Elastizitätsmodul: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 26. November 2018, 14:50 Uhr
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Elastizitätsmodul
Einleitung
Der Elastizitätsmodul E ist auch bei Kunststoffen neben der Poissonzahl eine wesentliche Kenngröße zur Beschreibung der energieelastischen Eigenschaften. Die in quasistatischen Prüfungen wie dem Zug-, Biege- oder Druckversuch ermittelten Kurzzeitmoduli Et, Ef und Ec sind für die Qualitätssicherung, die Werkstoffentwicklung und -optimierung als auch einfache Dimensionierungsaufgaben (siehe: Kunststoffbauteil, Dimensionierung) geeignet, aber nicht für anspruchsvolle konstruktive Anwendungen nutzbar. In diesem Fall muss z. B. der Kriechmodul aus Langzeitexperimenten auch in Abhängigkeit von der Prüftemperatur verwendet werden.
Die strukturelle Ursache des energieelastischen Verhaltens von Kunststoffen ist die Veränderung (Dehnung, Stauchung) der mittleren Atomabstände und Bindungswinkel bei Einwirkung mechanischer Beanspruchungen. Die dabei geleistete mechanische Arbeit wird in Form potentieller Energie gespeichert (Zunahme der inneren Energie) und bei Aufhebung der Beanspruchung vollständig zurückgewonnen (1. Hauptsatz der Thermodynamik). Infolge seiner strukturellen Ursachen ist das energieelastisches Verhalten auf den Bereich kleiner Verformungen beschränkt. Es besteht eine völlige Reversibilität der Deformation, wobei der Zusammenhang zwischen Beanspruchung und Deformation linear oder nichtlinear sein kann. Die Be- und Entlastungkurve ist in jedem Fall identisch, wodurch keine Hysterese entsteht. Wird ein linearer Zusammenhang zwischen Spannung (Kraft) und Dehnung (siehe auch: Deformation) beobachtet, dann kann der Zusammenhang im Fall einer uniaxialen Zug- oder Druckbelastung in Analogie zu einer Feder- oder Proportionalitätskonstante durch das HOOKE´sche Gesetz (Gl. 1) eindeutig beschrieben werden (Bild 1).
Bild 1: | Elastische Deformation des Federmodells und des Festkörpers nach HOOKE |
Die Energieelastizität dominiert das Verhalten von Polymerwerkstoffen insbesondere bei kleinen Verformungen und bei tiefen Temperaturen sowie bei hohen Verformungsgeschwindigkeiten (siehe auch: Dehnrate Grundlagen), wobei die klassische Energieelastizitätstheorie hier wesentlich zum Verständnis des Deformationsverhaltens der Kunststoffe beiträgt. Darüber hinaus liefert sie in diesem Bereich brauchbare Näherungslösungen für die quantitative Beschreibung des Spannungs-Dehnungs-Zusammenhanges (siehe auch: wahres Spannungs-Dehnungs-Diagramm) zumindest bei uniaxialer Normalbeanspruchung [1].
In der prüftechnischen Praxis werden im Wesentlichen drei Methoden zur Ermittlung des Elastizitätsmoduls angewandt. Dies sind die quasistatischen Versuche der Kunststoffprüfung, die dynamisch-mechanische Analyse und die Ultraschallprüfung, wobei die mechanischen Kurzzeitversuche (siehe: Zugversuch) die höchste Praxisrelevanz besitzen.
Prüfmethoden zur Ermittlung des Elastizitätsmoduls
Quasistatische Kurzzeitversuche
Zur Ermittlung des Elastizitätsmoduls E werden in der quasistatischen Kunststoffprüfung der Zug-, Biege- und Druckversuch unter Nutzung einer Universalprüfmaschine angewandt. Im Gegensatz zur Prüfung metallischer Werkstoffe (siehe auch: Werkstoffprüfung), wo der E-Modul als Tangentenmodul im Ursprung des Spannungs-Dehnungs-Diagramm ermittelt wird, wird bei normenkonformer Prüfung von Kunststoffen der Sekantenmodul bestimmt. Die Begründung liegt in dem vergleichsweise geringen elastischen Deformationsbereich von < 0,1 % Dehnung und in dem linear-viskoelastischen Verhalten, welches bis etwa 0,3 % registriert wird. Dem, wenn auch zeitabhängigen, reversiblen Dehnungsbereich bis 0,3 % folgt dann der Bereich der nichtlinearen Viskoelastizität, indem erste irreversible Mikroschädigungen und -deformationen auftreten. Aus diesem Grund wurden die Dehngrenzen in den drei angegebenen Prüfmethoden [2–4] mit 0,05 und 0,25 % angegeben und die korrespondierenden Spannungswerte werden im Versuch ermittelt (Bild 2). Zur Vermeidung von Anlaufeffekten im z. B. Zugversuch wird ein Offset von 0,05 % eingestellt oder eine Vorkraft angegeben, die diesen Dehnungswert hervorruft. Der Versuch, der mit einer Dehnrate von näherungsweise 1 %/min durchgeführt wird, wird oberhalb 0,3 % abgebrochen oder wird mit der Prüfgeschwindigkeit von z. B. 50 mm/min als Zugversuch bis zum Versagen des Prüfkörpers fortgeführt [6]. Die Elastizitätsmoduli Et, Ef oder Ec werden einheitlich nach der Gl. (1) berechnet, wobei die Dehnung im Zugversuch ε, die Randfaserdehnung im Biegeversuch εf oder die Stauchung im Druckversuch εc als Vorgabewerte benutzt werden.
Bild 2: | Ermittlung des Tangentenmoduls an Metallen (a) und des Sekantenmoduls bei Kunststoffen (b) |
(1) |
Bei Bedarf können diese Versuche auch in einer Temperierkammer durchgeführt werden, wodurch der E-Modul als Funktion der Temperatur darstellbar ist.
Dynamisch-Mechanische Analyse (DMA)
Bei der dynamisch-mechanischen Analyse oder Spektroskopie wird der Prüfkörper einer periodisch wechselnden, zumeist sinusförmigen Beanspruchung, ausgesetzt. Der Vorteil dieser Methode ist bei Verwendung einer Temperierkammer (dynamisch-mechanisch thermische Analyse – DMTA), dass die dynamisch-mechanischen Kennwerte als Funktion der Temperatur vorliegen (Bild 3). Durch die Variation der Frequenz ist zusätzlich die Charakterisierung der Zeitabhängigkeit des Werkstoffverhaltens möglich. Die dynamisch-mechanische Analyse kann dabei mit freien gedämpften Schwingungen (Pendelschwingungen) oder im erzwungenen Schwingungs- sowie Resonanzmodus durchgeführt werden. Üblicherweise werden dabei die Beanspruchungsarten Torsion, Biegung und Zug genutzt. Gemeinsam ist allen Verfahren, dass die Deformation des Prüfkörpers sehr klein ist und den linear-viskoelastischen Bereich nicht überschreiten sollte. Infolge dieser kleinen Verformungen sind mit der DMA oder DMTA im Temperaturintervall von ca. –180 °C bis 400 °C hohe Prüffrequenzen bei mechanischer Anregung bis 200 Hz realisierbar [1, 7].
Bild 3: | DMTA-System Eplexor der Fa. NETSCH Instruments GmbH, Ahlen |
Für die Kunststoffprüfung mittels DMA oder DMTA unter Zugbeanspruchung [8] werden zur Erzeugung sinusförmiger Dehnungen oder Spannungen vorwiegend hydraulische, pneumatische oder elektrodynamische Kleinprüfmaschinen sowie DMTA-Systeme mit Zusatzeinrichtungen wie Dehnungssensoren und Temperierkammern (Bild 3) verwendet. Von dem Prüfsystem wird dann eine konstante sinusförmige Dehnungs- oder Spannungsamplitude mit einer definierten und konstanten Frequenz auf den Prüfkörper aufgebracht, wobei in der Kunststoffprüfung aufgrund der Prüfkörpergeometrie bevorzugt im Zugschwellbereich gearbeitet wird. Die Amplitude der Spannung oder Dehnung sowie die Mittelspannung oder -dehnung als auch die Temperatur werden per PID-Regelung auf konstantem Niveau gehalten, um Kriech- oder Relaxationseffekte während des Versuchs zu kompensieren. Bei linear-viskoelastischem Werkstoffverhalten und einem Normalspannungszustand weisen die zeitlichen Änderungen von Spannung und Deformation im eingeschwungenen Zustand die gleiche Frequenz aber unterschiedliche Phasenlagen (Gln. 2 und 3) auf (Bild 4), wobei δ der Phasenwinkel ist, der Werte zwischen 0 und π/2 annehmen kann.
(2) |
(3) |
Für den Zusammenhang zwischen der Beanspruchungszeit t und Frequenz f bzw. Kreisfrequenz ω gilt Gl. (4):
(4) |
Bild 4: | Schematischer Aufbau des Prüfsystems und zeitliche Änderung von Spannung und Dehnung bei der DMA mittels erzwungener Schwingungen |
Aufgrund der Phasenverschiebung δ zwischen Spannung σ und Dehnung ε wird zur Beschreibung des Spannungs-Dehnungs-Zusammenhanges der E-Modul als komplexe Kenngröße E* eingeführt. Der komplexe Modul kann dabei als Vektor in der komplexen Zahlenebene betrachtet werden (Bild 5), dessen Richtung durch den Phasenwinkel δ und dessen Betrag durch das Verhältnis der Amplitudenwerte von Spannung und Dehnung bestimmt ist (Gl. 5):
(5) |
Bild 5: | Darstellung des komplexen Zug-E-Modul aus der DMTA |
Unter Nutzung einfacher trigonometrischer Beziehungen kann eine Aufspaltung in einen Realteil E‘ (Speichermodul) und den Imaginärteil E‘‘ (Verlustmodul) nach den Gln. (6) und (7) vorgenommen werden, wobei ingenieurtechnisch der Speichermodul von speziellem Interesse ist.
(6) |
(7) |
Aus dem Verhältnis von Verlust- und Speichermodul ergibt sich der Verlustfaktor tan δ, der das Dämpfungsverhalten des Werkstoffs charakterisiert (Gl. 8).
(8) |
Im Regelfall ist der dynamische Speichermodul aufgrund der schwingenden Beanspruchung etwas höher als der E-Modul aus den quasistatischen Versuchen. Das Verfahren der erzwungenen Schwingungen ist auf Frequenzen unterhalb der Resonanzfrequenz des Prüfkörpers beschränkt. Die Regelung der Messung kann sowohl dehnungs- als auch spannungsgeregelt (siehe: Zugversuch Regelung) erfolgen, was die Bestimmung des komplexen Moduls E* und der komplexen Prüfkörpernachgiebigkeit C* ermöglicht.
Auf Grund ihrer großen Anwendungsbreite (Torsion, Zug, Biegung und Scherung) haben Verfahren mit erzwungenen Schwingungen heute eine dominierende Rolle bei der dynamisch-mechanischen Analyse polymerer Werkstoffe.
Eine näherungsweise Ermittlung des E-Moduls ist auch bei Verwendung des Torsionsschwingversuchs aus dem Schubmodul G möglich, falls die Poissonzahl µ im entsprechenden Temperaturintervall bekannt ist (Gl. 9).
(9) |
Ultraschallprüfung
Im Bereich hoher Frequenzen kann der dynamische E-Modul auch mit einem dielektrischen Messplatz ermittelt werden oder es wird die Ausbreitung von Schall- und Ultraschallwellen zur Kennwertermittlung verwendet [9, 10].
Oberhalb der Resonanzfrequenz wird die Wellenlänge λ der schwingenden mechanischen Beanspruchung klein im Vergleich zu den Prüfkörperabmessungen. Dadurch ist es möglich, die Charakteristik der Wellenausbreitung im Werkstoff zur Bestimmung der viskoelastischen Eigenschaften zu nutzen. Die Messungen werden üblicherweise mittels Ultraschall (f > 20 kHz) im Impuls-Echo- oder Durchschallungsverfahren durchgeführt [1]. Dabei werden die Schallgeschwindigkeiten c (Gl. 10) und der Schallabsorptionskoeffizient α (Gl. 11) aus der akustischen Weglänge d und der zugehörigen Impulslaufzeit t sowie den Amplituden A1 und A2 bei unterschiedlichen Weglängen d1 und d2 ermittelt.
(10) |
(11) |
Unter Verwendung von Longitudinalwellen (cL, αL) und Transversalwellen (cT, αT) können bei Kenntnis der Dichte ρ des Werkstoffs der Longitudinalwellenmodul L und der Schermodul G bestimmt werden. Bei geringer Dämpfung (αλ/2π << 1) gelten dann näherungsweise die Gln. (12) und (13).
(12) |
(13) |
Aus dem Longitudinalwellen- und Schermodul kann entsprechend der Elastizitätstheorie der Elastizitätsmodul E‘ (Gl. 14) berechnet werden, der vom Verhältnis der Ausbreitungsgeschwindigkeiten von Transversal- und Longitudinalwellen abhängig ist.
(14) |
Ultraschallmessungen finden üblicherweise bei Frequenzen zwischen 100 kHz und 100 MHz statt. Das obere Ende des Frequenzbereiches ist dabei durch die starke Zunahme der Dämpfung gegeben. Für die Arbeit in diesem weiten Frequenzbereich ist die Verwendung unterschiedlicher Schwingungssensoren erforderlich. Relativ große Frequenzbereiche können nach einer breitbandigen Anregung mit Hilfe der Fourier- oder Wavelet-Analyse erfasst werden.
Eine relativ einfache Methode zur Bestimmung des Elastizitätsmoduls mit Ultraschall ist bei Verwendung von plattenförmigen Prüfkörpern bekannter Dicke d und Dichte ρ gegeben (Bild 6).
Bild 6: | Schematische Darstellung der Durchschallungstechnik mit Normal-Prüfköpfen (a) und Winkel-Prüfköpfen (b) sowie die Impuls-Echo-Technik (c) |
Bei Verwendung von Normal-Prüfköpfen (Bild 6a und c) werden Longitudinalwellen zur Messung genutzt, wobei zu beachten ist, dass bei der Impuls-Echo-Technik die Laufzeit des Ultraschalls doppelt so groß ist wie bei der Durchschallungsmethode. Aus dem A-Bild kann dann die Laufzeit Δt in Direktankopplung oder Tauchbadtechnik bei bekannter Dicke und Einschallwinkel γ nach Gl. (15) (Durchschallung) oder (16) (Impuls-Echo-Technik) gemessen und die Longitudinalwellengeschwindigkeit cL berechnet werden. Die Traversalwellengeschwindigkeit cT wird mit Winkel-Prüfköpfen nach Gl. (17) ermittelt.
(15) |
(16) |
(17) |
Unter Voraussetzung, dass die Poissonzahl µ für die Prüftemperatur T bekannt ist, kann dann nach Gl. (18) der Elastizitätsmodul E und nach Gl. (19) der Schubmodul G berechnet werden, wobei zu beachten ist, dass diese Kennwerte frequenzabhängig sind.
(18) |
(19) |
Literaturhinweise
[1] | Lüpke, T.: Grundlagen mechanischen Verhaltens. In: Grellmann, W., Seidler, S. (Hrsg.): Kunststoffprüfung. Carl Hanser Verlag, München (2015) 3. Auflage S. 91/92, (ISBN 978-3-446-44350-1; siehe AMK-Büchersammlung unter A 18) |
[2] | DIN EN ISO 527-1 (2012-06): Kunststoffe – Bestimmung der Zugeigenschaften – Teil 1: Allgemeine Grundsätze |
[3] | DIN EN ISO 527-2 (2012-06): Kunststoffe – Bestimmung der Zugeigenschaften – Teil 2: Prüfbedingen für Form- und Extrusionsmassen |
[4] | DIN EN ISO 178 (2017-06): Kunststoffe – Bestimmung der Biegeeigenschaften (Normentwurf) |
[5] | DIN EN ISO 604 (2003-12): Kunststoffe – Bestimmung von Druckeigenschaften |
[6] | Bierögel, C.: Biegeversuch an Kunststoffen. In: Grellmann, W., Seidler, S. (Hrsg.): Kunststoffprüfung. Carl Hanser Verlag, München (2015) 3. Auflage, S. 147–158 (ISBN 978-3-446-44350-1; siehe AMK-Büchersammlung unter A 18) |
[7] | DIN EN ISO 6721-1 (2011-08): Kunststoffe – Bestimmung dynamisch-mechanischer Eigenschaften – Teil 1: Allgemeine Grundlagen |
[8] | ISO 6721-4 (2008-05): Kunststoffe – Bestimmung dynamisch-mechanischer Eigenschaften – Teil 4: Zugschwingung – Erzwungene Schwingungen |
[9] | ISO 6721-8 (1997-06): Kunststoffe – Bestimmung dynamisch-mechanischer Eigenschaften – Teil 8: Längs- und Scherschwingung – Wellenausbreitungs-Verfahren |
[10] | ISO 6721-9 (1997-06): Kunststoffe – Bestimmung dynamisch-mechanischer Eigenschaften – Teil 9: Zugschwingung – Schallausbreitungsverfahren |
[11] | Matthies, K. u. a.: Dickenmessung mit Ultraschall. DVS-Verlag GmbH, Berlin, 2. Auflage (1998) (ISBN 3-87155-940-7; siehe AMK-Büchersammlung unter M 44) |