Instrumentierter Durchstoßversuch

Aus Lexikon der Kunststoffprüfung
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Instrumentierter Durchstoßversuch

Allgemeines

Beim Einsatz von Kunststofffolien oder -bahnen in der Verpackungsindustrie oder für landwirtschaftliche Zwecke können Schädigungen dieser Folien auftreten, die z. B. in herstellungsbedingten Schwankungen der Dicke, Fremdeinschlüssen, Oberflächenvariationen oder Orientierungen sowie in betriebsbedingten Ursachen (Impact, hohe oder niedrige Temperaturen sowie medialer oder biochemischer Angriff) begründet sind, und die die Lebensdauer und Funktionalität stark beeinflussen können (siehe auch: Folienprüfung).

Für Werkstoffentwicklung neuer Kunststofffolien, die Modifikation und Optimierung der Zähigkeit existierender Folien sowie die betriebliche Qualitätssicherung ist die Ermittlung der Schlagfestigkeit nach dem Fallhammerverfahren eine wichtige Prüfmethode der Kunststoffprüfung [1−4].

Fallhammerverfahren

Zur Untersuchung des Schlagverhaltens von Kunststofffolien stehen im Wesentlichen zwei Prüfnormen zur Verfügung. Das ist zunächst das konventionelle Prüfverfahren nach dem Fallhammerverfahren, welches mit der sogenannten Eingrenzungsmethode nach DIN ISO 7765-1 [5] arbeitet. Dabei wird die zu prüfende Folie mit einem Durchstoßkörper des Durchmessers von 38 ± 1 mm aus einer konstanten Höhe von 0,66 ± 0,01 m mit Zusatzmassen von 0,05 bis 2 kg bis zu einer sich einstellenden Schädigung (Verfahren A) belastet. Beim Verfahren B hat der halbkugelförmige Durchstoßkörper einen Durchmesser von 50 ± 1 mm, der ebenfalls aus einer konstanten Höhe von 1,50 ± 0,01 m mit Zusatzmassen von 0,3 bis 2 kg den Folienprüfkörper belastet. Beide Prüfverfahren werden mit einem werkstoffspezifischen Masseninkrement Δm durchgeführt, bis 50 geschädigte und ungeschädigte Prüfkörper bei einer statistisch abgeschätzten Durchstoßkörpermasse vorliegen. Verfahren A und B sind hinsichtlich des Prüfergebnisses nicht vergleichbar, da die Resultate der Messung stark von der Qualität der Prüfobjekte beeinflusst werden.

Instrumentierter Durchstoßversuch

Da die Prüfung nach dem Fallhammerverfahren [5] vergleichsweise zeit- und materialintensiv und wenig aussagekräftig ist und keine interpretierbaren Diagramme des Kraft-Verformungs-Verhalten erzeugt werden, werden heute zumeist registrierende oder instrumentierte Versuchstechniken zur Charakterisierung des Stoßverhaltens von Kunststofffolien eingesetzt (siehe: Instrumentierung).
Der instrumentierte Durchstoßversuch mit elektronischer Messwerterfassung zur Bestimmung der Schlagfestigkeit von Folien nach dem Fallhammerverfahren wird nach DIN ISO 7765-2 (siehe auch: Folienprüfung) durchgeführt [6]. Mit diesem Versuch wird das mehrachsigen Stoßverhaltens von Kunststofffolien senkrecht zur Folienebene für maximal 1 mm dicke Folien charakterisiert. Vorteilhaft ist bei dieser Prüfnorm, dass mit praktisch konstanter Prüfgeschwindigkeit das Kraft-Zeit- oder direkt das Kraft-Verformungs-Verhalten aufgezeichnet wird und aus diesen Diagrammen Mess- bzw. Kennwerte zur Charakterisierung des Stoßverhaltens ableitbar sind. Wird die Temperatur und/oder die Prüfgeschwindigkeit variiert, dann lassen sich mit dieser Prüfmethode auch Spröd-Zäh-Übergänge in Abhängigkeit von der Temperatur oder Frequenz bestimmen.

Experimentelle Durchführung

Zur experimentellen Durchführung werden Fallwerke mit instrumentierten Fallbolzen verwendet (Bild 1), beispielsweise Geräte vom Typ Fractovis der Fa. Ceast (heute Fa. Instron. Die Geometrie (Durchmesser) des Fallbolzens ist in der Norm [2] festgelegt und beträgt üblicherweise 20, manchmal auch 10 mm, wobei nahe der Spitze eine piezoelektrische Kraftmesszelle oder Dehnmessstreifen (DMS) zur Kraftmessung appliziert ist. Zur Vermeidung von Reibung kann der Fallbolzen mit Öl, Fett oder Talkum eingeschmiert werden.

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Bild 1: Instrumentierte Fallbolzenprüfsysteme (a) HIT230F der Fa. Zwick GmbH & Co. KG, Ulm und (b) PRIMUS der Fa. Coesfeld, Dortmund

Die Instrumentierung des Durchstoßversuches stellt somit eine messtechnische Erweiterung des konventionellen Durchstoß- bzw. Fallhammerversuches dar und wird angewendet, wenn für die Werkstoffcharakterisierung ein Kraft-Verformungs-Diagramm beziehungsweise Messgrößen aus diesem Diagramm erforderlich sind.

Während der Prüfung wird eine Folie oder Prüfkörper, der nicht kantennah entnommen werden darf, mit einem Durchmesser von 80 mm senkrecht zu seiner Oberfläche bei praktisch konstanter Geschwindigkeit von 4,4 m/s mit dem Stoßkörper durchstoßen und gleichzeitig das Kraft-Verformungs-Diagramm aufgezeichnet (siehe Bild 2).

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Bild 2: Instrumentierte Fallhammerprüfung an eingespannten Folienprüfkörpern

Da die Folie biegeschlaff ist, sollte sie mittels der Klemmvorrichtung rutsch- und schlupfsicher befestigt werden. Während der Messung wird die Zeit und die Schlaggeschwindigkeit durch Lichtschranken ermittelt und die Schlagkraft durch die Kraftmesszelle zeitsynchron aufgezeichnet.

Kraft-Verformungs-Verhalten, Messgrößen und Bruchbilder

Die registrierten Kraft-Verformungs-Diagramme können nachfolgend messtechnisch ausgewertet werden, um das Werkstoffverhalten unter Stoßbeanspruchung zu bewerten. Es können anhand der Diagrammform und des aufgetretenen Bruchbilds der Folie spröde, zähe oder sehr zähe Brüche voneinander unterschieden werden (siehe mikroskopische Bruchmerkmale für Kunststoffe) (Bild 3).


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Bild 3: Schematisches Kraft-Verformungs-Verhalten (a) spröder, (b) zäher und (c) hochzäher Kunststofffolien in der instrumentierten Fallhammerprüfung [6]

Zwischen den einzelnen Kunststoffen können bei diesem Verfahren Vergleiche nur dann hergestellt werden, wenn die Prüfkörperherstellung, Prüfkörperabmessungen, Oberflächenbeschaffenheit (siehe auch: Oberfläche) und die Prüfbedingungen vergleichbar sind. Insbesondere die Folien- bzw. Prüfkörperdicke spielt hier eine sehr wichtige Rolle. Im Ergebnis des Durchstoßversuches können die Durchstoßarbeit WT, die Energie bei Maximallast WM und die Energie am Schädigungspunkt WF als Mittelwerte angegeben werden mit nachfolgenden Messgrößen angegeben werden:

  • Maximalkraft FM,
  • Verformung bei Höchstkraft sM,
  • Schädigungsverformung sF und die
  • Schädigungskraft FF.


Literaturhinweise

[1] Nentwig, J.: Kunststoff-Folien: Herstellung - Eigenschaften – Anwendung. Carl Hanser Verlag, München (2006) 3. Auflage, (ISBN 978-3-446-40390-1)
[2] Maier, R-D., Schiller, M. (Hrsg.): Handbuch Kunststoff Additive. Carl Hanser Verlag, München (2016) 4. Auflage, (ISBN 978-3-446-22352-3)
[3] Trempler, J.: Optische Eigenschaften. In: Grellmann, W., Seidler, S. (Hrsg.): Kunststoffprüfung. Carl Hanser Verlag, München (2015) 3. Auflage, S. 323−356, (ISBN 978-3-446-44350-1; siehe AMK-Büchersammlung unter A 18)
[4] Reincke, K., Grellmann, W., Söver, A., Frormann, L.: Verhalten von Polymeren unter stoßartiger Beanspruchung. GAK – Gummi Fasern Kunststoffe 65 (2012) 4, S. 290–296
[5] DIN EN ISO 7765-1 (2004-10): Kunststofffolien und -bahnen – Bestimmung der Schlagfestigkeit nach dem Fallhammerverfahren – Teil 1: Eingrenzungsverfahren
[6] DIN ISO 7765-2 (2009-02): Kunststofffolien und -bahnen – Bestimmung der Schlagfestigkeit nach dem Fallhammerverfahren – Teil 2: Durchstoßversuch mit elektronischer Messwerterfassung