Rundprüfkörper
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Rundprüfkörper – Kunststoffprüfung
Allgemeines
In der Werkstoffprüfung werden im Zugversuch als auch im Druckversuch zumeist Rundproben oder sogenannte Flachzugproben bzw. prismatische Prüfkörper mit definierten Abmessungen zur Ermittlung der Zug- oder Druckeigenschaften sowie des Elastizitätsmoduls E als auch der Poissonzahl μ eingesetzt [1, 2]. Unabhängig von der Prüfkörperform sind die Zugprüfkörper (siehe: Vielzweckprüfkörper) meistens beidseitig mit Schultern ausgestattet, die der Sicherung optimaler Klemmbedingungen dienen und Fehlwege bei der Dehnungsmessung (siehe: Zugversuch, Wegmesstechnik) minimieren. Gleichzeitig verhindern die Schultern aufgrund ihres größeren Querschnitts auch den Bruch des Prüfkörpers an den Kanten der Einspannung (Keilspannzeug oder Parallelspannklemme) oder das Versagen innerhalb der Klemmeinrichtung. Bei dem Druckversuch an metallischen oder polymeren Werkstoffen sind derartige Schultern jedoch nicht erforderlich, wobei auch hier die Prüfkörper runde [3] oder prismatische Querschnitte [4] aufweisen können.
Zugversuch an metallischen Werkstoffen
Bei den Zugversuchen an metallischen Werkstoffen (Stahl, Aluminium, Messing u. a.) werden bevorzugt sogenannte Proportionalstäbe eingesetzt, die ein vorgegebenes Verhältnis von Länge zur Breite des Prüfkörpers aufweisen [1, 5, 6]. Diese Rundzugprüfkörper (Bild 1) oder Proportionalprüfkörper werden meistens zur Charakterisierung von Schmiede-, Zieh-, Guss- oder Presshalbzeugen verwendet, wogegen bei Blechen oder Platten sogenannte Flachzugproben mit prismatischem Querschnitt genutzt werden.
Bild 1: | Rundzugprüfkörper differierender Geometrie mit proportionalen Abmessungen |
Der kurze und lange Proportionalstab besitzen dabei ein Verhältnis Länge/Durchmesser von L0 = 5 · d0 bzw. L0 = 10 · d0, wobei durchaus auch Sonderformen dieser Prüfkörper bekannt sind. Die Flachzugproben, deren Verhältnis von Breite zu Dicke groß ist, mit einer Dicke d < 3 mm werden als nicht-proportionale Prüfkörper und die mit d ≥ 3 mm als proportionale bezeichnet, da der Fließprozess oberhalb von 3 mm dicken Platten oder Halbzeugen proportional zur Dicke erfolgt. Andere Prüfkörpergeometrien unterscheiden sich nicht nur durch das Länge/Durchmesser-Verhältnis sondern auch durch die Gestaltung der Schultern der Proben [7] (Bild 2).
Bild 2: | Rundzugprüfkörper differierender Geometrie und unterschiedlicher Schultergestaltung: (a) Gewindekopfprobe, (b) Schulterkopfprobe und (c) Zylinderkopfprobe [7] |
Während die Zugversuche an metallischen Werkstoffen in Analogie zur Praxis an Kunststoffen früher mit konstanter Traversengeschwindigkeit erfolgten, werden heute zumeist dehnungsgeregelte Zugversuche, seltener kraftgeregelte Versuche, zur Ermittlung der Zugeigenschaften an Metallen genutzt (siehe auch: Zugversuch Regelung).
Zugversuch an Kunststoffen
In der Kunststoffprüfung, speziell dem Zug- und Druckversuch, stellen Rundprüfkörper eher die Ausnahme dar, da fertigungstechnische Probleme insbesondere die ökonomischen Anforderungen an die Prüfkörperherstellung im Sinne der Qualitätssicherung behindern. Der Grund ist, dass derartige Prüfkörper nur aus hinreichend dicken Strang- oder Gussprofilen gedreht werden können, wie es z. B. bei Extrudaten aus Polyvinylchlorid (Kurzzeichen: PVC) oder Formen aus Gusspolyamid (Kurzzeichen: PA) möglich ist. Im Vergleich zu kommerziellen Produkten (Platten, Spritzgussteile) ist bei den Rundprüfkörpern jedoch ein differierender Orientierungs- und Eigenspannungszustand zu beobachten, der ein nicht vergleichbares Kennwertniveau verursacht und durch die nicht üblichen Dicken und Abkühlbedingungen der Halbzeuge verursacht wird. Im eigenen Haus gab es in der Vergangenheit ebenfalls Bestrebung das Verhalten von Rundprüfkörpern im Vergleich zum prismatischen Prüfkörper zu untersuchen (Bild 3). Die Prüfkörper in Bild 3a und b wurden aus PVC und Gusspolyamid-Halbzeugen gedreht, wobei hier spezielle Herstellungsbedingungen zu beachten sind [6]. Diese Prüfkörper sind bei Nutzung von angepassten Einspannklemmen aufgrund ihrer Schulterform für den Zug- und Druckversuch bei quasistatischer und statische Beanspruchung einsetzbar, wobei Nasen zur Befestigung von Ansetzdehnungsaufnehmern vorgesehen wurden. Die Prüfkörper in Bild 3b und c sind aufgrund der Gestaltung der Prüfkörper für dehnungsgeregelte Versuche prädestiniert, da hier als Regelgröße der minimale Durchmesser genutzt werden kann, dessen Ort sich immer in der Prüfkörpermitte befindet [9–12].
Bild 3: | Rundzugprüfkörper differierender Geometrie und unterschiedlicher Schultergestaltung in der Kunststoffprüfung: (a) gedrehter Zug-, Druckprüfkörper, (b) gedrehter parabolischer Prüfkörper und (c) gespritzter Rundprüfkörper |
Bei den gespritzten Prüfkörpern (Bild 3c) treten infolge des Drucks im Spritzgießwerkzeug und der Entformung des Prüfkörper jedoch Spritzgießnähte mit sogenannten Schwimmhäuten auf, die zu empfindlichen Störungen des Deformationsverhaltens führen. Die Strömungsverhältnisse der Schmelze, insbesondere der Scherströmung, im Werkzeug (Tool) der Rundprüfkörper sind mit denen eines prismatischen Prüfkörpers nicht vergleichbar und verursachen einen völlig andersartigen Orientierungszustand. Die Eigenspannungen im Rundprüfkörper sind aufgrund des begrenzten Nachdrucks auch nicht vergleichbar und bedingen teilweise Lunker oder Poren in der Prüfkörpermitte. Die ermittelten Kennwerte im Zugversuch sind deshalb für die unterschiedlichen Prüfkörpergeometrien nicht vergleichbar und für die geringen Dicken von Kunststoffbauteilen nicht repräsentativ. Schon aufgrund des hohen zeitlichen Aufwands und der Kosten zur Herstellung von Rundprüfkörpern, den technisch nicht relevanten Prüfkörperdicken und dem abweichende Kennwertniveau konnten diese sich im Vergleich zu prismatischen Prüfkörpern nicht durchsetzen. Hinzu kommt, dass der geregelte Zugversuch nur für wissenschaftliche Studien genutzt wird und nicht genormt ist.
In der Kunststoffprüfung hat sich aufgrund dieser Probleme der prismatische Prüfkörper in Form des sogenannten Vielzweckprüfkörpers durchgesetzt. Datensammlungen zu den Kennwerten von Thermoplasten und deren Verbunden basieren auf diesem Prüfkörpertyp und den Festlegungen in den entsprechenden Regelwerken und Normen [13–16].
Bild 4: | Prismatischer Vielzweckprüfkörper und proportionale Verkleinerungen |
Siehe auch
Literaturhinweise
[1] | Blumenauer, H. (Hrsg): Werkstoffprüfung. Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, Leipzig Stuttgart, 6. Auflage, (1994) (ISBN 3-342-00547-5; siehe AMK-Büchersammlung unter M 3) |
[2] | Schmidt, W., Dietrich, H.: Praxis der mechanischen Werkstoffprüfung. Expert Verlag, Renningen-Malmheim, (1999) (ISBN 3-8169-1612-0; siehe AMK-Büchersammlung unter M 5) |
[3] | DIN EN ISO 4506 (2018-07): Hartmetalle – Druckversuch |
[4] | DIN EN ISO 604 (2003-12): Kunststoffe – Bestimmung von Druckeigenschaften |
[5] | DIN EN 10002 (2001-12): Metallische Werkstoffe – Zugversuch – Teil 1: Prüfverfahren bei Raumtemperatur (zurückgezogen) |
[6] | DIN 50125 (2022-08): Prüfung metallischer Werkstoffe – Zugproben |
[7] | DIN EN ISO 6892-1 (2020-06): Metallische Werkstoffe – Zugversuch – Teil 1: Prüfverfahren bei Raumtemperatur |
[8] | Bierögel, C.: Prüfkörperherstellung. In: Grellmann, W., Seidler, S. (Hrsg.): Kunststoffprüfung. Carl Hanser Verlag, München (2015) 3. Auflage, S. 17–42 (ISBN 978-3-446-44350-1; siehe AMK-Büchersammlung unter A 18) |
[9] | Janzen, W., Ehrenstein, G. W.: Bemessungsgrenzen von glasfaserverstärktem PBT bei schwingender Beanspruchung. Kunststoffe 81 (1991) 3, S. 231–226 |
[10] | G’Sell, C., Jonas, J. J.: Determination of the Plastic Behaviour of Solid Polymers at Constant True Strain Rate. J. of Mat. Science 14 (1979) 3, 583–591 DOI: https://doi.org/10.1007/BF00772717 |
[11] | Ghosh, A. K.: Tensile Instability and Necking in Materials with Strain Hardening and Strain-Rate Hardening. Acta Metallurgica 25 (1977) 5, 1413–1424 |
[12] | Weis, E.-M., Wilke, W.: Structure and Mechanical Behaviour of Short Glass Fibre-Reinforced Ethylene-Tetrafluoroethylene Copolymers. J. of Mat. Science 27 (1992) 5, 1876–1882 DOI: https://doi.org/10.1007/BF01107215 |
[13] | DIN EN ISO 527-1 (2019-12): Kunststoffe – Bestimmung der Zugeigenschaften – Teil 1: Allgemeine Grundsätze |
[14] | DIN EN ISO 527-2 (2012-06): Kunststoffe – Bestimmung der Zugeigenschaften – Teil 2: Prüfbedingungen für Form- und Extrusionsmassen |
[15] | DIN EN ISO 3167 (2014-11): Kunststoffe – Vielzweckprobekörper |
[16] | Bierögel, C.: Zugversuch an Kunststoffen. In: Grellmann, W., Seidler, S. (Hrsg.): Kunststoffprüfung. Carl Hanser Verlag, München (2015) 3. Auflage, S. 117–136 (ISBN 978-3-446-44350-1; siehe AMK-Büchersammlung unter A 18) |