Thermographie: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 2. Juni 2021, 10:07 Uhr
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Thermographie
Thermographie
Das Messverfahren der Thermographie ist ein zerstörungsfreies Prüfverfahren in der Werkstoff- und Bauteilprüfung. Es beruht auf der Wärmestrahlung, genauer auf der Messung der Intensität elektro-magnetischer Wellen im Infrarot-Bereich. Typische Anwendungen sind in der Bauindustrie, im Flugzeugbau und in der Maschinenüberwachung zu finden. Dabei wird dieses Messverfahren zur Qualitätsüberwachung eingesetzt. In der Kunststoffdiagnostik wird die Thermographie unter Einbeziehung experimenteller Methoden der Bruchmechanik zur Quantifizierung des Schädigungsbeginns eingesetzt, indem z. B. eine in-situ Kopplung von bruchmechanischen Experimenten mit zerstörungsfreien Methoden, vorgenommen wird. Eine in der Polymer Service GmbH Merseburg eingesetzte hybride Methode ist die Kopplung von Schallemission und Thermographie mit dem Zugversuch an einem statisch beanspruchten CT-Prüfkörper oder Vielzweckprüfkörper.
Allgemeines
Dieses Prüfverfahren wird je nach Anregung unterteilt in die passive und aktive Thermographie. Bei der passiven Thermographie ist das Prüfobjekt gleichzeitig der Wärmestrahler. Die aktive Thermographie nutzt eine externe Wärmequelle zur Aufwärmung des Prüfobjektes, welches die absorbierte Wärme in alle Richtungen abstrahlt. Die vom Prüfobjekt ausgehende Infrarotstrahlung wird vom Messgerät, der Wärmebildkamera, registriert. Die Detektoren in der Kamera reagieren dabei auf den Wellenlängenbereich des Infrarotspektrums. Die Intensitätswerte werden anschließend über einen Bildschirm in Grauwert- oder Falschfarbendarstellung angezeigt. Dies ist anhand eines Wärmebildes in Bild 1 dargestellt [1]. Hierbei wurde ein gekerbter PA 6-Vielzweckprüfkörper im Zugversuch mit einer Zugspannung belastet. Nach einer Kalibrierung lassen sich den einzelnen Bildpixeln Temperaturen zuordnen. Dafür ist in Bild 1 auf der rechten Seite eine Farbskala angegeben.
Bild 1: | Thermo-elastischer Effekt bei kurzzeitiger Zugbelastung von glasfaserverstärktem PA 6 [1] |
Im Falle des Beispieles aus Bild 1 lassen sich Aussagen zur Temperaturverteilung auf der Oberfläche des Prüfkörpers unter einem bestimmten Belastungsregime machen. Sie lässt Rückschlüsse auf die innere Reibung zu, die mit der Dynamisch-Mechanischen Analyse (DMA) genau bestimmt werden kann.
Physikalische Grundlagen
Die Wärmebildkameras registrieren die elektromagnetische Strahlung im Infrarot-Bereich. Dieser Bereich umfasst die Wellenlängen von 780 nm bis 1 mm. Die Kameras verfügen über ein Feld von Detektoren (Fotozellen), die für diese Wellenlängen empfindlich sind. Betrachtet man durch eine Wärmekamera verschiedene Gegenstände in einem klimatisierten Raum, registriert die Wärmebildkamera trotzdem Wärmequellen unterschiedlicher Strahlungsamplituden. Der Grund liegt darin, dass die Gegenstände aus verschiedenen Materialien bestehen und Oberflächeneigenschaften besitzen, die stark voneinander abweichen können.
Reflexion, Transmission und Absorption von Wärmestrahlung
Die Wärmestrahlung wird durch den Wärmestrom beschrieben, der von den Wärmequellen ausgeht. Trifft ein Wärmestrom (Wärmestrahl) auf einen Gegenstand, so gelten prinzipiell die Gesetze der geometrischen Optik (Bild 2).
Bild 2: | Schematische Darstellung der Wärmestrahlung an einer Platte |
Trifft ein Wärmestrom auf einen Körper, wird ein Teil reflektiert , ein anderer transmittiert und ein weiterer vom Körper absorbiert (). Damit ergibt sich (vgl. Bild 2)
(1) |
Die Anteile bzw. die einzelnen Strahlungskoeffizienten auf der rechten Seite von Gl. (1) ergeben sich aus der Division beider Seiten durch den auftreffenden Wärmestrom auf den Körper :
(2) |
Hierbei ist aber zu beachten, dass die Wärmeströme auf der rechten Seite von Gl. (1) im Allgemeinen von der Wellenlänge – und vom Material – abhängen und damit auch die Koeffizienten in Gl. (2).
Emission von Wärmestrahlung
Die aus der Umgebung absorbierte Wärmestrahlung erhöht die innere Energie des Körpers. Er gibt sie aber auch wieder an die Umgebung ab. Das ist der Inhalt des KIRCHHOFF’schen Strahlungsgesetzes: die absorbierte Wärmestrahlung ist gleich der emittierten Wärmestrahlung, was in Gl. (3) durch den Absorptionskoeffizienten (Absorptionsgrad) und den Emissionskoeffizienten (Emissionsgrad) ausgedrückt ist:
(3) |
Das ist auch der Grund, weshalb die Wärmebildkamera die Gegenstände in einem Raum mit unterschiedlichen Grau- oder Farbwerten darstellt, weil jeder Körper in Abhängigkeit von seiner inneren Energie, seinem Material und seiner Oberflächeneigenschaften einen spezifischen Emissionskoeffi-zienten besitzt.
Prinzip der Thermographie
Nach dem STEFAN-BOLTZMANN'schen Gesetz ist der Wärmefluss von einem Körper der Fläche A der vierten Potenz der Temperatur proportional:
(4) |
Hierbei ist σ die STEFAN-BOLTZMANN’sche Strahlungskonstante (), ε Emissionskoeffizient, A die emittierende Oberfläche des Körpers und seine Temperatur (in K). Gleichzeitig absorbiert dieser Körper einen Wärmefluss aus der Umgebung, der die Summe aller Wärmeflüsse von den in der Nähe befindlichen Körpern darstellt:
(5) |
Wegen Gl. (3) können die beiden Gleichungen (4) und (5) unter Berücksichtigung von Gl. (3) zu-sammengefasst werden. Damit ist der von einem Körper ausgehende Wärmefluss, der von einer Wärmebildkamera empfangen werden kann:
(6) |
Er ist gleich der abgestrahlten Leistung, die z. B. von einem Prüfkörper ausgeht, der im Falle einer periodischen mechanischen Belastung ausgesetzt ist (vgl. Bild 1). Das entsprechende Spannungs-Dehnungs-Diagramm besitzt eine Hysterese, wobei die von beiden Kurven eingeschlossene Fläche jene Wärmeverluste darstellen, die durch die innere Reibung in dem Prüfkörper erzeugt wurden. Die innere Reibung wird bei Kunststoffen durch den Imaginärteil des komplexen Elastizitätsmoduls beschrieben: . Der Imaginärteil ist näherungsweise , wobei den viskoelastischen Verlustfaktor (siehe Dynamisch-Mechanische Analyse (DMA) – Grundlagen) darstellt [3]. Die durch die innere Reibung verrichtete Verlustarbeit ist demzufolge , wobei die Dehnung ist (die Doppelbezeichnung von Emissionskoeffizient und Dehnung wegen der Verwendung in der Literatur wurde hier beibehalten, aber unterschiedlich formatiert). Daraus ergibt sich die erzeugte Wärmeleistung mit als die Kreisfrequenz, mit der der Prüfkörper periodisch belastet wird:
(7) |
Die Wärmeleistung in Gl. (7) ist aber nichts anderes als der Wärmefluss in Gl. (6), der die Wärmebildkamera erreicht.
Anwendung in der Werkstoffprüfung
Passive Thermographie
Diese Form der thermographischen Messmethode wird verwendet, wenn der untersuchte Körper eine eigene Wärmequelle besitzt bzw. als solche fungiert. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn ein Spritzgussprüfkörper das Werkzeug verlässt und sich abkühlt. Mit Hilfe der geometrischen Daten können durch die Wärmebildkamera die örtlich verschiedenen Abkühlfunktionen beobachtet und Unregelmäßigkeiten – im Vergleich zu einem Referenzkörper – sofort erkannt werden. Ein Beispiel ist in Bild 3 schematisch dargestellt.
Bild 3: | Zur Funktionsweise der passiven Thermographie |
Der erwärmte Prüfkörper strahlt Infrarotwellen in die Umgebung ab, wobei er sich abkühlt. Wegen der unterschiedlichen Wärmeleitung von Delaminationen und Einschlüssen ergeben sich an diesen Stellen höhere Intensitäten der infraroten Strahlung. Auch bei Fügeprozessen wie dem Ultraschall- oder dem Rührreibschweißen kann die Qualität mit einer Wärmebildkamera überwacht werden [4, 5].
Aktive Thermographie
Die aktive Thermographie verwendet eine externe Wärmequelle, wobei diese oft im Pulsbetrieb funktioniert. Damit kann ein stehendes Bild des Prüfkörpers abgebildet und so die Auflösung wesentlich verbessert werden [6]. Als Beispiel ist dazu in Bild 4 der Messaufbau der Impulsthermographie dargestellt [7]. Die Blitzlampe erzeugt einen kurzen Wärmeimpuls, der zunächst die Oberfläche des Prüfkörpers aufwärmt, wonach die Wärme entsprechend der Wärmeleitfähigkeit des Werkstoffes den gesamten Prüfkörper durchdringt. An hinreichend glatten Grenzflächen (z. B. an der Rückwand) wird die Infrarot-Strahlung reflektiert und gelangt so wieder an die Oberfläche des Prüfkörpers, wo die Strahlung wieder austritt und von der Infrarotkamera registriert wird. Damit kann die Abkühlkurve für jeden Pixel aufgenommen und mit Hilfe der Fouriertransformation (siehe auch Frequenzanalyse) weiter untersucht werden.
Bild 4: | Schematischer Messaufbau bei der Impulsthermographie [7] |
In Erweiterung dieses Verfahrens wird eine Blitzlampe mit ausgehender Blitzfolge verwendet und mit einer festgelegten Frequenz der aufeinanderfolgenden Lichtblitze geeigneter Intensität eingestellt, womit gesichert ist, dass die Infrarotkamera, entsprechend getaktet, im optimalen Arbeitsbereich Bilder mit hohem Kontrast und hoher Auflösung erzeugen kann. Dieses erweiterte Verfahren ist unter dem Namen Lockin-Thermographie etabliert [7]. Im Ergebnis wird nicht nur die Intensität (Wärmeflussbild), sondern auch das Phasenbild durch die Fouriertransformation ausgewertet. Ein Beispiel aus der Luftfahrt ist in dem Bild 5 dargestellt.
Bild 5: | Thermographische Prüfung am kohlefaserverstärkten Seitenleitwerk |
Aufgrund der besonders schlechten Wärmeleitung an Defekten, die auf eine ungenügende Verklebung hinweisen, können im Vergleich mit den Konstruktionszeichnungen (Mapping-Verfahren) die fehlerbehafteten Stellen lokalisiert werden [8]. Eine spezielle Anwendung dieses Prüfverfahrens ist die Thermische Tomographie, wobei eine Tiefenprofilaufnahme durch die frequenzabhängige Reichweite ermöglicht wird [9]. Dieses leistungsfähige Verfahren der Lockin-Thermographie erlaubt die Inspektion großflächiger Strukturen im Flugzeugbau innerhalb von nur wenigen Minuten und wird seit Jahren in der Luftfahrtindustrie eingesetzt.
Literaturhinweise
[1] | Bierögel, C.: Hybride Verfahren der Kunststoffdiagnostik. In: Grellmann, W., Seidler, S. (Hrsg.): Kunststoffprüfung. Carl Hanser Verlag, München (2015) 3. Auflage, S. 524–525 (ISBN 978-3-446-44350-1; siehe AMK-Büchersammlung unter A 18) |
[2] | Kuchling, H.: Taschenbuch der Physik. 21. aktualisierte Auflage, Hanser Verlag (2014) (ISBN 978-3-446-44218-4) |
[3] | Solodov, I. et al.: Highly-efficient and Noncontact Vibro-thermography via Local Defect Resonance. Quantitative InfraRed Thermography Journal, 12,1 (2015) p. 98–111 |
[4] | Aderhold, J.: Passive Online-Thermographie. Fraunhofer-Allianz Vision. (Zugriff: 18.01.2021) |
[5] | Kryukov, I. u. a.: Passive Thermografie als zerstörungsfreies online-Prüfverfahren im Rühr-reibschweißprozess. Thermographie-Kolloquium, DGZfP e.V. (2015) |
[6] | Sultan, R. A. u. a.: Delamination Detection By Thermography. International Journal of Enginee-ring Research and Applications 3, 1 (2013) |
[7] | Busse, G.: Zerstörungsfreie Prüfung mit dynamischem Wärmetransport. In: Grellmann, W., Seidler, S. (Hrsg.): Kunststoffprüfung. Carl Hanser Verlag, München (2015) 3. Auflage, S. 506–508 (ISBN 978-3-446-44350-1; siehe AMK-Büchersammlung unter A 18) |
[8] | Wu, D., Salerno, A., Malter, U., Aoki, R., Kochendörfer, R.; Kächele, P. K., Woithe, K., Pfister, K., Busse, G.: Inspection of Aircraft Structural Components using Lockin-thermography. In: Balageas, D.; Busse, G.; Carlomagno, G. M. (Eds.): Quantitative InfraRed Thermography. QIRT 96, Stuttgart, Edizione ETS, Pisa (1997) 251–256 |
[9] | Wu, D., Karpen, W., Busse, G.: Measurement of Fibre Orientation with Thermal Waves. Res. Nondestr. Eval. 11 (1999) 179–197 |