Schwindung: Unterschied zwischen den Versionen
Zeile 1: | Zeile 1: | ||
{{PSM_Infobox}} | {{PSM_Infobox}} | ||
<span style="font-size:1.2em;font-weight:bold;">Schwindung</span> | <span style="font-size:1.2em;font-weight:bold;">Schwindung</span> | ||
+ | __FORCETOC__ | ||
+ | ==Begriffsbestimmung== | ||
+ | Der Begriff Schwindung beschreibt im Allgemeinen den Volumenverlust eines Werkstoffes durch Trocknungsprozesse oder durch den Herstellungsprozess wie z. B. das Gießen von Metallen bzw. das Spritzgießen von [[Kunststoffe]]n. | ||
− | + | Bei [[Kunststoffe]]n versteht man unter Schwindung die geometrische Veränderung eines Formteils (siehe: [[Formmasse]]) während des Abkühlens vom schmelzflüssigem in den festen Zustand, wodurch eine Volumenkontraktion auftritt. Im Gegensatz dazu bleibt beim Schrumpfungsprozess das Volumen erhalten (siehe: [[Schrumpfversuch]]). Der Schwindungsprozess ist nur unterhalb der [[Glastemperatur|Glasübergangstemperatur]] definiert: | |
− | |||
− | Bei [[Kunststoffe]]n versteht man unter Schwindung die geometrische Veränderung eines Formteils während des Abkühlens vom schmelzflüssigem in den festen Zustand, wodurch eine Volumenkontraktion auftritt. Im Gegensatz dazu bleibt beim Schrumpfungsprozess das Volumen erhalten. Der Schwindungsprozess ist nur unterhalb der [[Glastemperatur|Glasübergangstemperatur]] definiert: | ||
{| | {| | ||
|- | |- | ||
Zeile 12: | Zeile 13: | ||
|} | |} | ||
− | Die Schwindung in Kunststoffen kann sowohl beim Herstellungsprozess als auch im betrieblichen Einsatz auftreten. Feste Schwindungsmaße wie bei Metallen und Metalllegierungen lassen sich nicht angeben, weil die Kunststoffeigenschaften empfindlich von den Herstellungsparametern und verschiedenen einsatzspezifischen Zusatzstoffen abhängen. Die Schwindung hängt allerdings auch von der Zeit, den äußeren Bedingungen (den Prozessparametern wie z.B. Druck und Temperatur) sowie auch von der inneren Struktur des Kunststoffs ab, worunter [[ | + | Die Schwindung in Kunststoffen kann sowohl beim Herstellungsprozess als auch im betrieblichen Einsatz auftreten. Feste Schwindungsmaße wie bei Metallen und Metalllegierungen lassen sich nicht angeben, weil die Kunststoffeigenschaften empfindlich von den Herstellungsparametern und verschiedenen einsatzspezifischen Zusatzstoffen abhängen. Die Schwindung hängt allerdings auch von der Zeit, den äußeren Bedingungen (den Prozessparametern wie z. B. Druck und Temperatur) sowie auch von der inneren Struktur des Kunststoffs ab, worunter [[Zugversuch Eigenspannungen Orientierungen|Eigenspannungen, Orientierungen]] und [[Kristallinität]] sowie Verstärkungen (Fasern und Füllstoffe) zu verstehen sind. Teilkristalline und verstärkte [[Kunststoffe]] zeigen dabei eine höhere Neigung zur Schwindung als amorphe, spritzgegossene [[Kunststoffe]]. |
+ | |||
+ | ==Arten der Schwindung== | ||
Man unterscheidet drei verschiede Schwindungsarten: | Man unterscheidet drei verschiede Schwindungsarten: | ||
Zeile 20: | Zeile 23: | ||
* Nachschwindung. | * Nachschwindung. | ||
− | Die Entformungsschwindung, infolge der Volumenkontraktion, wird unmittelbar nach dem Auswerfen des Formteiles mittels einer genormten Platte aus dem Werkzeug gemessen. Falls der Abkühlprozess des Kunststoffes in einem Formnest ( | + | Die Entformungsschwindung, infolge der Volumenkontraktion, wird unmittelbar nach dem Auswerfen des [[Formmasse|Formteiles]] mittels einer genormten Platte aus dem Werkzeug gemessen. Falls der Abkühlprozess des Kunststoffes in einem Formnest (Tool) stattfindet, müssen an dem [[Formmasse|Formteil]] definierte Entformungsneigungen angebracht werden, um das Teil nicht während des Entformungsprozesses durch die Auswerfer zu zerstören. |
+ | |||
+ | Die Verarbeitungsschwindung S<sub>VS</sub> wird aus der Differenz der Werkzeugabmaße und des [[Formmasse|Formteiles]] nach 16 Stunden Lagerung im [[Normklimate|Normalklima]] bestimmt (DIN 16901). Zur Sicherstellung der erforderlichen konstruktiven Abmaße müssen somit beide vorhandenen Schwindungsanteile bei der [[Kunststoffbauteil|Dimensionierung des Bauteils]] durch ein dementsprechendes Übermaß berücksichtigt werden. | ||
+ | |||
+ | Die darauffolgende Nachschwindung S<sub>NS</sub> im betrieblichen Einsatz hat ihre Ursache im [[Relaxation Kunststoffe|Relaxationsprozess]], der durch das teilweise Auflösen der Eigenspannungen geprägt ist, in einer Nachkristallisation als auch in strukturellen entropiegeprägten Neuausrichtungen der Molekülketten infolge von Umorientierungen. | ||
+ | |||
+ | Die Berechnung für alle Schwindungsarten inklusive der zeitabhängigen Schwindung erfolgt ebenfalls nach Gleichung (2), wobei dann das zeitabhängige Formteilvolumen V<sub>F</sub> (t) einzusetzen ist. | ||
+ | |||
+ | ==Ermittlung der Schwindung== | ||
Die Berechnung der Schwindung S<sub>V</sub> erfolgt dabei mittels nachstehender allgemeiner Gleichung als dimensionsloser oder prozentualer relativer [[Kennwert]] | Die Berechnung der Schwindung S<sub>V</sub> erfolgt dabei mittels nachstehender allgemeiner Gleichung als dimensionsloser oder prozentualer relativer [[Kennwert]] | ||
Zeile 30: | Zeile 41: | ||
|} | |} | ||
− | Hierbei ist V<sub>W</sub> das Volumen des Formwerkzeuges bei Normtemperatur (23 °C) und V<sub>F</sub> das Volumen des | + | Hierbei ist V<sub>W</sub> das Volumen des Formwerkzeuges bei Normtemperatur (23 °C) und V<sub>F</sub> das Volumen des [[Formmasse|Formteiles]]. |
− | |||
− | |||
− | |||
− | |||
− | |||
− | |||
− | Typische prozentuale Werte der Schwindung sind in der folgenden Tabelle aufgeführt (nach KAISER): | + | Typische prozentuale Werte der Schwindung sind in der folgenden '''Tabelle''' aufgeführt (nach KAISER): |
{| border="1px" style="border-collapse:collapse" | {| border="1px" style="border-collapse:collapse" | ||
Zeile 60: | Zeile 65: | ||
'''Literaturhinweise''' | '''Literaturhinweise''' | ||
− | * Die Maßhaltigkeit von Kunststoffformteilen. HERA AG Kunststofftechnologie, Firmen-Schrift (2006), http://www.heratech.ch/pdf/mass_kunststoff_formteilen.pdf (Zugriff am | + | * Die Maßhaltigkeit von Kunststoffformteilen. HERA AG Kunststofftechnologie, Firmen-Schrift (2006), http://www.heratech.ch/pdf/mass_kunststoff_formteilen.pdf (Zugriff am 28.07.2017) |
− | * Zöllner, Olaf: Grundlagen zur Schwindung von thermoplastischen Kunststoffen. Bayer MaterialSience, Firmenschrift (2001 | + | * Zöllner, Olaf: Grundlagen zur Schwindung von thermoplastischen Kunststoffen. Bayer MaterialSience, Firmenschrift (2001) |
* Kaiser, Wolfgang: Kunststoffchemie für Ingenieure. Carl Hanser Verlag, München Wien (2006) S. 80 ff. (siehe [[AMK-Büchersammlung]] unter N 12) | * Kaiser, Wolfgang: Kunststoffchemie für Ingenieure. Carl Hanser Verlag, München Wien (2006) S. 80 ff. (siehe [[AMK-Büchersammlung]] unter N 12) | ||
* Rudolf, Nathalie: Druckverfestigung amorpher Thermoplaste. Dissertation, Universität Erlangen-Nürnberg (2009) | * Rudolf, Nathalie: Druckverfestigung amorpher Thermoplaste. Dissertation, Universität Erlangen-Nürnberg (2009) | ||
− | * Baur, E. | + | * Baur, E., Brinkmann, S., Osswald, T. A., Schmachtenberg, E.: Saechtling Kunststofftaschenbuch. Carl Hanser Verlag, München Wien (2007) S. 733 ff. (ISBN 978-3-446-40352-9; siehe [[AMK-Büchersammlung]] unter G 4-2) |
* Illig, A.: Thermoformen in der Praxis. Carl Hanser Verlag, München Wien (2008) S. 30 ff. | * Illig, A.: Thermoformen in der Praxis. Carl Hanser Verlag, München Wien (2008) S. 30 ff. | ||
* DIN 16901 (1982): Kunststoff-Formteile – Toleranzen und Abnahmebedingungen für Längenmaße (zurückgezogen 2009-10; ersetzt durch DIN 16742 Kunststoff-Formteile) | * DIN 16901 (1982): Kunststoff-Formteile – Toleranzen und Abnahmebedingungen für Längenmaße (zurückgezogen 2009-10; ersetzt durch DIN 16742 Kunststoff-Formteile) | ||
− | * DIN 16742 (2013-10): Kunststoff-Formteile – Toleranzen und Abnahmebedingungen | + | * DIN 16742 (2013-10): Kunststoff-Formteile – Toleranzen und Abnahmebedingungen (Berichtigung DIN 16742 (2014-02)) |
* DIN EN 1842 (1997-11): Kunststoffe – Wärmehärtende Formmassen (SMC - BMC) – Bestimmung der Verarbeitungsschwindung | * DIN EN 1842 (1997-11): Kunststoffe – Wärmehärtende Formmassen (SMC - BMC) – Bestimmung der Verarbeitungsschwindung | ||
* DIN EN ISO 294-4 (2003-06): Kunststoffe – Spritzgießen von Probekörpern aus Thermoplasten –Teil 4: Bestimmung der Verarbeitungsschwindung; Berichtigung 1: 2011-09 | * DIN EN ISO 294-4 (2003-06): Kunststoffe – Spritzgießen von Probekörpern aus Thermoplasten –Teil 4: Bestimmung der Verarbeitungsschwindung; Berichtigung 1: 2011-09 | ||
+ | |||
+ | [[Kategorie:Verarbeitungsrelevante Eigenschaften]] |
Version vom 15. August 2017, 11:51 Uhr
Ein Service der |
---|
Polymer Service GmbH Merseburg |
Tel.: +49 3461 30889-50 E-Mail: info@psm-merseburg.de Web: https://www.psm-merseburg.de |
Unser Weiterbildungsangebot: https://www.psm-merseburg.de/weiterbildung |
PSM bei Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Polymer Service Merseburg |
Schwindung
Begriffsbestimmung
Der Begriff Schwindung beschreibt im Allgemeinen den Volumenverlust eines Werkstoffes durch Trocknungsprozesse oder durch den Herstellungsprozess wie z. B. das Gießen von Metallen bzw. das Spritzgießen von Kunststoffen.
Bei Kunststoffen versteht man unter Schwindung die geometrische Veränderung eines Formteils (siehe: Formmasse) während des Abkühlens vom schmelzflüssigem in den festen Zustand, wodurch eine Volumenkontraktion auftritt. Im Gegensatz dazu bleibt beim Schrumpfungsprozess das Volumen erhalten (siehe: Schrumpfversuch). Der Schwindungsprozess ist nur unterhalb der Glasübergangstemperatur definiert:
(1) |
Die Schwindung in Kunststoffen kann sowohl beim Herstellungsprozess als auch im betrieblichen Einsatz auftreten. Feste Schwindungsmaße wie bei Metallen und Metalllegierungen lassen sich nicht angeben, weil die Kunststoffeigenschaften empfindlich von den Herstellungsparametern und verschiedenen einsatzspezifischen Zusatzstoffen abhängen. Die Schwindung hängt allerdings auch von der Zeit, den äußeren Bedingungen (den Prozessparametern wie z. B. Druck und Temperatur) sowie auch von der inneren Struktur des Kunststoffs ab, worunter Eigenspannungen, Orientierungen und Kristallinität sowie Verstärkungen (Fasern und Füllstoffe) zu verstehen sind. Teilkristalline und verstärkte Kunststoffe zeigen dabei eine höhere Neigung zur Schwindung als amorphe, spritzgegossene Kunststoffe.
Arten der Schwindung
Man unterscheidet drei verschiede Schwindungsarten:
- Entformungsschwindung,
- Verarbeitungsschwindung und
- Nachschwindung.
Die Entformungsschwindung, infolge der Volumenkontraktion, wird unmittelbar nach dem Auswerfen des Formteiles mittels einer genormten Platte aus dem Werkzeug gemessen. Falls der Abkühlprozess des Kunststoffes in einem Formnest (Tool) stattfindet, müssen an dem Formteil definierte Entformungsneigungen angebracht werden, um das Teil nicht während des Entformungsprozesses durch die Auswerfer zu zerstören.
Die Verarbeitungsschwindung SVS wird aus der Differenz der Werkzeugabmaße und des Formteiles nach 16 Stunden Lagerung im Normalklima bestimmt (DIN 16901). Zur Sicherstellung der erforderlichen konstruktiven Abmaße müssen somit beide vorhandenen Schwindungsanteile bei der Dimensionierung des Bauteils durch ein dementsprechendes Übermaß berücksichtigt werden.
Die darauffolgende Nachschwindung SNS im betrieblichen Einsatz hat ihre Ursache im Relaxationsprozess, der durch das teilweise Auflösen der Eigenspannungen geprägt ist, in einer Nachkristallisation als auch in strukturellen entropiegeprägten Neuausrichtungen der Molekülketten infolge von Umorientierungen.
Die Berechnung für alle Schwindungsarten inklusive der zeitabhängigen Schwindung erfolgt ebenfalls nach Gleichung (2), wobei dann das zeitabhängige Formteilvolumen VF (t) einzusetzen ist.
Ermittlung der Schwindung
Die Berechnung der Schwindung SV erfolgt dabei mittels nachstehender allgemeiner Gleichung als dimensionsloser oder prozentualer relativer Kennwert
(2) |
Hierbei ist VW das Volumen des Formwerkzeuges bei Normtemperatur (23 °C) und VF das Volumen des Formteiles.
Typische prozentuale Werte der Schwindung sind in der folgenden Tabelle aufgeführt (nach KAISER):
Kunststoffe | Verarbeitungsschwindung (%) | Nachschwindung (%) |
---|---|---|
Thermoplast | ||
amorph | 0,2 – 0,8 | ≈ 0 |
teilkristallin | 0,2 – 3,0 | 0,2 – 2,0 |
Literaturhinweise
- Die Maßhaltigkeit von Kunststoffformteilen. HERA AG Kunststofftechnologie, Firmen-Schrift (2006), http://www.heratech.ch/pdf/mass_kunststoff_formteilen.pdf (Zugriff am 28.07.2017)
- Zöllner, Olaf: Grundlagen zur Schwindung von thermoplastischen Kunststoffen. Bayer MaterialSience, Firmenschrift (2001)
- Kaiser, Wolfgang: Kunststoffchemie für Ingenieure. Carl Hanser Verlag, München Wien (2006) S. 80 ff. (siehe AMK-Büchersammlung unter N 12)
- Rudolf, Nathalie: Druckverfestigung amorpher Thermoplaste. Dissertation, Universität Erlangen-Nürnberg (2009)
- Baur, E., Brinkmann, S., Osswald, T. A., Schmachtenberg, E.: Saechtling Kunststofftaschenbuch. Carl Hanser Verlag, München Wien (2007) S. 733 ff. (ISBN 978-3-446-40352-9; siehe AMK-Büchersammlung unter G 4-2)
- Illig, A.: Thermoformen in der Praxis. Carl Hanser Verlag, München Wien (2008) S. 30 ff.
- DIN 16901 (1982): Kunststoff-Formteile – Toleranzen und Abnahmebedingungen für Längenmaße (zurückgezogen 2009-10; ersetzt durch DIN 16742 Kunststoff-Formteile)
- DIN 16742 (2013-10): Kunststoff-Formteile – Toleranzen und Abnahmebedingungen (Berichtigung DIN 16742 (2014-02))
- DIN EN 1842 (1997-11): Kunststoffe – Wärmehärtende Formmassen (SMC - BMC) – Bestimmung der Verarbeitungsschwindung
- DIN EN ISO 294-4 (2003-06): Kunststoffe – Spritzgießen von Probekörpern aus Thermoplasten –Teil 4: Bestimmung der Verarbeitungsschwindung; Berichtigung 1: 2011-09