Glastemperatur

Aus Lexikon der Kunststoffprüfung
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Glastemperatur

Begriffsbestimmung

Die Glastemperatur Tg ist eng mit dem Begriff des Glaszustands verbunden. Der Glaszustand ist dabei keinesfalls, wie oft fälschlicherweise angenommen wird, mit einer unterkühlten (metastabilen) Schmelze gleichzusetzen, sondern er stellt einen speziellen instabilen Zustand von Festkörpern dar. Anorganische Gläser sind dabei silikatische und metallische Gläser sowie einige andere niedrigmolekulare Stoffe. Die Gruppe der organischen Gläser umfasst amorphe Thermoplaste bzw. die amorphen Bereiche in teilkristallinen Thermoplasten, die meisten Duromere und viele Elastomere bzw. deren amorphe Phasen.

Die Glastemperatur, oft auch als Glasübergangstemperatur bezeichnet, ist die Temperatur des so genannten Glasübergangs, bei dem ein anorganisches oder organisches Glas bei Temperaturerhöhung vom Glaszustand in einen werkstoffabhängig flüssigen bis gummiartigen Zustand übergeht (ausgenommen Duromere). Speziell bei organischen Gläsern ist der Glasübergang mit einem Übergang von einem energieelastischen Zustand in einen entropieelastischen Zustand verbunden, an den sich bei amorphen Thermoplasten ein hochviskos-flüssiger Zustand anschließt. Bei Temperaturerniedrigung kann umgekehrt von einem flüssigen bis gummiartigen Ausgangszustand der Glaszustand bei der Glastemperatur erreicht werden.

Die Glastemperatur ist dabei, unabhängig von der Angabe typischer Werte in wissenschaftlichen Publikationen, Werkstoffblättern und Datenbanken, für einen konkreten Werkstoff keine Konstante, sondern hängt, außer vom benutzten Verfahren zu ihrer Ermittlung, in erheblichem Maß von der Geschwindigkeit der Temperaturerhöhung bzw. -erniedrigung ab. Außerdem hat die Zeit und Temperatur, in der der Werkstoff im Glaszustand verharrt, einen Einfluss auf die Glastemperatur.

Festlegung von Einsatzgrenzen

Da sich der Werkstoff im Glaszustand in einem instabilen Zustand befindet, strebt er einen Gleichgewichtszustand an (Vorgeschichte), wodurch sich demzufolge die Glastemperatur sowohl mit zunehmender Zeit als auch zunehmender Temperatur (T < Tg) zu niedrigeren Werten verschiebt. Durch Erwärmen eines glasartigen Werkstoffs über die Glastemperatur wird die Vorgeschichte des Werkstoffs ausgelöscht. Die Instabilität des Glaszustands, die Nichtreversibilität des Glasübergangs und weitere thermodynamische Charakteristika sind deutliche Indizien dafür, dass der Glasübergang kein Phasenübergang ist.

Trotz der oben dargelegten Einschränkung, dass die Glastemperatur genau genommen kein Werkstoffparameter ist, hat sie eine immense Bedeutung bei der Festlegung von Einsatzgrenzen polymerer Werkstoffe:

Werkstoffgruppe Einsatzbereich Begründung
amorphe homopolymere Thermoplaste unterhalb der Glastemperatur sonst zu weichelastisch oder zähflüssig
teilkristalline homopolymere Thermoplaste oberhalb der Glastemperatur sonst zu spröde
Duromere unter- und oberhalb der Glastemperatur nur geringer Temperatureinfluss auf Festigkeit und Steifigkeit infolge hoher Vernetzungsdichte
Elastomere oberhalb der Glastemperatur der amorphen Kautschukphase sonst hart-spröde ohne entropieelastische Eigenschaften
kautschukmodifizierte Thermoplaste und Duromere oberhalb der Glastemperatur der amorphen Kautschukphase sonst kein Wirksamwerden zähigkeit­ssteigernder Deformationsmechanismen

Methoden zur Ermittlung der Glastemperatur

Zur Ermittlung der Glastemperatur haben sich unterschiedliche Verfahren etabliert:

Die Dynamische Differenzkalorimetrie (DSC) nutzt aus, dass sich die Wärmekapazität in Abhängigkeit von der Temperatur bei Durchlaufen des Glasübergangsbereichs nahezu sprunghaft ändert. Aufgrund der Geschwindigkeitsabhängigkeit des Glasübergangs wird meist mit geringen Aufheizraten von ca. 10 K/min gearbeitet. Der klassisch mit der DSC detektierte Glasübergang wird, da er auf thermischen Effekten basiert, auch als thermischer Glasübergang bezeichnet.

Die Dynamisch-Mechanische Analyse (DMA) nutzt aus, dass die molekulare Beweglichkeit im Glasübergangsbereich bei Temperaturerhöhung stark zunimmt, was sich u. a. in einem Maximum des mechanischen Verlustfaktors tan δ äußert. Da dem mit der DMA detektierten Glasübergang molekulardynamische Effekte zugrunde liegen, wird er auch als dynamischer Glasübergang bezeichnet.

Die Ermittlung der Glastemperatur mittels der Dilatometrie basiert darauf, dass der thermische Ausdehnungskoeffizient im Glaszustand geringer ist als für Temperaturen oberhalb der Glastemperatur.

Der Imaginärteil der mittels der Dielektrischen Relaxationsspektroskopie ermittelten Dielektrizitätszahl weist bei der Glastemperatur ein Maximum auf.

Siehe auch


Literaturhinweis

  • Donth, Ernst-Joachim: The Glass Transition – Relaxation Dynamics in Liquids and Disordered Materials. Springer Verlag, Berlin Heidelberg New York (2001) (ISBN 978-3-540-41801-6)