ODCB- bzw. MC-DCB-Prüfkörper

Aus Lexikon der Kunststoffprüfung
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ODCB- bzw. MC-DCB-Prüfkörper (Autor: Prof. Dr.-Ing. Stephan Marzi)


Allgemeines

Mit dem ODCB-Prüfkörper (Abk. für engl. Out-of-Plane loaded Double Cantilever Beam [1, 2]) lässt sich die Energiefreisetzungsrate im Mode III an Polymeren sowie an Klebverbindungen bestimmen. Der ODCB-Versuch ähnelt in seinem Prinzip dem SCB-Prüfkörper, jedoch erfolgt die Belastung nicht durch eine Kraft sondern durch ein Moment und besitzt die folgenden nennenswerten Eigenschaften:

  • Das Risswachstum im Mode III erfolgt bei konstantem Moment, deren Quadrat proportional zur Energiefreisetzungsrate ist.
  • Die Energiefreisetzungsrate hängt nicht von der Rissposition ab, somit muss diese während des Versuchs nicht messtechnisch erfasst werden.
  • Das Risswachstum ist sowohl in Winkel- als auch in Momentenregelung (z. B. Retardationsversuch) stabil.

Nachteilig ist der verglichen zum SCB-Prüfkörper deutlich aufwändigere Prüfaufbau, der zudem auch eine torsionale Prüfachse der Materialprüfmaschine erfordert. Wird der Prüfkörper in einer biaxialen Prüfmaschine zusätzlich wie in einem DCB-Versuch belastet, so kann Risswachstum im Mixed-Mode I+III untersucht werden. In diesem Fall heißt der Prüfkörper MC-DCB (Abk. für engl. Mixed-Mode Controlled Double Cantilever Beam [3‒6]). Sofern der Mode I-Anteil über das J-Integral ausgewertet wird, wird auch hier die Energiefreisetzungsrate unabhängig von der Rissposition und es kann (abhängig von den Fähigkeiten des Maschinenreglers) auf vorgeschriebene konstante oder auch variable Modenverhältnisse geregelt werden.

Prüfkörperform

Bild 1 skizziert den ODCB- bzw. MC-DCB-Prüfkörper. Bei der Prüfung von Klebverbindungen ist h0 die Höhe und w die Breite der Klebschicht, die restlichen Querschnittsanteile des Prüfkörpers sind die Fügeteile. Bei der Prüfung von Kunststoffen sollten die Prüfkörper monolithisch gefertigt und vor der Prüfung gekerbt werden. Wird ein sehr sprödes Bruchverhalten erwartet, empfiehlt sich unter Umständen eine Verstärkung der Prüfkörper [2].

Odbc-pruefkoerper 1.jpg

Bild 1: ODCB / MC-DCB-Prüfkörper

mit

a Anfangsrisslänge
H ungekerbte Prüfkörperhöhe
h0 Höhe der V-Kerbe (bei kompakten Prüfkörpern) bzw. Klebschichtdicke (bei Klebverbindungen)
h1 Kerbhöhe vor Anriss
L Prüfkörperlänge
M Moment (Last)
P Kraft (Last)
W Prüfkörperbreite
w Kerbbreite
w1 Stegbreite
α Winkel zur Mode III-Belastung (ODCB-Teil)
δ Weg des Krafteinleitungspunktes (DCB-Teil)
θ Rotation des Krafteinleitungspunktes (DCB-Teil)

Bestimmungsgleichung

Die Energiefreisetzungsraten lassen sich getrennt für die beiden Moden I und III berechnen:

(1)
(2)
(3)

Die Biegesteifigkeit EI3 (Kehrwert der Nachgiebigkeit) kann im Versuch direkt aus dem Verhältnis des Moments M und des Drehwinkels α bestimmt werden, EI3 = M/α. Da keine Abhängigkeit von der Rissposition a vorliegt, ist keine aufwändige Nachgiebigkeitskalibrierung erforderlich.

Prüfsystem zur Durchführung von ODCB-/MC-DCB-Versuchen

Zur Durchführung von ODCB- bzw. MC-DCB-Versuchen wird eine biaxiale Materialprüfmaschine benötigt, die sowohl axiale als auch torsionale Beanspruchungen simultan und unabhängig voneinander geregelt aufbringen kann. Solche Prüfmaschinen werden (sowohl elektromechanisch/-dynamisch als auch servo-hydraulisch) von allen Herstellern von Materialprüfmaschinen in unterschiedlichen Lastbereichen angeboten. Querkräfte auf den Laststrang müssen durch geeignete konstruktive Maßnahmen zwingend vermieden werden.

Siehe auch


Literaturhinweise

[1] Loh, L., Marzi, S.: An out-of-plane loaded double cantilever beam (ODCB) test to measure the critical energy release rate in mode III of adhesive joints. International Journal of Adhesion and Adhesives 83 (2018) 24–30, special issue on joint design, DOI: 10.1016/j.ijadhadh.2018.02.021
[2] Schrader, P., Gosch, A., Berer, M., Marzi, S.: Fracture of thin-walled polyoxymethylene bulk specimens in modes I and III. Materials 13 (2020) 22, 5096, DOI: 10.3390/ma13225096
[3] Loh, L., Marzi, S.; Mixed-mode I+III tests on hyperelastic adhesive joints at prescribed mode-mixity. International Journal of Adhesion and Adhesives 85 (2018) 113–122, DOI: 10.1016/j.ijadhadh.2018.05.024
[4] Loh, L., Marzi, S.: A novel experimental methodology to identify fracture envelopes and cohesive laws in mixed-mode I+III. Engineering Fracture Mechanics 214 (2019) 304–319, DOI: 10.1016/j.engfracmech.2019.03.011
[5] Marzi, S.: Experimental determination of coupled cohesive laws with an unsymmetrical stiffness matrix for structural adhesive joints loaded in mixed-mode I+III. Engineering Fracture Mechanics 283 (2023) 109215, DOI: 10.1016/j.engfracmech.2023.109215
[6] Schrader, P., Marzi, S.: Mode III testing of structural adhesive joints at elevated loading rates. International Journal of Adhesion and Adhesives 113 (2022) 103078, DOI: 10.1016/j.ijadhadh.2021.103078