Schrumpfung

Aus Lexikon der Kunststoffprüfung
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Schrumpfung

Definition

Unter Schrumpfung oder Schrumpf von Kunststoffen versteht man eine Änderung der Maßhaltigkeit von Bauteilen oder Prüfkörpern bei Temperaturen T > TG (amorph) bzw. T > TS (teilkristallin), die durch die Rückstellung von Molekülorientierungen und die Relaxation von Eigenspannungen verursacht wird. Die Orientierungen entstehen infolge des Verarbeitungsprozesses (Extrusion, Spritzgießen oder Tiefziehen) und sind deshalb von verarbeitungstechnischen Prozessparametern abhängig. Diese Parameter sind die Temperatur des Werkzeugs und der Schmelze, der Spritz- und Nachdruck, die Fließweglänge sowie der Abkühlgradient des Formteils. Infolge der Verarbeitung werden die Moleküle in der Fließrichtung orientiert und nehmen damit einen entropisch ungünstigen Zustand im fertigen Bau- oder Formteil ein. Oberhalb der Glastemperatur TG nimmt die Beweglichkeit der Molekülketten deutlich zu und bei hinreichend langer Einwirkzeit der erhöhten Temperatur kehren die Moleküle wieder zur maximalen Entropie bzw. in den optimalen energetischen Zustand zurück, was auch als „Memory Effekt von Kunststoffen“ bekannt ist. Im Gegensatz zur Schwindung erfolgt dieser Vorgang bei konstantem Volumen, allerdings ändern sich die Abmessungen und die Gestalt der Kunststoffbauteile teilweise erheblich.

Begriffserläuterung

Die Schrumpfung von Kunststoffen bei hohen Temperaturen kann im Einsatz erhebliche Probleme mit der Maßhaltigkeit und Festigkeit von Bauteilen verursachen. Im Wesentlichen sind dafür Orientierungen der Moleküle oder Verstärkungsfasern verantwortlich, die infolge des Verarbeitungsprozesses entstehen. Beim Spritzgießprozess treten im Werkzeug laminare Strömungen und Scherströmungen auf, die zur Orientierung im Bauteil führen. Liegen komplizierte geometrische Verhältnisse im Bauteil vor oder existieren mehrerer Angusskanäle, dann können zusätzlich Bindenähte entstehen, die das Schrumpfverhalten ebenfalls beeinflussen. Bei der Extrusion von Halbzeugen, wie Platten oder Profilen, werden die Produkte gereckt, wodurch speziell Längsorientierungen verursacht werden und die Moleküle defacto verspannt werden. Analog dazu wird z. B. beim Tiefziehen von Bechern aus Polystyrol (Kurzzeichen: PS) aus einer kreisförmigen Platte der Dicke d0 ein Kunststoffbecher unter Temperatureinwirkung und einer mechanischen Belastung geformt. Dadurch entsteht die vorgegebene Geometrie bei einer Verringerung der Wanddicke auf d1 und der Werkstoff wird in Tiefziehrichtung orientiert, aber das Volumen des Bauteils bleibt hierbei konstant.
Wird dieser Kunststoffbecher auf 120 °C erhitzt, dann tritt eine Schrumpfung auf, wodurch näherungsweise die gleiche Form entsteht, die er als Halbzeug hatte (Bild 1).

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Bild 1: Schrumpfung eines Kaffeebechers aus Polystyrol in Silikonöl bei 120 °C

Dabei bleibt das Volumen des Kunststoffes ebenfalls gleich, nur die Gestalt und die geometrischen Abmessungen ändern sich. In den meisten Fällen ist der Schrumpf in Längsrichtung z. B. bei der Extrusion oder dem Tiefziehen deutlich größer als in der Querrichtung. Das wird besonders deutlich, wenn man das Schrumpfverhalten von Prüfkörpern des Zug- und Schlagversuches aus Polystyrol betrachtet (Bild 2a). Hier tritt eine Abnahme der Länge der Prüfkörper bei gleichzeitiger Zunahme der Breite und Dicke auf (Bild 2b). Da die Orientierungen im Prüfkörper ungleichmäßig verteilt sind, entstehen zusätzlich ein Verzug und eine Krümmung der Prüfkörper (Bild 2c).

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Bild 2: Schrumpf von Prüfkörpern aus PS in Silikonöl bei 120 °C, (a) Ausgangszustand, (b) Verkürzung und Verzug nach 2 h und (c) Krümmung nach 2 h

Dieser Memory Effekt wird jedoch auch praktisch bei Schrumpfschläuchen der Elektrotechnik und Elektronik zur Isolation von Kabelverbindungen (Bild 3a) oder der Sanierung von leckbehafteten Gasrohren nach dem PE Close-Fit-Verfahren aus metallischen Werkstoffen genutzt (Bild 3b).

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Bild 3: Anwendung von (a) Schrumpfschläuchen und (b) PE 100-Rohren

Dabei werden extrudierte PE 100-Rohre im erhitzten Zustand durch eine Rolle so verformt, dass sie in das zu reparierende Metallrohr eingeschoben werden können. Anschließend wird das PE-Rohr durch eingeblasenen Heißdampf rückverformt, wodurch eine kraftschlüssige dichte Verbindung zwischen den beiden Rohren entsteht.

Ermittlung der Schrumpfung

Die Messung der Schrumpfung erfolgt im Schrumpfversuch, wobei man hierbei in die Ermittlung des freien Schrumpfs und die Bestimmung der Schrumpfkraft unter Einwirkung einer entsprechenden Temperatur unterscheidet. Bei der messtechnischen Ermittlung des Schrumpfverhaltens von Prüfkörpern wird dieser einseitig eingespannt und die Veränderung der Länge mit zunehmender Temperatur wird mit einem Dehnungsaufnehmer registriert (Bild 4a). Diese Messmethode wird auch als Thermische Dehnungs-Analyse (TDA) bezeichnet. Die Kenngröße Schrumpfung ΔL kann dabei in Millimeter, dimensionslos oder in Prozent als relativer Kennwert angegeben werden.
Oftmals ist jedoch auch die entstehende Schrumpfkraft oder -spannung, speziell unter Zwangsbedingungen, von Interesse. In diesem Fall wird der Prüfkörper beidseitig eingespannt und ebenfalls die Temperatur langsam erhöht. Die entstehende Reaktionskraft FS infolge der behinderten Schrumpfung wird durch eine Kraftmessdose (siehe Piezoelektrischer Kraftaufnehmer und Piezokeramischer Schwinger) registriert und dann eventuell durch Bezug auf die Querschnittsfläche in eine Schrumpfspannung σS umgerechnet (Bild 4b). Dieses Verfahren wird auch als Thermische Spannungs-Analyse (TSA) bezeichnet, wobei hier wie bei der TDA oftmals ortsaufgelöste lokale Dehnungsinformationen angestrebt werden.

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Bild 4: Prinzipielle Darstellung eines Messplatzes zur (a) Schrumpfungsmessung und (b) Schrumpfkraftmessung


Literaturhinweise

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  • Saechtling, H.: Saechtling Kunststoff Taschenbuch. Carl Hanser Verlag, München Wien (2013) (ISBN 978-3-446-43729-6)
  • DIN 55543-4 (2017-03): Verpackungsprüfung – Prüfverfahren für Verpackungsfolien – Teil 4: Bestimmung der Schrumpfung von Kunststoff-Folien im Flüssigkeitsbad
  • DIN EN 12617-2 (2004-11): Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontragwerken – Prüfverfahren – Teil 2: Schrumpfung von polymeren Rissfüllstoffen: Volumetrische Schrumpfung
  • ISO 2577 (2007-12): Kunststoffe – Warmaushärtbare Formkunststoffe – Bestimmung der Schrumpfung