IKBV Experimentelle Bedingungen

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IKBV Experimentelle Bedingungen

Allgemeines

Für die bruchmechanische Auswertung von Schlagkraft(F)-Durchbiegungs(f)-Diagrammen aus dem Instrumentierten Kerbschlagbiegeversuch ist die Einhaltung von experimentellen Bedingungen eine notwendige Voraussetzung. Von entscheidender Bedeutung ist dabei die Festlegung des Beginns der instabilen Rissausbreitung und des Überganges vom elastischen zum elastisch-plastischen Werkstoffverhaltens [1].

Kontrolle der Bruchkraft, der Bruchzeit und der Schlagenergie

Eine bruchmechanische Auswertung nach den Kriterien der linear-elastischen Bruchmechanik (LEBM) setzt voraus, dass die Bruchkraft Fmax nach Gl. (1) immer größer sein muss als die Amplitude der Trägheitskraft F1,

(1)

die auch als Aufschlagimpuls bezeichnet wird. Eine bewährte Technik zur Erfüllung dieser Bedingung ist die Verringerung der Pendelhammergeschwindigkeit vH (siehe: IKBV Energie-Methode) [2‒4]. Hierfür ist es lediglich erforderlich, die Fallhöhe des Pendelhammers herabzusetzen, wodurch gleichzeitig der Arbeitsinhalt des Pendels gesenkt wird und die Pendelhammergeschwindigkeit sinkt. Aus der maximalen Schlagkraft werden mit Hilfe statischer Auswerteformeln die bruchmechanischen Kenngrößen ermittelt. Zur Gewährleistung eines quasistatischen Spannungszustandes im Prüfkörper muss die Bruchzeit tB größer als das 2,3- [4] bis 3-fache [5] der Periode der charakteristischen Trägheitsschwingung τ also

(2)

sein, wobei in [6, 7] eine weitere Verringerung auf 2τ bzw. 1,5τ vorgeschlagen wurde. Diese Annahme ist für bruchmechanische Untersuchungen in Abhängigkeit von der Prüfgeschwindigkeit und -temperatur von besonderer Bedeutung.

Neben der Relation zwischen Schlagkraft und Trägheitskraft sowie der Bruchzeit und der Periode der Trägheitsschwingung muss noch die Energieaufnahme beim Schlagvorgang kontrolliert werden.

Die von dem Pendelhammer für den Bruchvorgang eingebrachte Schlagenergie AH muss größer als das Dreifache der vom Prüfkörper verbrauchten Verformungsenergie AG sein.

(3)

Kontrolle der elektronischen Messkette des Gerätesystems IKBV

Zur Vermeidung von Fehlinterpretationen des Werkstoffverhaltens ist es erforderlich, die elektronische Messkette des Gerätesystems der instrumentierten Kerbschlagbiegeprüfung zu kontrollieren, damit dem experimentell ermittelten Zusammenhang zwischen Schlagkraft- und Durchbiegung keine zusätzlichen Schwingungen (Störschwingungen) überlagert werden, die nicht durch das Werkstoffverhalten verursacht werden. Dabei handelt es sich um Eigenschwingungen des gekoppelten mechanischen Systems Prüfkörper–Pendelhammer–Widerlager und hochfrequente Signalschwingungen, hervorgerufen durch reflektierte Schallwellen oder durch den Messaufbau des Gerätesystems [1] (siehe auch: Schlagbeanspruchung Pendelschlagwerk).

Zur Kontrolle des Frequenzganges der elektronischen Messkette gilt für die Anstiegszeit tR die Bedingung nach Gl. (4)

(4)

mit tRAnstiegszeit der elektronischen Messkette (Verstärker und Frequenzfilter).

f0,915dB ‒ Frequenz, bei der die Amplitude 90 % beträgt

f0,707dB ‒ Frequenz, bei der die Amplitude 70 % beträgt


Beim Einsatz einer elektronischen Frequenzfilterung ist als Bedingung für das Auftreten einer Frequenzfilterung die Gl. (5) zu beachten [8].

(5)

Beispiel für die Einhaltung der experimentellen Bedingungen

Am Beispiel eines chlorierten PVC-Werkstoffes (Kurzzeichen: PVC-C) wurde in [1] die Einhaltung aller experimenteller Bedingungen überprüft, wobei durch einen speziellen Messaufbau parallel das ungefilterte und das gefilterte Schlagkraft-Durchbiegungs-Signal an einem Prüfkörper aufgezeichnet wurde [9].

Unter Berücksichtigung der Filterbedingungen nach Gl. (5) [8] haben sich für praktische Anwendungszwecke bei Kunststoffen die in [1] angegebenen Filterfrequenzen von 3 und 4 kHz als geeignet erwiesen, wobei Anstiegszeiten von tR = 0,2 ms sogar eine weitere Erniedrigung der Filterfrequenz zulassen. Für das ungefilterte Signal sind bei Anstiegszeiten tB ~ 6 µs, die im Vergleich zu den Bruchzeiten von Kunststoffen (tB ~ 1 ms) sehr klein sind, die experimentellen Bedingungen unproblematisch erfüllbar. Für gefüllte Polymerwerkstoffe ist in den Fällen, in denen die Veränderung der Rissverzögerungsenergie betrachtet werden soll, eine Filterung ungeeignet, da man hier eine deutliche Verfälschung dieses Energiebetrages erhält.

Zur Verbesserung der Auswertbarkeit der Schlagkraft-Durchbiegungs-Signale werden neben der elektronischen Filterung auch mechanische Dämpfungselemente eingesetzt, die z. T. in Normen auch empfohlen werden. Hier ist eine ausreichende Kontrolle der F-f-Signale erforderlich, um keine Fehleinschätzungen des Werkstoffverhaltens vorzunehmen.

IKBV experimentelle Bedingungen 1.jpg

Bild 1: Kontrolle der experimentellen Messbedingungen im instrumentierten Kerbschlagbiegeversuch am Beispiel eines chlorierten PVC-Werkstoffes (Kurzzeichen: PVC-C)

Siehe auch


Literaturhinweise

[1] Grellmann, W.: Beurteilung der Zähigkeitseigenschaften von Polymerwerkstoffen durch bruchmechanische Kennwerte. Habilitation (1986), Technischen Hochschule Merseburg, Wiss. Zeitschrift TH Merseburg 28 (1986), H. 6, S. 787‒788 (Inhaltsverzeichnis, Kurzfassung)
[2] Retting, W.: Materialprüfung 8 (1966) 2, S. 55
[3] Ortmann, R., Man, J.: Zur Bestimmung der dynamischen Bruchzähigkeit im registrierenden Kerbschlagbiegeversuch. Wiss. Zeitschrift TH Magdeburg 24 (1980) 1, S. 101
[4] Holzmann, M., Man, J.: Dynamiká Lomová Houževnatost (Dynamische Bruchzähigkeit), Zvaranie (1977) 5–9, S. 1‒43
[5] Ireland, D. R.: Critical Review of Instrumented Impact Testing. Int. Conference on Dynamic Fracture Toughness, London (1976) Paper 5, 47–62
[6] Ortmann, R.: TU Dresden, Weiterbildungszentrun Festkörpermechanik, Konstruktion und rationeller Werkstoffeinsatz, Studientexte Bruchmechanik II, Heft 3 (1983) S. 38
[7] Rittinger, J.: Die Zuverlässigkeit der mit Instrumentenschlagversuch bestimmten dynamischen bruchmechanischen Kenngrößen. 8. Kongress Materialprüfung, 28.9.–1.10. 1982, Budapest (1982) S. 521–525
[8] Server, W. L.: Impact Three-point Bend Testing for Notched and Precracked Specimens. Journal of Testing and Evaluation. JTEVA 6 (1978) 1, S. 29–34
[9] Jungbluth, M.: Untersuchungen zum Einfluss der Prüfkörperdicke und der Temperatur auf die Zähigkeitseigenschaften von PVCC und PVC bei stoßartiger Beanspruchung. Diplomarbeit, Technische Hochschule Merseburg (1982) (siehe AMK-Büchersammlung unter B 3-11)