Thermische Dehnungs-Analyse: Unterschied zwischen den Versionen
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+ | Bei der Untersuchung des Schrumpfungsverhaltens im konventionellen [[Schrumpfversuch]] erfolgt die Registrierung der Kontraktion des Prüfkörpers in der Regel mit mechanischen [[Zugversuch#Zugversuch.2C_Wegmesstechnik|Ansetzdehnungsaufnehmern]], die eine Initiallänge von 50 oder 75 mm aufweisen. Dadurch wird über die Bereiche unterschiedlicher Orientierung des Prüfkörpers gemittelt, weshalb hier nur eine integrale Schrumpfdehnung ε<sub>s</sub> bzw. die Schrumpfung S angegeben werden kann. Diese enthält keine Informationen über die verarbeitungsbedingten lokalen Orientierungsunterschiede und die resultierenden Deformationsbedingungen in Kunststoffprüfkörpern.<br> | ||
+ | Zur Ermittlung lokaler Orientierungsunterschiede kann man eine moderne Methode der [[Kunststoffdiagnostik]], die Thermische Dehnungs-Analyse (TDA), benutzen, welche zur Registrierung der [[Schrumpfung]] [[:Kategorie:Optische Feldmessverfahren|optoelektronische Messverfahren]] verwendet. | ||
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+ | Für die Thermische Dehnungs-Analyse wird ein spezielles Laserextensometer eingesetzt, welches als [[Laser-TMA-Scanner]] bezeichnet wird, und insbesondere für differentielle bzw. lokale Dehnungsmessungen verwendet wird. Diese Laserextensometer weisen aufgrund der monochromatischen Lichtquelle und der Nutzung einer Vakuumröhre eine sehr hohe [[Auflösung Laserextensometer-Gerätesysteme|Auflösung]] auf ('''Bild 3'''). Der Laserstrahl wird von einem sich drehenden Prisma in eine Auf- und Abwärtsbewegung des Strahls abgelenkt und durch das Vakuumrohr in die Temperierkammer bis direkt vor den Prüfkörper geleitet ('''Bild 4'''). Fehler durch die Thermik in der Kammer werden hiermit fast völlig eliminiert. Das an den Targets diffus reflektierte Laserlicht wird wieder durch die Temperierkammer geführt und von einer Flächendiode zeitlich zugeordnet registriert. Aus der Auswertung der zeitlichen Änderungen der Streifenpositionen und die Kenntnis der Scangeschwindigkeit können dann die lokalen Schrumpfdehnungen berechnet werden. | ||
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− | + | Die [[Schrumpfversuch]]e werden in einer konstruktiv angepassten Temperierkammer durchgeführt. Die Temperierkammer ist dabei in eine [[Materialprüfmaschine|Universalprüfmaschine]] appliziert ('''Bild 4'''), wobei der Prüfkörper einseitig eingespannt ist. Durch ein vorgegebenes Temperaturregime der Kammer mit einer Temperaturrampe wird der Prüfkörper langsam und stetig von Raumtemperatur beginnend aufgeheizt. Dadurch werden thermische Dehnungen, infolge des linearen Ausdehnungskoeffizienten (siehe [[Thermomechanische Analyse]]), und anschließend Schrumpfdehnungen induziert, die mittels [[Laser-TMA-Scanner]] in Abhängigkeit von der Temperatur und Zeit registriert werden.<br> | |
− | ''' | + | Am Beispiel eines, mit 9 Reflektoren versehenen, PVC-Prüfkörpers wird nachfolgend das Dehnungs- bzw. Schrumpfverhalten bei einer Temperaturerhöhung bis auf 75 °C dargestellt ('''Bild 5a'''), wobei die Reflektorenpositionen 1 bis 3, 4 bis 6 und 7 bis 9 ausgewertet wurden. Ausgehend von einer Startposition von 10 °C, die mittels Kühlung durch flüssigen Stickstoff erreicht wurde, erfolgte die Aufheizung mit einer Temperaturrampe von 1 C°/min. Bis zum Einsetzen des Schrumpfungsprozesses bei ca. 65 °C erfährt dieser Prüfkörper im Mittel eine lokale Ausdehnung von ca. ε<sub>th</sub> = 0,3 %. Die lokalen Ausdehnungskurven weichen dabei nur geringfügig voneinander ab. Die thermische Ausdehnung im Temperaturintervall von 10 °C bis 62 °C (siehe: [[Schrumpfversuch]]) verläuft auch hier nichtlinear in Analogie zur konventionellen Schrumpfmessung. Ab ca. 65 °C tritt dann der Schrumpfungsprozess ein, der bedingt durch die höhere Molekülbeweglichkeit zur Kontraktion des Prüfkörpers und zur Rückstellung der verarbeitungstechnisch bedingten Orientierungen führt. Hier ist zu erkennen, dass in den verschiedenen lokalen Messbereichen deutlich differierende Schrumpfdehnungen auftreten. In angussfernen Bereich (grüne Kurve in '''Bild 5b''') liegt die geringste Orientierung vor, wodurch auch die Schrumpfdehnungen am kleinsten sind. Die angussnahe Zone mit der maximalen Orientierung zeigt eine wesentlich größere Schrumpfung bis über 6 % lokale Dehnung (rote Kurve in '''Bild 5b'''). Ab 75 °C wird die Temperierkammer gekühlt, um den neuen, entropisch günstigeren Zustand des Prüfkörpers zu fixieren. Danach erfolgt dann eine nahezu lineare Rückstellung der thermischen Ausdehnung, die im Endzustand verschiedene lokale Dehnungen ε<sub>s</sub> bzw. Schrumpfungen S hervorruft, die mit dem Orientierungszustand des Prüfkörpers korrespondieren. Aufgrund der Volumenkonstanz nehmen dabei die Breite und Dicke des Prüfkörpers zu, was in der Regel jedoch nicht messtechnisch erfasst wird. |
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− | |Grellmann, W., Seidler, S. (Hrsg.): Kunststoffprüfung. Carl Hanser Verlag, München ( | + | |[[Bierögel, Christian|Bierögel, C.]]: Prüfkörperherstellung. In: [[Grellmann,_Wolfgang|Grellmann, W.]], [[Seidler,_Sabine|Seidler, S.]] (Hrsg.): Kunststoffprüfung. Carl Hanser Verlag, München (2015) 3. Auflage, S. 17–42 (ISBN 978-3-446-44350-1; siehe [[AMK-Büchersammlung]] unter A 18) |
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− | |Grellmann, W., Bierögel, C., Sirch, C., Oluschinski, A.: Thermische | + | |[https://www.researchgate.net/profile/Wolfgang-Grellmann Grellmann, W.], Bierögel, C., Sirch, C., Oluschinski, A.: Thermische Spannungs- und Dehnungsanalyse an Kunststoffen. In: [https://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Pohl_(Metallurg) Pohl, M.]: Konstruktion, Werkstoffentwicklung und Schadensanalyse, Tagung „Werkstoffprüfung“ 2010, 2.–3. Dezember 2010 Neu-Ulm, Tagungsband S. 365–370 (ISBN 978-3-514-00778-9; siehe [[AMK-Büchersammlung]] unter M 18) |
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Thermische Dehnungs-Analyse (TDA)
Grundlagen der Thermischen Dehnungs-Analyse (TDA)
Bei einer Warmlagerung oberhalb der Umwandlungstemperatur neigen Formteile aus Kunststoffen teilweise zu erheblichen Dimensions- und Gestaltänderungen, die man allgemein als Schrumpfung oder Schrumpf bezeichnet. Die Warmlagerung erfolgt also oberhalb der Glastemperatur TG und die zugehörigen Dimensionsänderungen laufen bei Volumenkonstanz ab. Die Längenänderungen in allen drei Raumrichtungen entsprechen dann im Wesentlichen der Rückstellung der verarbeitungsbedingten Molekülorientierung bis hin zum Zustand maximaler Entropie oder des energetisch günstigsten Werkstoffzustandes und stehen deshalb mit der entropie-elastischen Verformung (siehe: Entropieelastizität) der Makromoleküle in engem Zusammenhang. Die Orientierung der Kunststoffbauteile oder Prüfkörper ist dabei insbesondere auf die verarbeitungstechnischen Herstellungsbedingungen (Extrusion, Kalandrieren oder Spritzgießen) oder den Umformprozess (Tiefziehen) zurückzuführen. Während z. B. beim Kalandrieren oder der Extrusion von Platten eine nahezu konstante Längs- und Querorientierung infolge des Reckvorganges auftritt, ist die Orientierung beim Spritzguss stark von der Bauteilgeometrie und den Prozessparametern abhängig. So wird schon im Spritzguss von einfachen Geometrien, wie z. B. bei Vielzweckprüfkörpern, ein variierender Orientierungszustand in Längsrichtung der Prüfkörper beobachtet (Bild 1) [1].
Bild 1: | Orientierungszustand im Vielzweckprüfkörper |
In der Angussnähe tritt infolge der Angussgeometrie und der Strömungsverhältnisse (Laminar- und Scherströmung) eine relativ hohe Orientierung auf, die in Richtung der angussfernen Seite stark abnimmt. Infolge dieses Sachverhalts tritt der Bruch oder eine Einschnürung bei diesen Prüfkörpern zumeist angussfern auf.
Bei der Untersuchung des Schrumpfungsverhaltens im konventionellen Schrumpfversuch erfolgt die Registrierung der Kontraktion des Prüfkörpers in der Regel mit mechanischen Ansetzdehnungsaufnehmern, die eine Initiallänge von 50 oder 75 mm aufweisen. Dadurch wird über die Bereiche unterschiedlicher Orientierung des Prüfkörpers gemittelt, weshalb hier nur eine integrale Schrumpfdehnung εs bzw. die Schrumpfung S angegeben werden kann. Diese enthält keine Informationen über die verarbeitungsbedingten lokalen Orientierungsunterschiede und die resultierenden Deformationsbedingungen in Kunststoffprüfkörpern.
Zur Ermittlung lokaler Orientierungsunterschiede kann man eine moderne Methode der Kunststoffdiagnostik, die Thermische Dehnungs-Analyse (TDA), benutzen, welche zur Registrierung der Schrumpfung optoelektronische Messverfahren verwendet.
Experimentelle Durchführung der TDA
Die TDA untersucht das Schrumpfungsverhalten unter einer definierten Temperaturbeanspruchung. Der Prüfkörper wird dazu einseitig eingespannt, in einer Temperierkammer mit einer Temperaturrampe aufgeheizt und anschließend wieder abgekühlt. Die Dehnung wird im Fall der konventionellen Schrumpfmessung mittels mechanischen Extensometern gemessen, welche die integrale Ausgangsmesslänge l0i besitzen. Im Fall der TDA mittels Laserextensometrie werden auf dem Prüfkörper Reflektoren mit vorgegebenem Abstand und der lokalen Ausgangsmesslänge l0l z. B. im Siebdruckverfahren oder mittels Airbrush appliziert (Bild 2). Während des Aufheizens des Prüfkörpers tritt zunächst eine thermische Ausdehnung auf, die vom linearen Ausdehnungskoeffizienten des untersuchten Werkstoffes abhängt. Oberhalb der Umwandlungstemperatur TG oder TS nimmt die Kettenbeweglichkeit deutlich zu, wodurch sich die eingefrorenen Orientierungen zurückstellen können und der Prüfkörper schrumpft.
Bild 2: | Schematische Darstellung der TDA an einem prismatischen Prüfkörper |
Diese Schrumpfung äußert sich in der Abnahme der Länge des Prüfkörpers, wogegen die Dicke und Breite entsprechend der Volumenkonstanz wieder zunehmen. Infolge des Abkühlvorganges wird der energetisch günstigere Zustand des Prüfkörpers mit der Längenänderung Δlia fixiert.
Für die Thermische Dehnungs-Analyse wird ein spezielles Laserextensometer eingesetzt, welches als Laser-TMA-Scanner bezeichnet wird, und insbesondere für differentielle bzw. lokale Dehnungsmessungen verwendet wird. Diese Laserextensometer weisen aufgrund der monochromatischen Lichtquelle und der Nutzung einer Vakuumröhre eine sehr hohe Auflösung auf (Bild 3). Der Laserstrahl wird von einem sich drehenden Prisma in eine Auf- und Abwärtsbewegung des Strahls abgelenkt und durch das Vakuumrohr in die Temperierkammer bis direkt vor den Prüfkörper geleitet (Bild 4). Fehler durch die Thermik in der Kammer werden hiermit fast völlig eliminiert. Das an den Targets diffus reflektierte Laserlicht wird wieder durch die Temperierkammer geführt und von einer Flächendiode zeitlich zugeordnet registriert. Aus der Auswertung der zeitlichen Änderungen der Streifenpositionen und die Kenntnis der Scangeschwindigkeit können dann die lokalen Schrumpfdehnungen berechnet werden.
Bild 3: | Messprinzip des Laser-TMA-Scanners für lokale Schrumpfmessungen |
Bild 4: | Universalprüfmaschine FRANK 81801 mit Laser-TMA-Scanner der Fa. Fiedler Optoelektronik GmbH, Lützen (Rückansicht des Systems) |
Auswertung der TDA-Messungen
Die Schrumpfversuche werden in einer konstruktiv angepassten Temperierkammer durchgeführt. Die Temperierkammer ist dabei in eine Universalprüfmaschine appliziert (Bild 4), wobei der Prüfkörper einseitig eingespannt ist. Durch ein vorgegebenes Temperaturregime der Kammer mit einer Temperaturrampe wird der Prüfkörper langsam und stetig von Raumtemperatur beginnend aufgeheizt. Dadurch werden thermische Dehnungen, infolge des linearen Ausdehnungskoeffizienten (siehe Thermomechanische Analyse), und anschließend Schrumpfdehnungen induziert, die mittels Laser-TMA-Scanner in Abhängigkeit von der Temperatur und Zeit registriert werden.
Am Beispiel eines, mit 9 Reflektoren versehenen, PVC-Prüfkörpers wird nachfolgend das Dehnungs- bzw. Schrumpfverhalten bei einer Temperaturerhöhung bis auf 75 °C dargestellt (Bild 5a), wobei die Reflektorenpositionen 1 bis 3, 4 bis 6 und 7 bis 9 ausgewertet wurden. Ausgehend von einer Startposition von 10 °C, die mittels Kühlung durch flüssigen Stickstoff erreicht wurde, erfolgte die Aufheizung mit einer Temperaturrampe von 1 C°/min. Bis zum Einsetzen des Schrumpfungsprozesses bei ca. 65 °C erfährt dieser Prüfkörper im Mittel eine lokale Ausdehnung von ca. εth = 0,3 %. Die lokalen Ausdehnungskurven weichen dabei nur geringfügig voneinander ab. Die thermische Ausdehnung im Temperaturintervall von 10 °C bis 62 °C (siehe: Schrumpfversuch) verläuft auch hier nichtlinear in Analogie zur konventionellen Schrumpfmessung. Ab ca. 65 °C tritt dann der Schrumpfungsprozess ein, der bedingt durch die höhere Molekülbeweglichkeit zur Kontraktion des Prüfkörpers und zur Rückstellung der verarbeitungstechnisch bedingten Orientierungen führt. Hier ist zu erkennen, dass in den verschiedenen lokalen Messbereichen deutlich differierende Schrumpfdehnungen auftreten. In angussfernen Bereich (grüne Kurve in Bild 5b) liegt die geringste Orientierung vor, wodurch auch die Schrumpfdehnungen am kleinsten sind. Die angussnahe Zone mit der maximalen Orientierung zeigt eine wesentlich größere Schrumpfung bis über 6 % lokale Dehnung (rote Kurve in Bild 5b). Ab 75 °C wird die Temperierkammer gekühlt, um den neuen, entropisch günstigeren Zustand des Prüfkörpers zu fixieren. Danach erfolgt dann eine nahezu lineare Rückstellung der thermischen Ausdehnung, die im Endzustand verschiedene lokale Dehnungen εs bzw. Schrumpfungen S hervorruft, die mit dem Orientierungszustand des Prüfkörpers korrespondieren. Aufgrund der Volumenkonstanz nehmen dabei die Breite und Dicke des Prüfkörpers zu, was in der Regel jedoch nicht messtechnisch erfasst wird.
Bild 5: | TDA-Messungen an einem PVC-Prüfkörper mit (a) einem Laser-TMA-Scanner im Temperaturintervall von 10 bis 75 °C und (b) Darstellung der Messergebnisse des lokalen Schrumpfs |
Literaturhinweise
[1] | Bierögel, C.: Prüfkörperherstellung. In: Grellmann, W., Seidler, S. (Hrsg.): Kunststoffprüfung. Carl Hanser Verlag, München (2015) 3. Auflage, S. 17–42 (ISBN 978-3-446-44350-1; siehe AMK-Büchersammlung unter A 18) |
[2] | Grellmann, W., Bierögel, C., Sirch, C., Oluschinski, A.: Thermische Spannungs- und Dehnungsanalyse an Kunststoffen. In: Pohl, M.: Konstruktion, Werkstoffentwicklung und Schadensanalyse, Tagung „Werkstoffprüfung“ 2010, 2.–3. Dezember 2010 Neu-Ulm, Tagungsband S. 365–370 (ISBN 978-3-514-00778-9; siehe AMK-Büchersammlung unter M 18) |