Dynamisch-Mechanische Analyse (DMA) – Torsionsbeanspruchung: Unterschied zwischen den Versionen

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|Lüpke, T.: Grundlagen mechanischen Verhaltens. In: Grellmann, W., [[Seidler,_Sabine|Seidler, S.]] (Hrsg.): Kunststoffprüfung. Carl Hanser Verlag, München (2015) 3. Auflage S. 91/92, (ISBN 978-3-446-44350-1; siehe [[AMK-Büchersammlung]] unter A 18)
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|Lüpke, T.: Grundlagen mechanischen Verhaltens. In: [[Grellmann,_Wolfgang|Grellmann, W.]], [[Seidler,_Sabine|Seidler, S.]] (Hrsg.): Kunststoffprüfung. Carl Hanser Verlag, München (2024) 4. Auflage, S. 96–98 (ISBN 978-3-446-44718-9; E-Book: ISBN 978-3-446-48105-3; siehe [[AMK-Büchersammlung]] unter A 23)
 
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|DIN EN ISO 6721-1 (2011-08): Kunststoffe – Bestimmung dynamisch-mechanischer Eigenschaften – Teil 1: Allgemeine Grundlagen
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|DIN EN ISO 6721-1 (2019-09): Kunststoffe – Bestimmung dynamisch-mechanischer Eigenschaften – Teil 1: Allgemeine Grundlagen
 
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|DIN EN ISO 6721-2 (2008-09): Kunststoffe − Bestimmung dynamisch-mechanischer Eigenschaften − Teil 2: Torsionspendel-Verfahren
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|DIN EN ISO 6721-2 (2019-09): Kunststoffe − Bestimmung dynamisch-mechanischer Eigenschaften − Teil 2: Torsionspendel-Verfahren
 
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Aktuelle Version vom 8. Oktober 2024, 08:45 Uhr

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Dynamisch-Mechanische Analyse (DMA) − Torsionsbeanspruchung

Grundlagen

Die dynamisch-mechanische Analyse (DMA) oder dynamisch mechanisch thermische Analyse (DMTA) unter Nutzung der Torsionsbeanspruchung kann grundsätzlich mit zwei Prüfverfahren,

  • den erzwungenen Schwingungen und
  • den freien gedämpften Schwingungen

durchgeführt werden.

Bei der dynamisch-mechanischen Analyse wird ein Prüfkörper mit einer vorgegebenen Geometrie einer periodisch wechselnden Beanspruchung ausgesetzt. Durch die Variation der Frequenz ist die Charakterisierung der Zeitabhängigkeit des Werkstoffverhaltens bei konstanter Temperatur möglich. Wenn diese Untersuchungen in einer Temperierkammer durchgeführt werden, wird die Prüfmethode als DMTA bezeichnet und es wird die Temperaturabhängigkeit für die zu untersuchenden Werkstoffe charakterisiert. Die DMA zeichnet sich dadurch aus, dass für die Ermittlung viskoelastischer Kennwerte in einem weiten Frequenzbereich nur relativ kurze Versuchszeiten erforderlich sind. Darüber hinaus ist es vergleichsweise einfach möglich, das Werkstoffverhalten in Abhängigkeit von der Temperatur mittels der dynamisch-mechanisch thermischen Analyse (DMTA) zu untersuchen, wobei hier jedoch infolge der notwendigen Temperaturstabilität längere Versuchszeiten erforderlich sind [1−3].

Verfahren mit erzwungenen Schwingungen

Für die Charakterisierung der viskoelastischen Eigenschaften von Kunststoffen unter Verwendung erzwungener Schwingungen wird der Prüfkörper einer sinusförmig wechselnden mechanischen Beanspruchung mit konstanter Frequenz und konstanter Amplitude ausgesetzt (Bild 1). Bei linear-viskoelastischem Verhalten weisen die zeitlichen Änderungen von Spannung τ und Deformation γ im eingeschwungenen Zustand die gleiche Frequenz aber unterschiedliche Phasenlagen auf.

DMA Torsionsbeanspruchung-1.jpg

Bild 1: Zeitliche Änderung von Spannung und Dehnung bei dynamisch-mechanischer Analyse unter Verwendung erzwungener Schwingungen

Der Wert δ ist der Phasenwinkel, der im Bereich zwischen 0 und π/2 liegt. Für den Fall einer Schubspannungsbeanspruchung gelten die Gln. (1) und (2).

(1)
(2)

Infolge der Phasenverschiebung δ zwischen Beanspruchung (Spannung) und der Verformung (Scherung) ist zur Beschreibung des Spannungs-Scherungs-Zusammenhanges der Modul als komplexe Größe G* nach der Gl. (3) einzuführen.

(3)

Der komplexe Modul kann als Vektor in der komplexen Zahlenebene betrachtet werden (Bild 2), dessen Richtung durch den Phasenwinkel δ und dessen Betrag durch das Verhältnis der Amplitudenwerte von Spannung und Dehnung gegeben ist.

DMA Torsionsbeanspruchung-2.jpg

Bild 2: Darstellung des Moduls G* in der komplexen Zahlenebene

Der Absolutbetrag des jeweiligen Moduls ergibt sich aus dem Verhältnis der Initialbeanspruchung zur Ausgangsverformung nach der Gl. (4).

(4)

Unter Verwendung einfacher trigonometrischer Beziehungen ist eine Aufteilung in den Realteil G‘ und den Imaginärteil G‘‘ möglich, die mit den Gln. (5) und (6) vorgenommen wird. Der Realteil G‘ wird als Speichermodul bezeichnet und ist ein Maß für die während einer Schwingungsperiode gespeicherte reversible Energie Wrev. Der Imaginäranteil G‘‘ entspricht der in der Periode dissipierten Energie Wirrev und wird Verlustmodul genannt. Aus dem Verhältnis von Verlust- zu Speichermodul ergibt sich der Verlustfaktor d = tan δ, welcher das Dämpfungsverhalten des Werkstoffs nach den Gln. (7).

(5)
(6)
(7)

Das Verfahren der erzwungenen Torsionsschwingungen ist auf Frequenzen unterhalb der Resonanzfrequenz des Prüfkörpers beschränkt. Kommerzielle Geräte arbeiten im Bereich von ca. 10-2 Hz bis 102 Hz, wobei als Messgröße die Leistungsaufnahme des Antriebmotors dient. Wird z. B. infolge der Erhöhung der Prüftemperatur der Glasübergang (siehe: Glastemperatur) erreicht, dann steigt die Dämpfung (Bild 3) stark an und die Leistung des Motors muss zur Aufrechterhaltung der Prüffrequenz und Spannungs- oder Verformungsamplitude erhöht werden.

DMA Torsionsbeanspruchung-3.jpg

Bild 3: Speichermodul G‘ und Verlustfaktor tan δ von Polypropylen (Kurzzeichen: PP)

Die Messung kann sowohl dehnungs- als auch spannungsgeregelt erfolgen, was die Bestimmung des komplexen Moduls G* und der komplexen Nachgiebigkeit C* = 1 / G* ermöglicht. Dies gestattet die Ermittlung komplexer Schermoduli in einem weiten Steifigkeitsbereich von ca. 10-3 MPa bis 106 MPa. Der größte Nachteil des Verfahrens liegt allerdings in der geringen Empfindlichkeit bei der Messung von Kunststoffen mit sehr kleiner Dämpfung (tan δ < 0,01), d. h. sehr steifen oder hochmoduligen Werkstoffen (siehe: Elastizitätsmodul Beispiele Kennwertermittlung). Auf Grund ihrer hohen Anwendungsbreite besitzen Prüfverfahren mit erzwungenen Schwingungen heute eine dominierende Rolle bei der dynamisch-mechanischen Analyse polymerer Werkstoffe.

Bei der dynamisch-mechanischen Analyse oder Spektroskopie mittels Torsionsbeanspruchung werden in seltenen Fällen spezielle Torsions- oder hybride Prüfmaschinen für große Kräfte eingesetzt. In den meisten Anwendungen nutzt man jedoch Tischprüfsysteme (Stand Alone Systeme) für kleinere Prüfkräfte. Gemeinsam ist allen Verfahren, dass die Deformation des Prüfkörpers sehr klein ist und den linear-viskoelastischen Bereich nicht überschreiten sollte. Infolge dieser kleinen Verformungen sind mit der DMA oder DMTA im Temperaturintervall von ca. –180 °C bis 400 °C hohe Prüffrequenzen bei mechanischer Anregung bis zu 100 Hz realisierbar.
In der Kunststoffprüfung mittels DMA oder DMTA werden die Versuche normalerweise kraft- oder dehnungsgeregelt durchgeführt (siehe: Dynamisch-Mechanische Analyse (DMA) – Zugbeanspruchung). Der primäre Regelkreis dient zur Konstanthaltung der Spannungs- oder Verformungsamplitude, während der zweiter Regelkreis die konstante Mittelspannung oder -dehnung überwacht, um die Spannungsrelaxation oder das Kriechen des Prüfkörpers zu kompensieren. Teilwiese wird noch ein dritter Regelkreis eingesetzt der, die Verluste in der Steifigkeit während der Messung ausgleicht.

DMA Torsionsbeanspruchung-4.jpg

Bild 4: Speichermodul G‘ und Verlustfaktor tan δ von Polypropylen (Kurzzeichen: PP)

Bei den Tischprüfsystemen existiert in Abhängigkeit von der Prüfkraft und der Ausstattung ebenfalls eine große Auswahl an kommerziellen Prüfsystemen, wobei diese in der Regel mit Zusatzeinrichtungen wie Dehnungssensoren und Temperierkammern (Bild 4) ausgestattet sind.

Verfahren mit freien gedämpften Schwingungen

Die freien gedämpften Schwingungen werden eigentlich nur bei Messungen mit dem Torsionspendel angewandt, wobei hier wesentlich niedrige Messfrequenzen möglich sind. Wird ein Prüfkörper durch eine einmalige impulsartige Verformung aus seiner Ruhelage ausgelenkt, so kehrt er in freien gedämpften Schwingungen in den Gleichgewichtszustand zurück. Die Auslenkung sollte dabei den Bereich der linear-viskoelastischen Deformation nicht überschreiten. Die Eigenfrequenz der Schwingung und die zeitliche Abnahme der Schwingungsamplituden (Dämpfung) sind dabei von den viskoelastischen Eigenschaften des untersuchten Werkstoffs und der Prüftemperatur abhängig (Bild 5).
Die freien gedämpften Schwingungen werden bei Frequenzen im Bereich von 0,1 bis 10 Hz genutzt, wobei hier die Untersuchung von Werkstoffen mit geringer Dämpfung von tan δ ≤ 0,1 bevorzugt wird. Da bei Untersuchungen in Abhängigkeit von der Temperatur durch die Moduländerung eine Veränderung der Eigenfrequenz des Systems stattfindet, werden Modul-Temperatur-Kurven deshalb in der Regel bei gleitender Frequenz gemessen, wobei eine Kompensation der Frequenzänderungen über Variation des Trägheitsmoments der Schwungmasse prinzipiell möglich ist.

DMA Torsionsbeanspruchung-5.jpg

Bild 5: Frei abklingende gedämpfte Schwingung

Das Prinzip der freien gedämpften Schwingungen findet in Form des Torsionspendel-Verfahrens technische Anwendung und ist in DIN EN ISO 6721-2 [3] genormt. Der prinzipielle Aufbau eines Torsionspendels ist in Bild 6 schematisch dargestellt. Ein vorzugsweise prismatischer Prüfkörper wird an einem Ende fest eingespannt, während das anderen Ende mit einer Schwungmasse verbunden ist, die das Trägheitsmoment und damit die Eigenfrequenz des Gesamtsystems beeinflusst. Gleichzeitig ruft diese Masse allerdings auch eine Ausdehnung infolge der mechanischen und thermischen Belastung hervor (Bild 6a). Zur Vermeidung dieser überlagerten Normalspannungen in Längsrichtung des Prüfkörpers kann ein Gewichtsausgleich durch eine Kompensationsmasse (Bild 6b) verwendet werden. Durch eine impulsartige Initialauslenkung φ der Schwungmasse wird der Prüfkörper zu frei abklingenden Torsionsschwingungen angeregt, wie schematisch in Bild 6c gezeigt.

DMA Torsionsbeanspruchung-6.jpg

Bild 6: Schematische Darstellung des Aufbaus des Torsionspendels (a) ohne Gewichtsausgleich, (b) mit Gewichtsausgleich und (c) Prüfanordnung mit der Initialauslenkung φ und Prüfkörper

Aus der Eigenfrequenz der Schwingung kann der Speichermoduls G‘ nach Gl. (8) ermittelt werden [3].

(8)

Dabei ist fd die Eigenfrequenz des Pendels mit Prüfkörper und f0 die Eigenfrequenz des Pendels ohne Prüfkörper (bei Arbeit ohne Gewichtsausgleich ist f0 = 0). Als weitere Einflussgrößen sind das Trägheitsmoment Ip der Schwungmasse mit Einspannung sowie ein Dämpfungskorrekturfaktor Fd und der Geometriefaktor Fg zu berücksichtigen. Bei Verwendung von prismatischen Prüfkörpern mit der Einspannlänge L, der Breite b, der Dicke h und einem h/b-Verhältnis ≤ 6 ergibt sich der geometrische Korrekturfaktor zu Fc = 1 − 0,63 h/b, wodurch sich G‘ dann nach Gl. (9) berechnet.

(9)

Das logarithmische Dekrement Λ charakterisiert die Dämpfung des Systems. Es wird aus dem Verhältnis der Amplituden oder Elongationen aufeinanderfolgender Schwingungen bestimmt nach den Gln. (10) oder (11) bestimmt (Bild 7).

DMA Torsionsbeanspruchung-7.jpg

Bild 7: Schematische Darstellung der Messung des Dekrements aus (a) der Elongation und (b) der Amplitude
(10)
(11)

Mit dem logarithmischen Dekrement kann der Verlustmodul G‘‘ nach Gl. (12) berechnet werden.

(12)

Wird ohne Gewichtsausgleich gearbeitet, dann ist das logarithmische Dekrement des Pendels ohne Prüfkörper Λ0 gleich 0. Mit Gewichtsausgleich ergibt sich bei geringer Eigendämpfung des Pendels Λ0 << Λ für Prüfkörper mit rechteckigem Querschnitt und kleinem Verhältnis von h/b der Verlustmodul aus Gl. (13).

(13)

Aus Speicher- und Verlustmodul kann dann der Verlustfaktor tan δ nach Gl. (14) ermittelt werden. Die wesentlichen Vorteile des Torsionspendels bestehen in der Einfachheit von Aufbau und Messwerterfassung sowie in der hohen Empfindlichkeit.

(14)

Siehe auch


Literaturhinweise

[1] Lüpke, T.: Grundlagen mechanischen Verhaltens. In: Grellmann, W., Seidler, S. (Hrsg.): Kunststoffprüfung. Carl Hanser Verlag, München (2024) 4. Auflage, S. 96–98 (ISBN 978-3-446-44718-9; E-Book: ISBN 978-3-446-48105-3; siehe AMK-Büchersammlung unter A 23)
[2] DIN EN ISO 6721-1 (2019-09): Kunststoffe – Bestimmung dynamisch-mechanischer Eigenschaften – Teil 1: Allgemeine Grundlagen
[3] DIN EN ISO 6721-2 (2019-09): Kunststoffe − Bestimmung dynamisch-mechanischer Eigenschaften − Teil 2: Torsionspendel-Verfahren