Vicat-Erweichungstemperatur: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Lexikon der Kunststoffprüfung
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Zeile 1: Zeile 1:
 
{{PSM_Infobox}}
 
{{PSM_Infobox}}
 
<span style="font-size:1.2em;font-weight:bold;">Vicat-Erweichungstemperatur</span>
 
<span style="font-size:1.2em;font-weight:bold;">Vicat-Erweichungstemperatur</span>
 
+
__FORCETOC__
Das Ziel der Wärmeformbeständigkeitsmethode nach Vicat besteht in der quantitativen Charakterisierung der [[Wärmeformbeständigkeit]] eines [[Kunststoffe]]s. Es erfolgt dazu die Bestimmung der Wärmeformbeständigkeitstemperatur Vicat, die methodisch bedingt quantitativ nicht mit der mit Hilfe anderer experimenteller Methoden ermittelter Wärmeformbeständigkeitstemperaturen (wie z.B. die [[Wärmeformbeständigkeitstemperatur]] HDT übereinstimmen muss [1].
+
==Methodische Grundlagen==
 +
Das Ziel der Wärmeformbeständigkeitsmethode nach Vicat besteht in der quantitativen Charakterisierung der [[Wärmeformbeständigkeit]] eines [[Kunststoffe]]s. Es erfolgt dazu die Bestimmung der Wärmeformbeständigkeitstemperatur Vicat, die methodisch bedingt quantitativ nicht mit der mit Hilfe anderer experimenteller Methoden ermittelter Wärmeformbeständigkeitstemperaturen (wie z. B. die [[Wärmeformbeständigkeitstemperatur]] HDT übereinstimmen muss [1].
  
 
Die Norm DIN EN ISO 306 [2] legt vier Verfahren zur Bestimmung der VICAT-Erweichungstemperatur fest, die nach der gewählten Prüflast und der Heizrate bezeichnet werden:
 
Die Norm DIN EN ISO 306 [2] legt vier Verfahren zur Bestimmung der VICAT-Erweichungstemperatur fest, die nach der gewählten Prüflast und der Heizrate bezeichnet werden:
Zeile 24: Zeile 25:
 
|}       
 
|}       
  
Dabei wird die Temperatur in °C bestimmt bei der eine Eindringspitze 1 mm tief in die Oberfläche des Prüfkörpers eingedrungen ist. Die Eindringspitze hat einen kreisförmigen Querschnitt von 1 mm<sup>2</sup> Fläche. Die gemessene Temperatur wird als '''Vicat Softening Temperature VST''' bezeichnet. Für die Prüfung werden quadratische (Grundfläche 10 x 10 mm<sup>2</sup>) oder runde (Mindestdurchmesser 10 mm) Prüfkörper mit einer Dicke von 3 mm bis 6,5 mm verwendet. Die Oberflächen müssen eben und parallel sowie gratfrei sein.
+
Dabei wird die Temperatur in °C bestimmt bei der eine Eindringspitze 1 mm tief in die [[Oberfläche]] des Prüfkörpers eingedrungen ist. Die Eindringspitze hat einen kreisförmigen Querschnitt von 1 mm<sup>2</sup> Fläche. Die gemessene Temperatur wird als '''Vicat Softening Temperature VST''' bezeichnet. Für die Prüfung werden quadratische (Grundfläche 10 x 10 mm<sup>2</sup>) oder runde (Mindestdurchmesser 10 mm) [[Prüfkörper]] mit einer Dicke von 3 mm bis 6,5 mm verwendet. Die [[Oberfläche]]n müssen eben und parallel sowie gratfrei sein.
 +
 
 +
==Prinzip der VICAT-Prüfgeräte==
  
 
Das '''VICAT-Prüfgerät''' besteht aus einem Stab mit Auflageteller für die Prüfgewichte und einer Aufnahmevorrichtung für die Eindringspitze sowie einer kalibrierten Messuhr zur Eindringtiefenbestimmung. Die beschriebenen Prüfkörper werden auf einer Prüfkörperauflage positioniert und mit einer definierten Heizrate im Silikonbad oder mit Luftheizung erwärmt (siehe '''Bild''').
 
Das '''VICAT-Prüfgerät''' besteht aus einem Stab mit Auflageteller für die Prüfgewichte und einer Aufnahmevorrichtung für die Eindringspitze sowie einer kalibrierten Messuhr zur Eindringtiefenbestimmung. Die beschriebenen Prüfkörper werden auf einer Prüfkörperauflage positioniert und mit einer definierten Heizrate im Silikonbad oder mit Luftheizung erwärmt (siehe '''Bild''').
Zeile 34: Zeile 37:
 
|width="600px" |Messanordnung zur Bestimmung der VICAT-Erweichungstemperatur
 
|width="600px" |Messanordnung zur Bestimmung der VICAT-Erweichungstemperatur
 
|}
 
|}
 +
 +
==Beispiele für VICAT-Erweichungstemperaturen==
  
 
Da die VICAT-Einweichungstemperatur auf eine Änderung der Molekülgröße reagiert, kann durch die Messung auf verarbeitungsbedingte thermische Schädigung geschlossen werden.
 
Da die VICAT-Einweichungstemperatur auf eine Änderung der Molekülgröße reagiert, kann durch die Messung auf verarbeitungsbedingte thermische Schädigung geschlossen werden.
Zeile 123: Zeile 128:
 
|}
 
|}
  
 +
Eine umfassende Literaturanalyse zu den experimentellen Werten der VICAT-Erweichungstemperaturen ist in [5] für die Werkstoffe ABS, ASA, ECTFE, ETFE, EVA, FEP, HABS, PA6, PA66, PA46, PA610, PA612, PA 11, PA 12, PA1010, PA1, PB-1, PPI, PBT, PC, PCTFE, PE-HD, PE-HMW, PE-LD, PE-UD, PE-MD, PE-UHMW, PE-X, PEEK, PEI, PEK, PESU, PET, PHR, PI, PMMA, PMMI, POM, PP, PPA, PPE, PPS, PPSU, PS, PSU, PTFE, PVC, PVDF, SAN und SB-Copo enthalten. Darüber hinaus sind Beispiele für die Abhängigkeit der VICAT-Erweichungstemperatur von Füllstoffgehalten von Teilchen bzw. Nanoteilchen in verschiedenen Thermoplasten angegeben.
  
 
'''Literaturhinweise'''
 
'''Literaturhinweise'''
Zeile 128: Zeile 134:
 
|-valign="top"
 
|-valign="top"
 
|[1]
 
|[1]
|Grellmann, W., Seidler, S. (Hrsg.): Kunststoffprüfung. Carl Hanser Verlag, München (2015) 3. Auflage, S. 602–605, (ISBN 978-3-446-44350-1; siehe [[AMK-Büchersammlung]] unter A 18)
+
|Grellmann, W., [[Seidler,_Sabine|Seidler, S.]] (Hrsg.): Kunststoffprüfung. Carl Hanser Verlag, München (2015) 3. Auflage, S. 602–605, (ISBN 978-3-446-44350-1; siehe [[AMK-Büchersammlung]] unter A 18)
 
|-valign="top"
 
|-valign="top"
 
|[2]
 
|[2]
|DIN EN ISO 306 (2014-03): Kunststoffe – Thermoplaste – Bestimmung der Vicat-Erweichungstemperatur (VST) (Entwurf)
+
|DIN EN ISO 306 (2014-03): Kunststoffe – Thermoplaste – Bestimmung der Vicat-Erweichungstemperatur (VST)
 
|-valign="top"
 
|-valign="top"
 
|[3]
 
|[3]
Zeile 138: Zeile 144:
 
|[4]
 
|[4]
 
|Campus® Datenbank: http://www.campusplastics.com
 
|Campus® Datenbank: http://www.campusplastics.com
 +
|-valign="top"
 +
|[5]
 +
|Kotter, I., Grellmann, W.: Vicat Softening Temperature and Heat Distortion Temperature. In: Grellmann, W., Seidler, S.: Mechanical and Thermomechanical Properties of Polymers. Landolt-Börnstein. Volume VIII/6A3, Springer Verlag, Berlin (2014) S. 62–75, (ISBN 978-3-642-55165-9; siehe [[AMK-Büchersammlung]] unter A 16)
 
|}
 
|}
 +
 +
[[Kategorie:Thermoanalytische Methoden]]

Version vom 15. August 2017, 12:37 Uhr

Ein Service der
Logo psm.jpg
Polymer Service GmbH Merseburg
Tel.: +49 3461 30889-50
E-Mail: info@psm-merseburg.de
Web: https://www.psm-merseburg.de
Unser Weiterbildungsangebot:
https://www.psm-merseburg.de/weiterbildung
PSM bei Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Polymer Service Merseburg

Vicat-Erweichungstemperatur

Methodische Grundlagen

Das Ziel der Wärmeformbeständigkeitsmethode nach Vicat besteht in der quantitativen Charakterisierung der Wärmeformbeständigkeit eines Kunststoffes. Es erfolgt dazu die Bestimmung der Wärmeformbeständigkeitstemperatur Vicat, die methodisch bedingt quantitativ nicht mit der mit Hilfe anderer experimenteller Methoden ermittelter Wärmeformbeständigkeitstemperaturen (wie z. B. die Wärmeformbeständigkeitstemperatur HDT übereinstimmen muss [1].

Die Norm DIN EN ISO 306 [2] legt vier Verfahren zur Bestimmung der VICAT-Erweichungstemperatur fest, die nach der gewählten Prüflast und der Heizrate bezeichnet werden:

Verfahren

A 50: mit einer Kraft von 10 N und eine Heizrate von 50 °C/h
A 120: mit einer Kraft von 10 N und eine Heizrate von 120 °C/h
B 50: mit einer Kraft von 50 N und eine Heizrate von 50 °C/h
B 120: mit einer Kraft von 50 N und eine Heizrate von 120 °C/h

Dabei wird die Temperatur in °C bestimmt bei der eine Eindringspitze 1 mm tief in die Oberfläche des Prüfkörpers eingedrungen ist. Die Eindringspitze hat einen kreisförmigen Querschnitt von 1 mm2 Fläche. Die gemessene Temperatur wird als Vicat Softening Temperature VST bezeichnet. Für die Prüfung werden quadratische (Grundfläche 10 x 10 mm2) oder runde (Mindestdurchmesser 10 mm) Prüfkörper mit einer Dicke von 3 mm bis 6,5 mm verwendet. Die Oberflächen müssen eben und parallel sowie gratfrei sein.

Prinzip der VICAT-Prüfgeräte

Das VICAT-Prüfgerät besteht aus einem Stab mit Auflageteller für die Prüfgewichte und einer Aufnahmevorrichtung für die Eindringspitze sowie einer kalibrierten Messuhr zur Eindringtiefenbestimmung. Die beschriebenen Prüfkörper werden auf einer Prüfkörperauflage positioniert und mit einer definierten Heizrate im Silikonbad oder mit Luftheizung erwärmt (siehe Bild).

Vicat messplatz.jpg

Bild: Messanordnung zur Bestimmung der VICAT-Erweichungstemperatur

Beispiele für VICAT-Erweichungstemperaturen

Da die VICAT-Einweichungstemperatur auf eine Änderung der Molekülgröße reagiert, kann durch die Messung auf verarbeitungsbedingte thermische Schädigung geschlossen werden.

Tabelle: VICAT-Erweichungstemperaturen für verschiedene Kunststoffe [3, 4]
Werkstoff VST (°C)
A 50 B 50
Thermoplaste unverstärkt
PE-HD 75
PE-LD 52
PE-UHMW 130 74
PP 150 90
POM 150
PA 6 200
PBT 190
PC 145
PMMA 103
PVC-U 83 77
PVC-P 42
PS 84
SAN 106
ABS 87
Thermoplaste verstärkt
PP + 20 M.-% Talkum 153 95
PP + 40 M.-% Talkum 153 98

Eine umfassende Literaturanalyse zu den experimentellen Werten der VICAT-Erweichungstemperaturen ist in [5] für die Werkstoffe ABS, ASA, ECTFE, ETFE, EVA, FEP, HABS, PA6, PA66, PA46, PA610, PA612, PA 11, PA 12, PA1010, PA1, PB-1, PPI, PBT, PC, PCTFE, PE-HD, PE-HMW, PE-LD, PE-UD, PE-MD, PE-UHMW, PE-X, PEEK, PEI, PEK, PESU, PET, PHR, PI, PMMA, PMMI, POM, PP, PPA, PPE, PPS, PPSU, PS, PSU, PTFE, PVC, PVDF, SAN und SB-Copo enthalten. Darüber hinaus sind Beispiele für die Abhängigkeit der VICAT-Erweichungstemperatur von Füllstoffgehalten von Teilchen bzw. Nanoteilchen in verschiedenen Thermoplasten angegeben.

Literaturhinweise

[1] Grellmann, W., Seidler, S. (Hrsg.): Kunststoffprüfung. Carl Hanser Verlag, München (2015) 3. Auflage, S. 602–605, (ISBN 978-3-446-44350-1; siehe AMK-Büchersammlung unter A 18)
[2] DIN EN ISO 306 (2014-03): Kunststoffe – Thermoplaste – Bestimmung der Vicat-Erweichungstemperatur (VST)
[3] Carlowitz, B.: Tabellarische Übersicht über die Prüfung von Kunststoffen. Giesel Verlag für Publizität, Isernhagen (1992) (ISBN 978-3980294201; siehe AMK-Büchersammlung unter C 9)
[4] Campus® Datenbank: http://www.campusplastics.com
[5] Kotter, I., Grellmann, W.: Vicat Softening Temperature and Heat Distortion Temperature. In: Grellmann, W., Seidler, S.: Mechanical and Thermomechanical Properties of Polymers. Landolt-Börnstein. Volume VIII/6A3, Springer Verlag, Berlin (2014) S. 62–75, (ISBN 978-3-642-55165-9; siehe AMK-Büchersammlung unter A 16)