematisch dargestellt. Der Minimalwert (Fa) der Vernetzungsisothermen entspricht dem Verformungswiderstand der unvernetzten Probe.
Bild 2: | Vernetzungsisotherme einer Kautschukmischung nach DIN 53529-2 [6] |
Bei der überwiegenden Anzahl der Vernetzungssysteme beginnt die Vernetzungsreaktion nicht sofort, sondern zeitverzögert. Dieser Zeitraum wird als Inkubationszeit (ti) bezeichnet und ist einerseits abhängig von der Aufheizzeit der Probe, als auch von der vorgelagerten chemischen Reaktion. So beruht bei der Schwefelvernetzung die Inkubationszeit auf der verzögerten Bildung des aktiven Beschleunigerkomplexes.
Nach Beendigung der Vernetzungsreaktion erreicht die Vulkameterkurve einen Endwert (F∞), welcher der Vernetzungsdichte entspricht. Der Umsatz der Vernetzungsreaktion in einer Kautschukmischung, kann durch Bestimmung der Umsatzvariablen x, nach der Umsatzzeit tx, nach Gl. (1) berechnet werden.
(1) |
Literaturhinweise
[1] | Elsner, P., Eyerer, P., Hirth, T. (Hrsg.): Domininghaus – Kunststoffe – Eigenschaften und Anwendungen. 8. neu bearbeitete und erweiterte Auflage, Springer Verlag Heidelberg (2012) (ISBN 978-3-642-16172-8; siehe AMK-Büchersammlung unter G 41) |
[2] | Morrison, N. J., Porter, M.: Temperature Effects on the Stability of Intermedicates and Crosslinks in Sulfur Vulcanization. Rubber Chem. Technol. 57 (1984) 63 |
[3] | Röthemeyer, F., Sommer, F.: Kautschuk Technologie. 2. überarbeitete Auflage, Carl Hanser Verlag München Wien (2006) (ISBN 978-3-446-40480-9) |
[4] | Schnetger, J.: Lexikon Kautschuktechnik. 3. Auflage, Hüthig Verlag Heidelberg (2004) (ISBN 978-3-7785-3022-1; siehe AMK-Büchersammlung unter K 7) |
[5] | DIN 53529-1 (1983): Prüfung von Kautschuk und Elastomeren – Vulkametrie – Allgemeine Arbeitsgrundlagen |
[6] | DIN 53529-2 (1983): Prüfung von Kautschuk und Elastomeren – Vulkametrie – Bestimmung des Vulkanisationsverlaufes und reaktionskinetische Auswertung von Vernetzungsisothermen |