Kurzfaserverstärkte Verbundwerkstoffe: Unterschied zwischen den Versionen

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auch: Kurzfaserverbundwerkstoffe oder Kurzfaserverbunde
 
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==Bestimmungsmethoden==
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==Allgemeines==
Die Biegefestigkeit &sigma;<sub>fM</sub> wird im [[Biegeversuch|Dreipunkt- oder Vierpunktbiegeversuch]] [1, 4] an [[Kunststoffe]]n bzw. [[Kurzfaserverstärkte Verbundwerkstoffe|kurzfaserverstärkten Kunststoffverbunden]] bestimmt. Der Versuch an steifen und halbsteifen Kunststoffen, d. h. thermoplastischen [[Formmasse]]n, Extrudier- und Gussmassen, wird entsprechend DIN EN ISO 178 [1–3] im Dreipunktbiegeversuch durchgeführt. Für faserverstärkte Kunststoffe kann der Dreipunkt- oder Vierpunktbiegeversuch (Verfahren A oder B) entsprechend der Norm DIN EN ISO 14125 [4] genutzt werden.
 
  
==Definition der Biegefestigkeit==
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Kurzfaserverstärkte [[Thermoplaste]] sind eine Werkstoffgruppe, die mit ihren Eigenschaften eine Lücke zwischen den unverstärkten und den langfaserverstärkten polymeren Werkstoffen schließen. Ein entscheidender Aspekt des Einsatzes dieser Werkstoffgruppe ist die Verarbeitbarkeit im Spritzgussverfahren.<br>
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Während des Spritzgussprozesses wird im [[Kunststoffbauteil|Bauteil]] oder [[Prüfkörper]] eine spezifische werkstoff- und füllstoffabhängige [[Faserorientierung]] erzeugt. Sowohl der Orientierungsgrad als auch die Orientierungsverteilung der Fasern hängen von den Fließbedingungen in der Schmelze, der Geometrie des [[Formmasse|Formteils]] z. B. bei [[Prüfkörper]]n insbesondere der Dicke B, und von faserspezifischen Parametern wie Faserlänge und Faservolumenanteil ab [1–3].
  
Die Definition der Biegefestigkeit ist in beiden Standards identisch und besagt, dass die Biegefestigkeit der maximalen Biegespannung entspricht, die während eines [[Biegeversuch]]s vom [[Prüfkörper]] (siehe auch: [[Probekörper]]) ertragen wird [1–4].
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==Modelle zur Beschreibung der Glasfaserorientierung==
  
Im Gegensatz zur DIN EN ISO 14125, wo primär nur die Durchbiegung am Ort der Biegefestigkeit s<sub>M</sub> bzw. die Durchbiegung bei Biegefestigkeit als Durchbiegung bei der Kraft, bei der die Biegefestigkeit erreicht wird, ermittelt wird, ist bei der DIN EN ISO 178 die Biegedehnung &epsilon;<sub>fM</sub> bei Biegefestigkeit zu ermitteln. Die Biegefestigkeit ergibt sich im Dreipunktbiegeversuch entsprechend Gl. (1) [1–3].
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In der Literatur existieren verschiedene Modelle, die die Ausbildung von Bereichen verschiedener Orientierungen beschreiben [3–6], wobei im einfachsten Fall ein Dreischichtmodell, wie im '''Bild 1''' schematisch gezeigt, angenommen werden kann (siehe auch: [[Glasfaserorientierung]]).
 
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Im Vierpunktbiegeversuch berechnet sich die Biegefestigkeit nach der Gl. (2) [4], wobei L in beiden Gleichungen die [[Stützweite]] ist und b sowie h die Querschnittsabmessungen der Prüfkörper darstellen.
 
 
 
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Bei der Dreipunktbiegung nach DIN EN ISO 178 ergibt sich die dimensionslose Biegedehnung bei der Biegefestigkeit nach Gl. (3) oder bei Multiplikation mit 100 als Biegedehnung in Prozent. Diese Biegedehnung entspricht aufgrund der vereinfachten Biegetheorie des unverformten Prüfkörpers der symmetrischen [[Randfaserdehnung]] an der Zug- (Dehnung) oder Druckseite (Stauchung) des Prüfkörpers ('''Bild 1''').
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Zusätzlich kommt es zu Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Parametern. So wird z. B. mit zunehmendem Faservolumenanteil die mittlere Faserlänge und damit das Aspect Ratio reduziert und gleichzeitig wird die erzeugte Faserlängenverteilung schmaler [1].
  
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Das anwendungstechnische Ziel bei der Entwicklung von [[Faserverstärkte Kunststoffe|faserverstärkten Kunststoffen]] besteht insbesondere in der Erhöhung von [[Steifigkeit]], [[Festigkeit]] und Dimensionsstabilität. Mit der Erhöhung von Steifigkeit und Festigkeit ist jedoch häufig eine Abnahme der [[Zähigkeit]] verbunden. Aus diesem Grund ist für die optimale Ausnutzung der Verbundeigenschaften die Kenntnis des Werkstoffwiderstandes gegenüber Risseinleitung (siehe [[Rissinitiierung]]) und [[Rissausbreitung]] von nachhaltigem Interesse.
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Aus der gemessenen Durchbiegung s<sub>M</sub> im Vierpunktbiegeversuch kann unter Nutzung von Gl. (4) und der geometrischen Randbedingungen der Vierpunktdurchbiegung die zugehörige Biegedehnung &epsilon;<sub>fM</sub> als genäherte Randfaserdehnung nach der Norm DIN EN ISO 14125 als dimensionslose [[Kenngröße]] berechnet werden [4].
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In [7] wird gezeigt, dass in glasfaserverstärkten Polypropylen ([[Kurzzeichen]]: PP)-Werkstoffen in Abhängigkeit von den Haftungsverhältnissen (siehe [[Faser-Matrix-Haftung]]) nicht vernachlässigbare Anteile an stabilem Risswachstum auftreten können, die sich im Schlagkraft-Durchbiegungs-Diagramm in elastisch-plastischem Werkstoffverhalten und im Auftreten von [[Rissverzögerungsenergie]]n äußern. Elastisch-plastisches Werkstoffverhalten tritt auch in Laminaten auf [8, 9].
  
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==Deformationsverhalten von kurzfaserverstärkten PA6 und PA66-Werkstoffen==
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Auch in diesem Fall kann die Biegedehnung durch Multiplikation mit dem Faktor 100 als prozentualer Kennwert dargestellt werden.
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Das nachfolgende '''Bild 2''' zeigt am Beispiel der Matrixwerkstoffe PA6 und PA66 sowie eines PA6/GF-Verbundes mit φ<sub><sub>v</sub></sub> = 0,12 und eines PA66/CF-Verbundes mit φ<sub><sub>v</sub></sub> = 0,11 das prinzipielle im [[Instrumentierter Kerbschlagbiegeversuch|instrumentierten Kerbschlagbiegeversuch]] (IKBV) registrierte Schlagkraft-Durchbiegungs-Verhalten bei einer Prüfgeschwindigkeit von v<sub>H</sub> = 0,8 m/s. Die Werkstoffe weisen elastisch-plastisches Werkstoffverhalten mit anschließender instabiler [[Rissausbreitung]] auf.
  
==Auswertung von Biegeversuchen==
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[[Datei:Kurzfaserverstaerkte_verbundwerkstoffe_2.jpg|600px]]  
 
 
Eine Biegefestigkeit kann nach [1] nur dann ermittelt werden, wenn das Maximum der Biegespannungs-Biegedehnungs-Kurve im Durchbiegungsintervall von 0 &le; s &le; s<sub>C</sub> oder dem Dehnungsintervall 0 &le; &epsilon;<sub>f</sub> &le; 3,5 % liegt, welches bei 4 mm dicken Prüfkörpern einer Normdurchbiegung s<sub>C</sub> von 6 mm entspricht. Bei größeren Durchbiegungen von bis zu ca. 9 mm und Erreichen von 6 mm Durchbiegung ohne Auftreten eines Maximums ist dann die Normbiegespannung &sigma;<sub>fC</sub> zu ermitteln ('''Bild 1'''), die nicht mit der Biegefestigkeit vergleichbar ist.
 
 
 
[[Datei:Biegefest_1.jpg|450px]]
 
 
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|width="600px" |Ermittlung von [[Kennwert]]en an [[Kunststoffe]]n im [[Biegeversuch]] nach DIN EN ISO 178 [1]
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|width="600px" |Schlagkraft-Durchbiegungs-Diagramm aus dem instrumentierten Kerbschlagbiegeversuch von PA und PA-Kurzfaserverbunden
 
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Der Grenzwert von 6 mm existiert in der neuesten Ausgabe der Norm DIN EN ISO 178 [3] nicht mehr, so dass diese Regelung entfällt. Bei der Norm DIN EN ISO 14125 existiert eine derartige Durchbiegungsbegrenzung nicht ('''Bild 2'''), allerdings sind alle Spannungs- und Biegedehnungswerte mit Korrekturgleichungen zu bewerten, um den Einfluss zu großer Durchbiegungen im Vergleich mit der Biegetheorie näherungsweise auszugleichen. Infolge von Auflagerabstandsverkürzungen, der Auflagerreibung sowie Horizontalkräften sind die gemessenen [[Randfaserdehnung]]en zu groß und die Biegefestigkeiten in der Regel zu klein [5].
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Der [[plastische Deformation|plastische Anteil]] am Gesamtverformungsprozess ist klein, was auf einen geringen Anteil an stabilem Risswachstum schließen lässt. Nur in den PA6/GF-Verbunden kommt es nach Erreichen der maximalen Schlagkraft zum Auftreten von [[Rissverzögerungsenergie]]n A<sub>R</sub>, die eine Verminderung der Rissausbreitungsgeschwindigkeit im Werkstoff anzeigen. Die Veränderung der Rissausbreitungsgeschwindigkeit ist in diesen Werkstoffen eine Folge der Wechselwirkungen zwischen dem [[Riss]] und den Fasern.
 
 
[[Datei:Biegefest_2.jpg|450px]]
 
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|width="600px" |Ermittlung von Kennwerten an Kunststoffen im Biegeversuch nach DIN EN ISO 14125 [4]
 
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|DIN EN ISO 178 (2011-04): Kunststoffe – Bestimmung der Biegeeigenschaften
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|[[Seidler,_Sabine|Seidler, S.]]: Anwendung des Risswiderstandskonzeptes zur Ermittlung strukturbezogener bruchmechanischer Werkstoffkenngrößen bei dynamischer Beanspruchung. Fortschritt-Berichte VDI-Reihe 18, Nr. 231, VDI Verlag, Düsseldorf (1998) S. 71 ff, (ISBN 3-318-323118-2; siehe [[AMK-Büchersammlung]] unter B 2-1)
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|Friedrich, K.: Proc. Toughness Fracture and Fatigue of Polymers and Composites. “How to Improve the Toughness of Polymers and Composites”. Yamagata, 11.10.1990, 201
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|Friedrich, K.: Microstructural Efficiency and Fracture Toughness of Short Fiber/Thermoplastic Matrix Composites. Compos. Sci. Technol. 22 (1985) 43
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|Hegler, R. P.: Faserorientierung beim Verarbeiten kurzfaserverstärkter Thermoplaste. Kunststoffe 74 (1984) 5
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|Kaliske, G., Erber, M., Meyer, F.: Grundsätzliches zur Problematik der Maßänderungen bei glasfaserverstärkten Thermoplasten vom Kurzfasertyp. Plaste und Kautschuk 25 (1978) 647
 
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|[6]
|DIN EN ISO 178 (2013-09): Kunststoffe – Bestimmung der Biegeeigenschaften
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|McNally, D.: Short Fiber Orientation and its Effects on the Properties of Thermoplastic Composite Materials. Polym. – Plast. Technol. Eng. 8 (1977) 101
 
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|[7]
|DIN EN ISO 178 (2019-08): Kunststoffe – Bestimmung der Biegeeigenschaften
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|Seidler, S., [[Grellmann,_Wolfgang|Grellmann, W.]]: Zähigkeit von teilchengefüllten und kurzfaserverstärkten Polymerwerkstoffen. Fortschritt-Berichte VDI-Reihe 18, Nr. 92, VDI Verlag, Düsseldorf (1991), (ISBN 3-18-149218-3; siehe [[AMK-Büchersammlung]] unter A 4)
 
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|[8]
|DIN EN ISO 14125 (2011-05): Faserverstärkte Kunststoffe – Bestimmung der Biegeeigenschaften; Technical Corrigendum Cor.1:2001 + Amd.1:2011
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|Karger-Kocsis, J., Czigany, T.: Fracture Behaviour of Glass-fibre Mat-reinforced Structural Nylon RIM Composites Studied by Microscopic and Acoustic Emission Techniques. J. Mat. Sci. 28 (1993) 2438–2448
 
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|[9]
|[[Bierögel, Christian|Bierögel, C.]]:  Biegeversuch  an  Kunststoffen. In:  [[Grellmann,_Wolfgang|Grellmann, W.]], [[Seidler,_Sabine|Seidler, S.]] (Hrsg.): Kunststoffprüfung.  Carl  Hanser  Verlag,  München  (2015)  3. Auflage,  S. 147–158 (ISBN 978-3-446-44350-1; siehe [[AMK-Büchersammlung]] unter A 18)
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|Tschegg, E. K., Humer, K., Weber, H. W.: Fracture Tests in Mode I on Fibre Reinforced Plastics. J. of Materials Science 28 (1993) 2471–2480
 
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[[Kategorie:Biegeversuch]]
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[[Kategorie:Kunststoffe]]

Version vom 3. Juli 2024, 12:24 Uhr

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Kurzfaserverstärkte Verbundwerkstoffe

auch: Kurzfaserverbundwerkstoffe oder Kurzfaserverbunde

Allgemeines

Kurzfaserverstärkte Thermoplaste sind eine Werkstoffgruppe, die mit ihren Eigenschaften eine Lücke zwischen den unverstärkten und den langfaserverstärkten polymeren Werkstoffen schließen. Ein entscheidender Aspekt des Einsatzes dieser Werkstoffgruppe ist die Verarbeitbarkeit im Spritzgussverfahren.
Während des Spritzgussprozesses wird im Bauteil oder Prüfkörper eine spezifische werkstoff- und füllstoffabhängige Faserorientierung erzeugt. Sowohl der Orientierungsgrad als auch die Orientierungsverteilung der Fasern hängen von den Fließbedingungen in der Schmelze, der Geometrie des Formteils z. B. bei Prüfkörpern insbesondere der Dicke B, und von faserspezifischen Parametern wie Faserlänge und Faservolumenanteil ab [1–3].

Modelle zur Beschreibung der Glasfaserorientierung

In der Literatur existieren verschiedene Modelle, die die Ausbildung von Bereichen verschiedener Orientierungen beschreiben [3–6], wobei im einfachsten Fall ein Dreischichtmodell, wie im Bild 1 schematisch gezeigt, angenommen werden kann (siehe auch: Glasfaserorientierung).

Kurzfaserverstaerkte verbundwerkstoffe 1.jpg

Bild 1: Schematische Darstellung der Ausbildung des Orientierungsprofils von kurzfaserverstärkten Thermoplasten [1]

Zusätzlich kommt es zu Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Parametern. So wird z. B. mit zunehmendem Faservolumenanteil die mittlere Faserlänge und damit das Aspect Ratio reduziert und gleichzeitig wird die erzeugte Faserlängenverteilung schmaler [1].

Das anwendungstechnische Ziel bei der Entwicklung von faserverstärkten Kunststoffen besteht insbesondere in der Erhöhung von Steifigkeit, Festigkeit und Dimensionsstabilität. Mit der Erhöhung von Steifigkeit und Festigkeit ist jedoch häufig eine Abnahme der Zähigkeit verbunden. Aus diesem Grund ist für die optimale Ausnutzung der Verbundeigenschaften die Kenntnis des Werkstoffwiderstandes gegenüber Risseinleitung (siehe Rissinitiierung) und Rissausbreitung von nachhaltigem Interesse.

In [7] wird gezeigt, dass in glasfaserverstärkten Polypropylen (Kurzzeichen: PP)-Werkstoffen in Abhängigkeit von den Haftungsverhältnissen (siehe Faser-Matrix-Haftung) nicht vernachlässigbare Anteile an stabilem Risswachstum auftreten können, die sich im Schlagkraft-Durchbiegungs-Diagramm in elastisch-plastischem Werkstoffverhalten und im Auftreten von Rissverzögerungsenergien äußern. Elastisch-plastisches Werkstoffverhalten tritt auch in Laminaten auf [8, 9].

Deformationsverhalten von kurzfaserverstärkten PA6 und PA66-Werkstoffen

Das nachfolgende Bild 2 zeigt am Beispiel der Matrixwerkstoffe PA6 und PA66 sowie eines PA6/GF-Verbundes mit φv = 0,12 und eines PA66/CF-Verbundes mit φv = 0,11 das prinzipielle im instrumentierten Kerbschlagbiegeversuch (IKBV) registrierte Schlagkraft-Durchbiegungs-Verhalten bei einer Prüfgeschwindigkeit von vH = 0,8 m/s. Die Werkstoffe weisen elastisch-plastisches Werkstoffverhalten mit anschließender instabiler Rissausbreitung auf.

Kurzfaserverstaerkte verbundwerkstoffe 2.jpg

Bild 2: Schlagkraft-Durchbiegungs-Diagramm aus dem instrumentierten Kerbschlagbiegeversuch von PA und PA-Kurzfaserverbunden

Der plastische Anteil am Gesamtverformungsprozess ist klein, was auf einen geringen Anteil an stabilem Risswachstum schließen lässt. Nur in den PA6/GF-Verbunden kommt es nach Erreichen der maximalen Schlagkraft zum Auftreten von Rissverzögerungsenergien AR, die eine Verminderung der Rissausbreitungsgeschwindigkeit im Werkstoff anzeigen. Die Veränderung der Rissausbreitungsgeschwindigkeit ist in diesen Werkstoffen eine Folge der Wechselwirkungen zwischen dem Riss und den Fasern.


Literaturhinweise

[1] Seidler, S.: Anwendung des Risswiderstandskonzeptes zur Ermittlung strukturbezogener bruchmechanischer Werkstoffkenngrößen bei dynamischer Beanspruchung. Fortschritt-Berichte VDI-Reihe 18, Nr. 231, VDI Verlag, Düsseldorf (1998) S. 71 ff, (ISBN 3-318-323118-2; siehe AMK-Büchersammlung unter B 2-1)
[2] Friedrich, K.: Proc. Toughness Fracture and Fatigue of Polymers and Composites. “How to Improve the Toughness of Polymers and Composites”. Yamagata, 11.10.1990, 201
[3] Friedrich, K.: Microstructural Efficiency and Fracture Toughness of Short Fiber/Thermoplastic Matrix Composites. Compos. Sci. Technol. 22 (1985) 43
[4] Hegler, R. P.: Faserorientierung beim Verarbeiten kurzfaserverstärkter Thermoplaste. Kunststoffe 74 (1984) 5
[5] Kaliske, G., Erber, M., Meyer, F.: Grundsätzliches zur Problematik der Maßänderungen bei glasfaserverstärkten Thermoplasten vom Kurzfasertyp. Plaste und Kautschuk 25 (1978) 647
[6] McNally, D.: Short Fiber Orientation and its Effects on the Properties of Thermoplastic Composite Materials. Polym. – Plast. Technol. Eng. 8 (1977) 101
[7] Seidler, S., Grellmann, W.: Zähigkeit von teilchengefüllten und kurzfaserverstärkten Polymerwerkstoffen. Fortschritt-Berichte VDI-Reihe 18, Nr. 92, VDI Verlag, Düsseldorf (1991), (ISBN 3-18-149218-3; siehe AMK-Büchersammlung unter A 4)
[8] Karger-Kocsis, J., Czigany, T.: Fracture Behaviour of Glass-fibre Mat-reinforced Structural Nylon RIM Composites Studied by Microscopic and Acoustic Emission Techniques. J. Mat. Sci. 28 (1993) 2438–2448
[9] Tschegg, E. K., Humer, K., Weber, H. W.: Fracture Tests in Mode I on Fibre Reinforced Plastics. J. of Materials Science 28 (1993) 2471–2480