Zugversuch Wahres Spannungs-Dehnungs-Diagramm: Unterschied zwischen den Versionen

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==Technisches Spannungs-Dehnungs-Diagramm==
 
==Technisches Spannungs-Dehnungs-Diagramm==
Im [[Zugversuch|konventionellen]] als auch geregelten Zugversuch (siehe: [[Zugversuch Regelung]]) an [[Kunststoffe]]n wird das scheinbare, technische oder das sogenannte Ingenieur Kraft-Verlängerungs-Diagramm ermittelt. Die [[Messgröße]]n im Zugversuch sind die Kraft und die resultierende Verlängerung eines [[Prüfkörper]]s, wobei die Verlängerung nominell über die Traversenwegmessung oder normativ mittels [[Zugversuch Wegmesstechnik|Dehnmessfühlern]] am Prüfkörper bestimmt wird. Der Vorteil der normativen Messung ist darin begründet, dass Einflüsse der Eigenverformung der [[Materialprüfmaschine|Universalprüfmaschine]] wie z. B. die [[Maschinennachgiebigkeit]] nicht in das Messsignal eingehen. Infolge dieser Einflüsse ist die nominelle Verlängerung bzw. Dehnung immer größer als der normative Wert und der [[Elastizitätsmodul|E-Modul]], der mit nomineller Dehnungsmessung ermittelt wird, ist kleiner als der normative [[Kennwert]]. Da die [[Messwert]]e Kraft F und Verlängerung &Delta;L von der Geometrie der verwendeten Prüfkörper abhängen, werden diese Werte auf die Ausgangsdaten A<sub>0</sub> und L<sub>0</sub> (Gln. 1–3) bezogen, wodurch sich die technische Spannung &sigma; und die technische Dehnung als normativer Wert &epsilon; oder nominelle [[Werkstoffkenngröße|Kenngröße]] &epsilon;<sub>t</sub> ergeben.
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Im [[Zugversuch|konventionellen]] als auch geregelten Zugversuch (siehe: [[Zugversuch Regelung]]) an [[Kunststoffe]]n wird das scheinbare, technische oder das sogenannte Ingenieur-Kraft-Verlängerungs-Diagramm ermittelt. Die [[Messgröße]]n im [[Zugversuch]] sind die Kraft und die resultierende Verlängerung eines [[Prüfkörper]]s, wobei die Verlängerung nominell über die Traversenwegmessung oder normativ mittels [[Zugversuch#Zugversuch.2C_Wegmesstechnik|Dehnmessfühlern]] am Prüfkörper bestimmt wird. Der Vorteil der normativen Messung ist darin begründet, dass Einflüsse der Eigenverformung der [[Materialprüfmaschine|Universalprüfmaschine]], wie z. B. die [[Maschinennachgiebigkeit]], nicht in das Messsignal eingehen. Infolge dieser Einflüsse ist die nominelle Verlängerung bzw. Dehnung immer größer als der normative Wert und der [[Elastizitätsmodul|E-Modul]], der mit nomineller Dehnungsmessung ermittelt wird, ist kleiner als der normative [[Kennwert]]. Da die [[Messwert]]e Kraft F und Verlängerung &Delta;L von der Geometrie der verwendeten Prüfkörper abhängen, werden diese Werte auf die Ausgangsdaten A<sub>0</sub> und L<sub>0</sub> (Gln. 1–3) bezogen, wodurch sich die technische Spannung &sigma; und die technische Dehnung als normativer Wert &epsilon; oder nominelle [[Werkstoffkenngröße|Kenngröße]] &epsilon;<sub>t</sub> ergeben.
  
 
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Für anspruchsvolle Dimensionierungsaufgaben sowie die Auslegung komplexer [[Kunststoffbauteil]]e mittels Finite Elemente Methode (FEM) sind diese Kennwerte nicht geeignet, da in diesem Fall das wahre Spannungs-Dehnungs-Diagramm und daraus ableitbare Kennwerte benutzt werden müssen. Das wahre Spannungs-Dehnungs-Diagramm beruht auf der Benutzung der aktuellen, zeitlich veränderlichen, Querschnittsfläche sowie der variierenden Ausgangsmesslänge. Dies lässt sich am Beispiel des Walz- bzw. Kalandrierprozesses am  besten verdeutlichen ('''Bild 1''').
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Für anspruchsvolle Dimensionierungsaufgaben sowie die Auslegung komplexer [[Kunststoffbauteil]]e mittels Finite-Elemente-Methode (FEM) sind diese Kennwerte nicht geeignet, da in diesem Fall das wahre Spannungs-Dehnungs-Diagramm und daraus ableitbare Kennwerte benutzt werden müssen. Das wahre Spannungs-Dehnungs-Diagramm beruht auf der Benutzung der aktuellen, zeitlich veränderlichen, Querschnittsfläche sowie der variierenden Ausgangsmesslänge. Dies lässt sich am Beispiel des Walz- bzw. Kalandrierprozesses am  besten verdeutlichen ('''Bild 1''').
  
 
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Betrachtet man den konventionellen oder [[Zugversuch Regelung|geregelten Zugversuch]], dann erkennt man, dass die Ausgangsquerschnittsfläche A<sub>0</sub> nur zum Versuchsbeginn vorliegt. Der aktuelle Querschnitt, der sich im [[ebener Spannungszustand|ebenen Spannungszustand (ESZ)]] des [[Prüfkörper]]s entsprechend der [[Querkontraktion|Poissonzahl]] des Werkstoffes ständig verringert, wird selbst im Gebiet der [[Zugversuch Gleichmaßdehnung|Gleichmaßdehnung]] nicht gemessen. Mit dem Auftreten einer Einschnürfront bei duktilen [[Kunststoffe]]n treten noch größere Probleme auf, da dann eine Lokalisierung der Dehnung mit örtlich verringertem Querschnitt registriert wird, die mit konventionellen Prüfmethoden nicht erfasst werden kann, da die minimale Dicke durch die Prüftechnik verfolgt werden muss. Für diesen Fall können nur ortsauflösende [[hybride Methoden|hybride Prüfmethoden]], wie die [[Laserextensometrie|Laser-]] oder [[Videoextensometrie]] sowie die digitale Grauwert-Korrelations-Analyse (DIC) oder die ESPI (Electronic Speckle Pattern Interferometry) bzw. die Shearografie genutzt werden. Hinsichtlich der Messung der Dehnung wird aus '''Bild 2''' im Vergleich zu '''Bild 1''' ersichtlich, dass sich die Ausgangsmesslänge L<sub>0</sub> und die Bezugspunkte 1 und 2 während des Zugversuchs verändern, wodurch keine direkte Darstellung der wahren Dehnung ermöglicht wird.  
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Betrachtet man den konventionellen oder [[Zugversuch Regelung|geregelten Zugversuch]], dann erkennt man, dass die Ausgangsquerschnittsfläche A<sub>0</sub> nur zum Versuchsbeginn vorliegt. Der aktuelle Querschnitt, der sich im [[ebener Spannungszustand|ebenen Spannungszustand (ESZ)]] des [[Prüfkörper]]s entsprechend der [[Querkontraktion|Poissonzahl]] des Werkstoffes ständig verringert, wird selbst im Gebiet der [[Zugversuch Gleichmaßdehnung|Gleichmaßdehnung]] nicht gemessen. Mit dem Auftreten einer Einschnürfront bei duktilen [[Kunststoffe]]n treten noch größere Probleme auf, da dann eine Lokalisierung der Dehnung mit örtlich verringertem Querschnitt registriert wird, die mit konventionellen Prüfmethoden nicht erfasst werden kann, da die minimale Dicke durch die Prüftechnik verfolgt werden muss. Für diesen Fall können nur ortsauflösende [[hybride Methoden|hybride Prüfmethoden]], wie die [[Laserextensometrie|Laser-]] oder [[Videoextensometrie]] sowie die digitale Grauwert-Korrelations-Analyse (DIC) oder die ESPI ([[Electronic-Speckle-Pattern-Interferometrie]]) bzw. die [[Shearographie]] genutzt werden. Hinsichtlich der Messung der Dehnung wird aus '''Bild 2''' im Vergleich zu '''Bild 1''' ersichtlich, dass sich die Ausgangsmesslänge L<sub>0</sub> und die Bezugspunkte 1 und 2 während des Zugversuchs verändern, wodurch keine direkte Darstellung der wahren Dehnung ermöglicht wird.  
  
 
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Dies ist nur durch die Anwendung von Gl. (5) oder (6) möglich, wo der wahre Dehnungswert aus der gemessenen nominellen oder normativen Dehnung berechnet wird. Bei Anwendung konventioneller Dehnmessmethoden z. B. mittels Dehnmessfühlern oder Ansetzdehnungsaufnehmern (siehe: [[Zugversuch#Zugversuch, Wegmesstechnik|Zugversuch Wegmesstechnik]]) versagt die Messung auch, wenn lokale Dehnungsüberhöhungen infolge von Einschnürfronten auftreten, da sich dann die Initialmesslänge ständig verändert und über lokale Dehnmessmethoden verfolgt werden müsste. Technische Möglichkeiten zur Registrierung und Verfolgung von Einschnürfronten sind mit dem [[Laser-Längs-Quer-Scanner]] vorhanden und die wahre Dehnung kann mittels eines [[Laser-Doppler-Scanner]]s (Laser-Anemometer) direkt gemessen werden ('''Bild 3''').  
  
 
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Im letzteren Fall werden zwei Messfenster auf der [[Oberfläche]] des [[Prüfkörper]]s beobachtet, in denen jeweils Interferenzmuster aus zwei Laserstrahlen infolge durchlaufender Oberflächenrauigkeiten des Prüfkörpers während des [[Zugversuch]]s verändert werden. Aus der Dopplerfrequenz kann dann die Geschwindigkeit und der Weg der Speckles berechnet werden, wodurch sich dann die wahre Dehnung im Messintervall ergibt.   
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Im letzteren Fall werden zwei Messfenster auf der [[Oberfläche]] des [[Prüfkörper]]s beobachtet, in denen jeweils Interferenzmuster aus zwei Laserstrahlen infolge durchlaufender Oberflächenrauigkeiten des Prüfkörpers während des [[Zugversuch]]s verändert werden. Aus der Dopplerfrequenz kann dann die [[Geschwindigkeit]] und der Weg der Speckles berechnet werden, wodurch sich dann die wahre Dehnung im Messintervall ergibt.   
  
 
==Wahre Spannungs-Dehnungs-Diagramme für Polymethylmethacrylat==
 
==Wahre Spannungs-Dehnungs-Diagramme für Polymethylmethacrylat==
  
Für praktische Belange, wie die Auslegung und Dimensionierung von [[Kunststoffbauteil]]en, sind Deformationen bis zur Streckspannung zu vermeiden, wodurch sich die Ermittlung von wahren Spannungs-Dehnungs-Diagrammen vereinfacht. Zu diesem Zweck werden Spannungs-Dehnungs-Diagramme bzw. Spannungs-Zeit- und Dehnungs-Zeit-Diagramme als auch Querdehnungs-Zeit-Kurven entsprechend '''Bild 2''' für mindestens 5 Prüfkörper bei einer definierten [[Prüfgeschwindigkeit]] bis zum Erreichen der [[Streckspannung]] oder der [[Zugfestigkeit]] aufgenommen. Unter der Annahme, dass sich die Querdehnung in Dicken- und Breitenrichtung identisch verhalten, kann die wahre Spannung aus der technischen Spannung unter Kenntnis der veränderlichen Querschnittsfläche A(t) mittels Gl. (8) berechnet werden, wobei sich die wahre Dehnung aus Gl. (5) oder (6) ergibt.
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Für praktische Belange, wie die Auslegung und Dimensionierung von [[Kunststoffbauteil]]en, sind [[Deformation]]en bis zur [[Streckspannung]] zu vermeiden, wodurch sich die Ermittlung von wahren Spannungs-Dehnungs-Diagrammen vereinfacht. Zu diesem Zweck werden Spannungs-Dehnungs-Diagramme bzw. Spannungs-Zeit- und Dehnungs-Zeit-Diagramme als auch Querdehnungs-Zeit-Kurven für mindestens 5 Prüfkörper bei einer definierten [[Prüfgeschwindigkeit]] bis zum Erreichen der [[Streckspannung]] oder der [[Zugfestigkeit]] aufgenommen. Unter der Annahme, dass sich die Querdehnung in Dicken- und Breitenrichtung identisch verhalten, kann die wahre Spannung aus der technischen Spannung unter Kenntnis der veränderlichen Querschnittsfläche A(t) mittels Gl. (8) berechnet werden, wobei sich die wahre Dehnung aus Gl. (5) oder (6) ergibt.
  
 
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|Bierögel, C.: Zugversuch an Kunststoffen. In: Grellmann, W., [[Seidler,_Sabine|Seidler, S.]] (Hrsg.): Kunststoffprüfung. Carl Hanser Verlag, München (2015) 3. Auflage, S. 117–137 (ISBN 978-3-446-44350-1; siehe [[AMK-Büchersammlung]] unter A 18)
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|[[Bierögel, Christian|Bierögel, C.]]: Zugversuch an Kunststoffen. In: [[Grellmann,_Wolfgang|Grellmann, W.]], [[Seidler,_Sabine|Seidler, S.]] (Hrsg.): Kunststoffprüfung. Carl Hanser Verlag, München (2015) 3. Auflage, S. 117–137 (ISBN 978-3-446-44350-1; siehe [[AMK-Büchersammlung]] unter A 18)
 
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|Lüpke, T.: Grundlagen mechanischen Verhaltes. In: Grellmann, W., Seidler, S. (Hrsg.): Kunststoffprüfung. Carl Hanser Verlag, München (2015) 3. Auflage, S. 79–96 (ISBN 978-3-446-44350-1; siehe [[AMK-Büchersammlung]] unter A 18)
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|Lüpke, T.: Grundlagen mechanischen Verhaltes. In: [https://www.researchgate.net/profile/Wolfgang-Grellmann Grellmann, W.], Seidler, S. (Hrsg.): Kunststoffprüfung. Carl Hanser Verlag, München (2015) 3. Auflage, S. 79–96 (ISBN 978-3-446-44350-1; siehe [[AMK-Büchersammlung]] unter A 18)
  
 
[[Kategorie:Zugversuch]]
 
[[Kategorie:Zugversuch]]

Aktuelle Version vom 11. Juli 2024, 11:13 Uhr

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Zugversuch Wahres Spannungs-Dehnungs-Diagramm

Technisches Spannungs-Dehnungs-Diagramm

Im konventionellen als auch geregelten Zugversuch (siehe: Zugversuch Regelung) an Kunststoffen wird das scheinbare, technische oder das sogenannte Ingenieur-Kraft-Verlängerungs-Diagramm ermittelt. Die Messgrößen im Zugversuch sind die Kraft und die resultierende Verlängerung eines Prüfkörpers, wobei die Verlängerung nominell über die Traversenwegmessung oder normativ mittels Dehnmessfühlern am Prüfkörper bestimmt wird. Der Vorteil der normativen Messung ist darin begründet, dass Einflüsse der Eigenverformung der Universalprüfmaschine, wie z. B. die Maschinennachgiebigkeit, nicht in das Messsignal eingehen. Infolge dieser Einflüsse ist die nominelle Verlängerung bzw. Dehnung immer größer als der normative Wert und der E-Modul, der mit nomineller Dehnungsmessung ermittelt wird, ist kleiner als der normative Kennwert. Da die Messwerte Kraft F und Verlängerung ΔL von der Geometrie der verwendeten Prüfkörper abhängen, werden diese Werte auf die Ausgangsdaten A0 und L0 (Gln. 1–3) bezogen, wodurch sich die technische Spannung σ und die technische Dehnung als normativer Wert ε oder nominelle Kenngröße εt ergeben.

(1)


(2)


(3)

Die sich hieraus ableitbaren Kenngrößen des Zugversuchs können für einfache konstruktive Anwendungen, die Werkstoffauswahl und die Werkstoffentwicklung bzw. Qualitätssicherung verwendet werden.

Wahres Spannungs-Dehnungs-Diagramm

Für anspruchsvolle Dimensionierungsaufgaben sowie die Auslegung komplexer Kunststoffbauteile mittels Finite-Elemente-Methode (FEM) sind diese Kennwerte nicht geeignet, da in diesem Fall das wahre Spannungs-Dehnungs-Diagramm und daraus ableitbare Kennwerte benutzt werden müssen. Das wahre Spannungs-Dehnungs-Diagramm beruht auf der Benutzung der aktuellen, zeitlich veränderlichen, Querschnittsfläche sowie der variierenden Ausgangsmesslänge. Dies lässt sich am Beispiel des Walz- bzw. Kalandrierprozesses am besten verdeutlichen (Bild 1).

Z w diagramm 1.jpg

Bild 1: Wahre Spannung und Dehnung beim Kalandrierprozess von Kunststoffen

Wird während des Extrudierens der Strangdurchmesser d oder beim Kalandrieren die Plattendicke d online z. B. mittels einer Schattenbildtechnik vermessen, dann ergibt sich daraus der aktuelle Querschnitt A, der von der Düsengeometrie und der Abzugsgeschwindigkeit bzw. dem Reckgrad abhängt. Mit der Messung der aktuellen Abzugskraft und dem Strangdurchmesser bzw. der Plattendicke lässt sich dann die wahre Spannung nach Gl. (4) ermitteln.

(4)

Bestimmt man aus der konstanten Länge zwischen Düse und Walzenkontaktpunkt L die jeweilige aktuelle Verlängerung des Produkts ΔLt (Bild 1), dann ergibt sich daraus die wahre normative oder nominelle Dehnung εw bzw. εtw nach Gl. (5) oder (6).

(5)


(6)

Damit ergibt sich die wahre Abzugsgeschwindigkeit bzw. Dehnrate nach Gl. (7).

(7)

Nominelle und Normative Dehnungsmessung im Zugversuch

Betrachtet man den konventionellen oder geregelten Zugversuch, dann erkennt man, dass die Ausgangsquerschnittsfläche A0 nur zum Versuchsbeginn vorliegt. Der aktuelle Querschnitt, der sich im ebenen Spannungszustand (ESZ) des Prüfkörpers entsprechend der Poissonzahl des Werkstoffes ständig verringert, wird selbst im Gebiet der Gleichmaßdehnung nicht gemessen. Mit dem Auftreten einer Einschnürfront bei duktilen Kunststoffen treten noch größere Probleme auf, da dann eine Lokalisierung der Dehnung mit örtlich verringertem Querschnitt registriert wird, die mit konventionellen Prüfmethoden nicht erfasst werden kann, da die minimale Dicke durch die Prüftechnik verfolgt werden muss. Für diesen Fall können nur ortsauflösende hybride Prüfmethoden, wie die Laser- oder Videoextensometrie sowie die digitale Grauwert-Korrelations-Analyse (DIC) oder die ESPI (Electronic-Speckle-Pattern-Interferometrie) bzw. die Shearographie genutzt werden. Hinsichtlich der Messung der Dehnung wird aus Bild 2 im Vergleich zu Bild 1 ersichtlich, dass sich die Ausgangsmesslänge L0 und die Bezugspunkte 1 und 2 während des Zugversuchs verändern, wodurch keine direkte Darstellung der wahren Dehnung ermöglicht wird.

Z w diagramm 2.jpg

Bild 2: Nominelle und normative Dehnungsmessung im Zugversuch

Dies ist nur durch die Anwendung von Gl. (5) oder (6) möglich, wo der wahre Dehnungswert aus der gemessenen nominellen oder normativen Dehnung berechnet wird. Bei Anwendung konventioneller Dehnmessmethoden z. B. mittels Dehnmessfühlern oder Ansetzdehnungsaufnehmern (siehe: Zugversuch Wegmesstechnik) versagt die Messung auch, wenn lokale Dehnungsüberhöhungen infolge von Einschnürfronten auftreten, da sich dann die Initialmesslänge ständig verändert und über lokale Dehnmessmethoden verfolgt werden müsste. Technische Möglichkeiten zur Registrierung und Verfolgung von Einschnürfronten sind mit dem Laser-Längs-Quer-Scanner vorhanden und die wahre Dehnung kann mittels eines Laser-Doppler-Scanners (Laser-Anemometer) direkt gemessen werden (Bild 3).

Z w diagramm 3.jpg

Bild 3: Nominelle und normative Dehnrate eines Prüfkörpers

Im letzteren Fall werden zwei Messfenster auf der Oberfläche des Prüfkörpers beobachtet, in denen jeweils Interferenzmuster aus zwei Laserstrahlen infolge durchlaufender Oberflächenrauigkeiten des Prüfkörpers während des Zugversuchs verändert werden. Aus der Dopplerfrequenz kann dann die Geschwindigkeit und der Weg der Speckles berechnet werden, wodurch sich dann die wahre Dehnung im Messintervall ergibt.

Wahre Spannungs-Dehnungs-Diagramme für Polymethylmethacrylat

Für praktische Belange, wie die Auslegung und Dimensionierung von Kunststoffbauteilen, sind Deformationen bis zur Streckspannung zu vermeiden, wodurch sich die Ermittlung von wahren Spannungs-Dehnungs-Diagrammen vereinfacht. Zu diesem Zweck werden Spannungs-Dehnungs-Diagramme bzw. Spannungs-Zeit- und Dehnungs-Zeit-Diagramme als auch Querdehnungs-Zeit-Kurven für mindestens 5 Prüfkörper bei einer definierten Prüfgeschwindigkeit bis zum Erreichen der Streckspannung oder der Zugfestigkeit aufgenommen. Unter der Annahme, dass sich die Querdehnung in Dicken- und Breitenrichtung identisch verhalten, kann die wahre Spannung aus der technischen Spannung unter Kenntnis der veränderlichen Querschnittsfläche A(t) mittels Gl. (8) berechnet werden, wobei sich die wahre Dehnung aus Gl. (5) oder (6) ergibt.

mit (8)

Z w diagramm 4.jpg

Bild 4: Technische und wahre Spannungs-Dehnungs-Diagramme für Polymethylmetacrylat (Kurzzeichen: PMMA) in Abhängigkeit von der Prüftemperatur

Mittels eines Regressionsverfahrens für die jeweiligen 5 Prüfkörper können dann die wahren und technischen Spannungs-Dehnungs-Diagramme angegeben werden (Bild 4).


Literaturhinweise

[1] Bierögel, C.: Zugversuch an Kunststoffen. In: Grellmann, W., Seidler, S. (Hrsg.): Kunststoffprüfung. Carl Hanser Verlag, München (2015) 3. Auflage, S. 117–137 (ISBN 978-3-446-44350-1; siehe AMK-Büchersammlung unter A 18)
[2] Lüpke, T.: Grundlagen mechanischen Verhaltes. In: Grellmann, W., Seidler, S. (Hrsg.): Kunststoffprüfung. Carl Hanser Verlag, München (2015) 3. Auflage, S. 79–96 (ISBN 978-3-446-44350-1; siehe AMK-Büchersammlung unter A 18)