Vernetzung Elastomere

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Vernetzung Elastomere

Begriffsbestimmung und Arten der Vernetzung

Als Vernetzung bezeichnet man im Bereich von polymeren Werkstoffen die chemische Reaktion, die zu einer Verknüpfung von Makromolekülketten untereinander und somit zur Bildung von Netzwerken führt [1].
Kautschuke können auf unterschiedliche Weisen zu einem Elastomer vernetzt werden. Man unterscheidet in [2]:

  • Schwefelvernetzung
  • Peroxidische Vernetzung
  • Vernetzung mit reaktiven Harzen
  • Vernetzung mit Chinondioxim-Verbindungen (nur in Verbindung mit einem Oxidationsmittel)
  • Vernetzung mit Isozyanaten
  • Strahlenvernetzung
    • Photochemische Reaktion
    • Elektrostrahlen
    • Gammastrahlen

Vernetzungssysteme und Beschleunigung der Vernetzungsreaktion

Die Auswahl des Vernetzungssystems hängt vom Kautschuk und vom Verfahren, aber auch z. B. vom Einsatzziel des Werkstoffs ab, wobei die größte Bedeutung immer noch die Vernetzung mit Schwefel-Beschleuniger-Systemen einnimmt. Bereits 1839 fand Charles Nelson Goodyear durch Zufall, dass mit Schwefel und Bleiweiß vermischter Naturkautschuk (NR) bei Erwärmung die Farbe von grau zu schwarz verändert, die Klebrigkeit verliert und unlöslich wird. Die daraus resultierten Eigenschaften lagen weit über denen des Rohkautschuks. Thomas Hancock führte später die von Goodyear gemachte Entdeckung ihrer kommerziellen Nutzung zu. In der Folge wurde festgestellt, dass die Zugabe von anderen Metalloxiden, wie CaO und ZnO die Reaktionszeit der Schwefelvulkanisation positiv beeinflusst. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts erkannte man die beschleunigende Wirkung basischer Verbindungen durch die der Vernetzungsprozess erheblich beschleunigt und die Effizienz in Form einer gesteigerten Bildung von Netzknoten beeinflusst werden kann [1].

Die Möglichkeit zur Vernetzung von Molekülketten ist immer dann gegeben, wenn reaktive Gruppen oder Doppel- oder Dreifachbindungen an den Kettenenden oder innerhalb der Kette vorhanden sind.
Vorteil der Schwefelvernetzung ist, dass die Vernetzungsreaktion gegenüber den meisten Mischungsbestandteilen, Wasser und Sauerstoff unempfindlich ist. Basische Bestandteile in der Kautschukmischung wirken beschleunigend und saure Bestandteile verzögernd [1].
Die resultierenden Eigenschaften des Vulkanisats werden von der Vernetzungsdichte (siehe auch: Entropieelastizität) und von der chemischen Struktur der Netzstellen bestimmt. Die Vernetzungsdichte hängt wiederum von der Vulkanisationszeit und der Vulkanisationstemperatur ab.

Mechanismus der Vernetzungsreaktion

Durch die Vernetzung werden Kautschuke und Kautschukmischungen vom viskosen (plastischen) in den gummielastischen Zustand überführt. Dabei werden intermolekulare Vernetzungsbrücken, die das Fließen unterbinden, gebildet. Die resultierende Gummielastizität beruht auf Entropieänderungen der Molekülketten beim Verformen und bei der Rückfederung des Elastomers (siehe Bild 1) [2].

Vernetzung Elastomere-1.jpg

Bild 1: Mechanismus der entropieelastischen Formänderung [3]

Bei der Verformung von viskoelastischen Stoffen laufen sowohl elastische als auch viskose Mechanismen ab. Wird der Werkstoff rein elastisch verformt, dann wird die Energie gespeichert und nach Entlastung wieder vollständig abgegeben. Die Verformung läuft dabei reversibel ab. Bei viskosen Prozessen (siehe Viskosität) wird dagegen die geleistete Arbeit in Wärme umgewandelt. Die Deformation ist zum Teil irreversibel [2].
Die elastischen Vorgänge während der Verformung sind zeitunabhängig und die viskosen Prozesse sind zeitabhängig. Demnach benötigen die viskoelastischen Bewegungsvorgänge viel Zeit bis sich ein stationärer Zustand eingestellt hat. Das zeit- und temperaturabhängige Verhalten von Elastomeren zeigt sich besonders bei der Bestimmung des Schubmoduls G in Abhängigkeit von der Temperatur T (siehe Bild 2).

Vernetzung Elastomere-2.jpg

Bild 2: Schubmodul in Abhängigkeit von der Temperatur für stark und schwach vernetzte und unvernetzte Elastomere [5]

Es lässt sich beobachten, dass Elastomere bis zu ihrer Glastemperatur, die je nach Polymer bei Temperaturen deutlich unterhalb von 0 °C liegt, glasartig erstarrt sind und selbst bei hohen Temperaturen nicht viskos fließen, sondern im Temperaturbereich von Glas- bis Zersetzungstemperatur sich elastisch verhalten.
Im energieelastischen Bereich (< Tg) liegen die Polymermoleküle glasartig eingefroren vor. Mit Erhöhung der Temperatur wird die Beweglichkeit der Polymerkettensegmente erhöht. Der Übergangsbereich zum entropieelastischen Bereich wird als Umwandlungsbereich bzw. Erweichungsgebiet bezeichnet. In diesem Bereich ist die Temperaturabhängigkeit besonders ausgeprägt. Der Wendepunkt wird als Glasübergangstemperatur (Tg) bezeichnet.

Die Entropieelastizität (gummielastischer Bereich) ist gekennzeichnet durch relativ niedrige Schubmodulwerte mit vergleichsweise geringer Temperaturabhängigkeit und niedrigen Verlustmodul. Die Kettensegmente besitzen in diesem Zustand eine hohe Beweglichkeit. Werden die Fließvorgänge durch weitmaschige chemische Vernetzung oder durch Verhakungen der Polymerketten unterbunden, gehen Verformungen mit einer Abnahme der Entropie einher. Bei unvernetzten Polymeren hängt die Ausdehnung dieses Bereich von der Molmasse ab. Erst nach Überschreitung einer kritischen Kettenlänge kann sich ein physikalisches Netzwerk durch Kettenverschlaufungen ausbilden. Bei vernetzten Polymeren reicht der entropieelastische Bereich bis zur Zersetzungstemperatur. Der Bereich in dem das Polymer entropieelastisches Verhalten zeigt, ist der Anwendungsbereich für Elastomere [4].


Literaturhinweise

[1] Briehl, H.: Chemie der Werkstoffe. 3. überarbeitete und erweiterte Auflage, Springer Vieweg (2014)
[2] Röthemeyer, F., Sommer, F.: Kautschuktechnologie. Carl Hanser Verlag, München Wien (2001)
[3] Bergmann, W.: Werkstofftechnik Teil 1: Grundlagen. 7. Auflage, Carl Hanser Verlag, München Wien (2013) (ISBN 978-3-446-43536-0; siehe AMK-Büchersammlung unter L 9-1)
[4] Schnetger, J.: Lexikon Kautschuktechnik. 3. Auflage, Hüthig Verlag, Heidelberg (2004) (ISBN 978-3-7785-3022-4; siehe AMK-Büchersammlung unter K 7)
[5] Menges, G., Haberstroh, E., Michaeli, W., Schmachtenberg, E.: Werkstoffkunde Kunststoffe, 5. völlig überarbeitete Auflage, Carl Hanser Verlag, München Wien (2002) (ISBN 978-3-446-21257-4; siehe AMK-Büchersammlung unter L 38)