Risswiderstandskurve – Beispiele

Aus Lexikon der Kunststoffprüfung
Version vom 15. August 2017, 10:44 Uhr von Oluschinski (Diskussion | Beiträge) (Die Seite wurde neu angelegt: „{{PSM_Infobox}} <span style="font-size:1.2em;font-weight:bold;">Risswiderstandskurve – Beispiele</span> __FORCETOC__ ==Allgemeines== Die Charakterisierung der […“)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Ein Service der
Logo psm.jpg
Polymer Service GmbH Merseburg
Tel.: +49 3461 30889-50
E-Mail: info@psm-merseburg.de
Web: https://www.psm-merseburg.de
Unser Weiterbildungsangebot:
https://www.psm-merseburg.de/weiterbildung
PSM bei Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Polymer Service Merseburg

Risswiderstandskurve – Beispiele

Allgemeines

Die Charakterisierung der Zähigkeit von Kunststoffen erfolgt auf der Basis des Risswiderstands-(R)-Kurven-Konzeptes, wobei bei vorliegendem elastisch-plastischem Werkstoffverhalten die Stadien des gesamten Bruchprozesses Rissabstumpfung, stabile Rissinitiierung, stabile Rissausbreitung und daran anschließend oftmals eine instabile Rissausbreitung und Bruch beschrieben werden können.

R-Kurve für isotaktisches PP

Am Beispiel eines isotaktischen Polypropylen (Kurzzeichen: PP) wird die Möglichkeit zur Charakterisierung von Strukturmodifikationen (siehe auch: Mikroskopische Struktur) durch Nukleierung in PP-Werkstoffen aufgezeigt [1].

Zur experimentellen Aufnahme der Risswiderstandskurven als Basis für die Ermittlung der bruchmechanischen Kenngrößen der Rissinitiierung und Rissausbreitung wurde der quasistatische Zugversuch unter Verwendung von SENT-(Single-Edge-Notched Tension)-Prüfkörpern herangezogen [2–6].

Durch den Zusatz von Nukleierungsmitteln wird die Struktur des PP beeinflusst. Das teilkristalline PP ist polymorph, d. h. es kann abhängig von den Abkühlbedingungen und dem Nukleierungsprozess, in der α-, β- oder γ-Modifikation kristallisieren. Die α-Modifikation ist durch eine Helixstruktur in einer monoklinen Elementarzelle charakterisiert, welche die thermodynamisch stabilste Form und damit die am häufigsten auftretende Modifikation ist. Die β-Modifikation ist im Vergleich dazu wenig geordnet und hexagonal, wobei sie nicht-parallele, gekreuzte Lamellen aufweist. Die orthorhombische γ-Modifikation kann unter hohem Druck oder durch die Verwendung eines Nukleierungsmittels induziert werden [7−9]. Die Kristallmodifikation beeinflusst die grundlegenden mechanischen Eigenschaften aufgrund ihrer unterschiedlichen physikalischen und mechanischen Eigenschaften [8, 9]. PP mit dominierender β-Modifikation hat einen geringeren E-Modul und Streckgrenze bei einer vergleichbaren Dehngeschwindigkeit, aber eine erhöhte Schlagzähigkeit, Bruchdehnung [7] und eine höhere Risszähigkeit [10] verglichen mit PP mit α-Modifikation. Die Kristallstruktur kann u. a. durch den Zusatz von Nukleierungsmittel oder durch die Abkühlgeschwindigkeit beeinflusst werden.

Das isotaktische PP wurde mit einem α-Nukleierungsmittel (αPP) bzw. mit einem β-Nukleierungsmittel (βPP) versetzt. Die Kunststoffe wurden mit einer Abkühlgeschwindigkeit von 1 K/min (abgekürzt -1) abgekühlt und zu Platten gepresst (siehe auch [11, 12]). Die Risswiderstandskurven (R-Kurven) der verschiedenen Kunststoffe wurden in Anlehnung an die Prozedur nach ESIS TC4 [13] ausgewertet.

Risswiderstandskurve Beispiele-1.JPG
Risswiderstandskurve Beispiele-2.JPG
Bild 1: a) R-Kurven der Kunststoffe PP-1, αPP-1 und b) typische Bruchfläche eines Prüfkörpers mit Metallklingenkerb (1), stabilem Rissfortschritt (2), Schädigungsgebiet (3) und Sprödbruchfläche (4)

Einfluss der Nukleierung des PP

Die R-Kurven der drei unterschiedlich nukleierten PP-Werkstoffe sind in Bild 1a dargestellt. Bei kleinen stabilen Rissverlängerung sind die Unterschiede relativ gering. Bei größeren stabilen Rissverlängerung zeigen sich deutliche Differenzen zwischen dem nicht-nukleierten PP-1 und den beiden nukleierten Typen. Bei einer vergleichbaren stabilen Rissverlängerung Δa sind die J-Werte des αPP-1 und βPP-1 deutlich höher, wobei es keinen signifikanten Unterschied zwischen den beiden nukleierten PP-Typen gibt. Dies zeigt, dass bei einer Abkühlgeschwindigkeit von 1K/min der Widerstand der nukleierten PP-Werkstoffe gegenüber stabiler Rissausbreitung höher ist, verglichen mit dem nicht-nukleierten PP. Eine typische Bruchfläche eines PP-Werkstoffs ist in Bild 1b gezeigt. Es sind der Metallklingenkerb, die Zone stabilen Risswachstums, gekennzeichnet durch eine sehr glatte Oberfläche und eine klare Grenze zur Zone des Schädigungsgebietes, und die Restbruchfläche zu erkennen.


Literaturhinweise

[1] Monami, A., Langer, B., Grellmann, W.: Moderne Methoden der Kunststoffprüfung zur Werkstoffentwicklung und Bauteilprüfung. Werkstoffprüfung 2016, Fortschritte in der Werkstoffprüfung für Forschung und Praxis, 1. und 2.12.2016, Neu-Ulm, Tagungsband S. 233–238 (ISBN 978-3-514-00830-4)
[2] Grellmann, W., Reincke, K., Monami, A., Kretzschmar, B.: Bruchmechanische Zähigkeitscharakterisierung von schichtsilikatverstärktem Polypropylen. In: Pohl, M. (Hrsg.): Konstruktion, Qualitätssicherung und Schadensanalyse. Stahleisen, Düsseldorf (2007), S. 115−120 (ISBN 978-3-514-00753-6)
[3] Grellmann, W., Langer, B., Bierögel, C., Schoßig, M., Mecklenburg, T.: Bruchmechanische Zähigkeitsbewertung nukleierter glasfaserverstärkter Polyolefinwerkstoffe. In: Pohl, M. (Hrsg.): Konstruktion, Qualitätssicherung und Schadensanalyse, Verlag Werkstoff-Informationsgesellschaft mbH, Frankfurt (2004) S. 321−326 (ISBN 3-88355-337-9)
[4] Kroll, M., Langer, B., Grellmann, W.: Toughness Optimization of Elastomer-modified Glass-fiber Reinforced PA6 Materials. Journal of Applied Polymer Science 127 (2013) 57−66
[5] Kroll, M., Langer, B., Schumacher, W., Grellmann, W.: The Influence of Carbon Black Batches on the Fracture Behavior of Glass Fiber Reinforced PA6/PA66 Blends. Journal of Applied Polymer Science 116 (2010) 610−618
[6] Langer, B., Bierögel, C., Grellmann, W., Fiebig, J., Aumayr, G.: Deformation and Fracture Behaviour of Polymers. In: Grellmann, W., Seidler, S. (Hrsg.): Material Optimization of PP-short Glass Fibre Compounds. Springer, Berlin, Heidelberg (2001)
[7] Maier, C., Calafut, T.: Polypropylene – The Definitive User’s Guide and Databook, William Andrew Publishing/Plastics Design Library (1998)
[8] Marigo, A., Causin, V., Marega, C., Ferrari, P.: Crystallization of the Gamma Form in Random Propylene-ethylene Copolymers. Polymer International 53 (2004) 2001−2008
[9] Marigo, A., Marega, C., Causin, V., Ferrari, P.: Influence of Thermal Treatments, Molecular Weight, and Molecular Weight Distribution on the Crystallization of Beta-isotactic Polypropylene. Journal of Applied Polymer Science 91 (2004) 1008−1012
[10] Raab, M., Kotek, J., Baldrian, J., Grellmann, W.: Übermolekulare Struktur und mechanische Eigenschaften von isotaktischem Polypropylen. In: Grellmann, W., Seidler, S. (Hrsg.): Deformation und Bruchverhalten von Kunststoffen. Berlin, Heidelberg, New York (1998)
[11] Monami, A., Langer, B., Sadlik, J., Kucera, J., Grellmann, W.: Fracture Mechanics Properties of Polymorphic Polypropylene. Procedia Materials Science 3 (2014) 276−281
[12] Androsch, R., Monami, A., Kucera, J.: Effect of an Alpha-phase Nucleating Agent on the Crystallization Kinetics of a Propylene/ethylene Random Copolymer at Largely Different Supercooling. Journal of Crystal Growth 408 (2014) 91−96
[13] Hale, G. E., Ramsteiner, F.: A Testing Protocol for Conducting J-Crack Growth Resistance Curve on Plastics. In: Moore, D. R., Pavan, A., Williams, J. G. (Hrsg.): Fracture Mechanics Testing Methods for Polymers Adhesives and Composites, Elsevier, Amsterdam, London, New York, Oxford, Paris, Shannon, Tokyo (2001)