Bruchspiegel
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Bruchspiegel
Allgemeines
Aus der Bruchfläche können Informationen über die Bruchursache (siehe Bruchentstehung), die Art der Beanspruchung (statisch, dynamisch bzw. Zug, Biegung, Torsion usw.) und Konstruktions- sowie Werkstofffehler (siehe Fehler) (Inhomogenitäten, Fremdeinschlüsse) gewonnen werden.
Berücksichtgung des Bruchspiegels bei der Kennwertangabe
Die Diagnostik des Bruches bezeichnet man als Fraktografie bzw. Mikrofraktographie. Die Bruchflächen von genormten Standardprüfkörpern zur bruchmechanischen Kenngrößenermittlung enthalten Informationen zum Aussehen und zur Länge des Ausgangsrisses und zur Ausbildung der plastischen Zone vor der Rissspitze. Die Länge der plastischen Zone wird in der LEBM mit Kleinbereichsfließen zur Kennwertermittlung herangezogen. Unter der Voraussetzung, dass dieser plastisch verformte Bereich klein ist gegenüber den Bauteilabmessungen und der Ligamentlänge (W–a) kann man ihn durch die Annahme einer effektiven Risslänge
mit
rpl | Radius der plastischen Zone | |
a | Länge des Ausgangsrisses, Kerbtiefe (häufig auch mit a0 bezeichnet) |
in Form des effektiven Spannungsintensitätsfaktors
berücksichtigen [1].
Aussagen über die theoretische Basis dieser Erweiterung der linear-elastischen Bruchmechanik (LEBM) auf das Kleinbereichsfließen und die Größe der kreisförmig angenommenen plastischen Zone sind in der bruchmechanischen Literatur [1–3] dargestellt.
Bei der bruchmechanischen Kennwertermittlung wird der Radius der plastischen Zone als Bruchflächenphänomen in Form des Bruchspiegels beobachtet, womit die Ausgangsrisslänge a um die häufig mikroskopisch gemessene Länge des stabilen Risswachstums erweitert wird, und mit
mit
aBS | Bruchspiegel, Länge des stabilen Risswachstums |
wird formal der Übergang von der linear-elastischen Bruchmechanik (LEBM) zur LEBM mit Kleinbereichsfließen vollzogen [4]. Bei sehr spröden Gefügen, bei hohen Beanspruchungsgeschwindigkeiten bzw. tiefen Temperaturen ist der Bruchspiegel sehr klein oder vernachlässigbar.
Ausbildung des Bruchspiegels auf Glasbruchflächen
Der Nachweis der Existenz eines Bruchspiegels erfolgte zunächst für den Werkstoff Glas und wird von Spauszus in [5] dargestellt. Spauszus beschreibt den Bruchverlauf und das Aussehen der Bruchfläche in einem Glasstab unter Zugbeanspruchung (Bild 1).
Bild 1: | Bruchfläche nach Zugbeanspruchung eines runden Glasstabes (nach Leeuverik und Burgers) [5] a) Lichtmikroskopisch; |
Sp | Spiegel | |
Rf | Fläche feiner Rauigkeit | |
Rg | Fläche grober Rauigkeit; G muss die für die Bruchauslösung notwendige kritische Größe Gc erreichen bzw. überschreiten. |
An den Bruchursprung schließt sich auf der Bruchfläche eine kreisförmige völlig glatte Fläche an, die auf Grund ihres Aussehens als Bruchspiegel (Sp) bezeichnet wird.
Beide Spiegelflächen der Stabhälfte lassen sich mit lichtoptischer Genauigkeit zusammenfügen. Auf ein Gebiet feiner Rauigkeit (Rf) folgt die Zone grober Rauigkeit (Rg). Während die Spiegelflächen senkrecht zur Hauptspannungsrichtung orientiert sind, bilden die rauen Zonen als Folge einer Bruchverzweigung zum Spiegel abgewinkelte Flächen, wobei im Verlaufe des Bruchvorganges oft ein keilförmiges Glasstück herausgeschleudert wird (Bild 2).
Bild 2: | Bruchverlauf in einem Glasstab bei Zugbeanspruchung [5] 1 Spiegelfläche |
Literaturhinweise
[1] | Blumenauer, H., Pusch, G.: Technische Bruchmechanik. Verlag für Grundstoffindustrie, Leipzig (1987) 2. Auflage, S. 66 (siehe AMK-Büchersammlung unter E 29-2) |
[2] | Anderson, T. L.: Fracture Mechanics, Fundamentals and Application. 3rd Ed., CRC Press Boca Raton (2005) (ISBN 978-0849342608; siehe AMK-Büchersammlung unter E 8-2) |
[3] | Schwalbe, K.-H.: Bruchmechanik metallischer Werkstoffe. Carl Hanser Verlag, München Wien (1980) (ISBN 3-446-12983-9; siehe AMK-Büchersammlung unter E 15) |
[4] | Grellmann, W., Seidler, S. (Hrsg.): Kunststoffprüfung. Carl Hanser Verlag, München (2015) 3. Auflage, S. 254 (ISBN 978-3-446-44350-1; siehe AMK-Büchersammlung unter A 18) |
[5] | Spauszus, S.: Werkstoffkunde Glas. Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, Leipzig (1974) (siehe AMK-Büchersammlung unter Q 2) |