Bruchfläche: Unterschied zwischen den Versionen

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Eine Bruchfläche, d.h. eine freie Oberfläche, entsteht durch die Zerstörung von atomaren bzw. molekularen Bindungen und ist mit dem Verlust der Tragfähigkeit eines [[Kunststoffbauteil|Bauteils]] verbunden. Bei [[Kunststoffe]]n erfolgte diese Werkstofftrennung durch den [[Bruch]] von Molekülketten, das Herausziehen von Molekülketten und das Aufreißen von Phasengrenzflächen.
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Eine Bruchfläche, d. h. eine freie [[Oberfläche]], entsteht durch die Zerstörung von atomaren bzw. molekularen Bindungen und ist mit dem Verlust der Tragfähigkeit eines [[Kunststoffbauteil|Bauteils]] verbunden. Bei [[Kunststoffe]]n erfolgte diese Werkstofftrennung durch den [[Bruch]] von Molekülketten, das Herausziehen von Molekülketten und das Aufreißen von [[Phasengrenzfläche]]n.
  
Auf der Bruchfläche werden lokale plastische [[Deformation]]en, wie [[Crazing|Crazes]] oder [[Scherbandbildung|Scherbänder]] mikroskopisch sichtbar, die Aufschlüsse über die werkstoffseitigen Versagensursachen ermöglichen. Derartige mikromechanischen [[Deformationsmechanismen]] werden in der Literatur [1‒5] ausführlich beschrieben.
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Auf der Bruchfläche werden lokale [[Deformation#Plastische_Deformation|plastische Deformationen]], wie [[Crazing|Crazes]] oder [[Scherbandbildung|Scherbänder]] mikroskopisch sichtbar, die Aufschlüsse über die werkstoffseitigen Versagensursachen (siehe: [[Schadensanalyse|Schadensanalyse, Grundlagen]]) ermöglichen. Derartige mikromechanischen [[Deformationsmechanismen]] werden in der Literatur [1‒5] ausführlich beschrieben.
  
In der bruchmechanischen [[Kunststoffprüfung]] [6] steht die Ermittlung von [[Werkstoffkennwert]]en im Vordergrund, wofür auf der Bruchfläche das Ausmessen der [[Effektive Risslänge|effektiven Risslänge]] erforderlich ist. Die effektive oder bruchmechanisch wirksame Risslänge setzt sich aus der [[Ausgangsrisslänge|Länge des Ausgangsrisses]] (mechanischer Kerb; wahre Risslänge) und der Länge des stabilen Risswachstums ([[Bruchspiegel]]; Radius der [[Plastische Zone|plastischen Zone]]) zusammen.
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In der bruchmechanischen [[Kunststoffprüfung]] [6] steht die Ermittlung von [[Werkstoffkennwert]]en im Vordergrund, wofür auf der Bruchfläche das Ausmessen der [[Effektive Risslänge|effektiven Risslänge]] erforderlich ist. Die effektive oder bruchmechanisch wirksame Risslänge setzt sich aus der [[Ausgangsrisslänge|Länge des Ausgangsrisses]] (mechanischer [[Kerb]]; wahre Risslänge) und der Länge des stabilen Risswachstums ([[Bruchspiegel]]; Radius der [[Plastische Zone|plastischen Zone]]) zusammen.
  
 
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Die [[Rasterelektronenmikroskopie|rasterelektronenmikroskopischen]] Untersuchungen der Bruchflächen werden unter der Erläuterung des Begriffes "[[Stretchzone]]" ausführlich dargestellt. Am Ende des Rissfortschrittsgebietes ([[Rissausbreitung|stabiles Risswachstum]]; [[Bruchspiegel]]; siehe [[Effektive Risslänge|effektive Risslänge]]) wird rasterelektronenmikroskopisch die Ausbildung einer Stretchzone beobachtet.<br>
Die ausgemessene Stretchzonenhöhe SZH variierte geringfügig um den Wert SZH = 30 μm, zeigte aber keine systematische Abhängigkeit vom RAHECO-Anteil, was durch den geringen Einfluss der Morphologie auf die [[Rissinitiierung]] erklärt werden kann.<br>
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Unter der Voraussetzung der Proportionalität von Stretchzonenhöhe SZH und Stretchzonenweite SZW und unter Berücksichtigung des allgemeinen Zusammenhanges zwischen der Stretchzonenhöhe und Rissöffnungsverschiebung
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==Ermittlung der Stretchzonenhöhe SZH und Stretchzonenweite SZW==
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Die ausgemessene Stretchzonenhöhe SZH im betrachteten Beispiel des PP/EPR/PE-Blends (siehe: [[Stretchzone]]) variierte geringfügig um den Wert SZH = 30 μm, zeigte aber keine systematische Abhängigkeit vom RAHECO-Anteil, was durch den geringen Einfluss der Morphologie auf die [[Rissinitiierung]] erklärt werden kann.<br>
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Unter der Voraussetzung der Proportionalität von Stretchzonenhöhe SZH und Stretchzonenweite SZW und unter Berücksichtigung des allgemeinen Zusammenhanges zwischen der Stretchzonenhöhe und Rissöffnungsverschiebung (siehe: [[Erweitertes CTOD-Konzept]])
  
 
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kann man davon ausgehen, dass bei konstanter SZH die Risszähigkeit bei der eigentlichen physikalischen [[Rissinitiierung]] &delta;<sub>i</sub> nicht signifikant durch die Morphologieänderungen im Werkstoff beeinflusst wird [8].
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kann man davon ausgehen, dass bei konstanter SZH die [[Risszähigkeit]] bei der eigentlichen physikalischen [[Rissinitiierung]] &delta;<sub>i</sub> nicht signifikant durch die Morphologieänderungen im Werkstoff beeinflusst wird [8].
  
  
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|Grellmann, W., Seidler, S. (Hrsg.): Kunststoffprüfung. Carl Hanser Verlag, München (2015) 3. Auflage, S. 254 (ISBN 978-3-446-44350-1; siehe [[AMK-Büchersammlung]] unter A 18)
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|Grellmann, W., [[Seidler,_Sabine|Seidler, S.]] (Hrsg.): Kunststoffprüfung. Carl Hanser Verlag, München (2015) 3. Auflage, S. 254 (ISBN 978-3-446-44350-1; siehe [[AMK-Büchersammlung]] unter A 18)
 
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Version vom 14. August 2017, 09:41 Uhr

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Bruchfläche

Allgemeines

Eine Bruchfläche, d. h. eine freie Oberfläche, entsteht durch die Zerstörung von atomaren bzw. molekularen Bindungen und ist mit dem Verlust der Tragfähigkeit eines Bauteils verbunden. Bei Kunststoffen erfolgte diese Werkstofftrennung durch den Bruch von Molekülketten, das Herausziehen von Molekülketten und das Aufreißen von Phasengrenzflächen.

Auf der Bruchfläche werden lokale plastische Deformationen, wie Crazes oder Scherbänder mikroskopisch sichtbar, die Aufschlüsse über die werkstoffseitigen Versagensursachen (siehe: Schadensanalyse, Grundlagen) ermöglichen. Derartige mikromechanischen Deformationsmechanismen werden in der Literatur [1‒5] ausführlich beschrieben.

Ermittlung der effektiven Risslänge

In der bruchmechanischen Kunststoffprüfung [6] steht die Ermittlung von Werkstoffkennwerten im Vordergrund, wofür auf der Bruchfläche das Ausmessen der effektiven Risslänge erforderlich ist. Die effektive oder bruchmechanisch wirksame Risslänge setzt sich aus der Länge des Ausgangsrisses (mechanischer Kerb; wahre Risslänge) und der Länge des stabilen Risswachstums (Bruchspiegel; Radius der plastischen Zone) zusammen.

Zwei Beispiele von ausgewählten Bruchflächen werden in den Bildern 1 und 2 gezeigt.

Bruchflaeche1.jpg

Bild 1: Bruchfläche eines heterophasischen Copolymeren des Propylen mit Ethylen (HeCo)

Bruchflaeche2.jpg

Bild 2: REM-Aufnahmen der Bruchflächenmorphologie eines heterophasischen PP/EPR/PE-Blends mit 90 M.-% RAHECO® [7] aus einem R-Kurven-Versuch (siehe Risswiderstandskurve – Experimentelle Methoden)

Die rasterelektronenmikroskopischen Untersuchungen der Bruchflächen werden unter der Erläuterung des Begriffes "Stretchzone" ausführlich dargestellt. Am Ende des Rissfortschrittsgebietes (stabiles Risswachstum; Bruchspiegel; siehe effektive Risslänge) wird rasterelektronenmikroskopisch die Ausbildung einer Stretchzone beobachtet.

Ermittlung der Stretchzonenhöhe SZH und Stretchzonenweite SZW

Die ausgemessene Stretchzonenhöhe SZH im betrachteten Beispiel des PP/EPR/PE-Blends (siehe: Stretchzone) variierte geringfügig um den Wert SZH = 30 μm, zeigte aber keine systematische Abhängigkeit vom RAHECO-Anteil, was durch den geringen Einfluss der Morphologie auf die Rissinitiierung erklärt werden kann.
Unter der Voraussetzung der Proportionalität von Stretchzonenhöhe SZH und Stretchzonenweite SZW und unter Berücksichtigung des allgemeinen Zusammenhanges zwischen der Stretchzonenhöhe und Rissöffnungsverschiebung (siehe: Erweitertes CTOD-Konzept)

δ = 2 SZH

kann man davon ausgehen, dass bei konstanter SZH die Risszähigkeit bei der eigentlichen physikalischen Rissinitiierung δi nicht signifikant durch die Morphologieänderungen im Werkstoff beeinflusst wird [8].


Literaturhinweise

[1] Michler, G. H.: Kunststoff-Mikromechanik. Morphologie, Deformations- und Bruchmechanismen. Carl Hanser Verlag, München Wien (1992) (ISBN 3-446-17068-5; siehe AMK-Büchersammlung unter F 4)
[2] Michler, G. H.: Electron Microscopy of Polymers. Springer Verlag, Berlin (2008) (ISBN 978-3-54036350-7; siehe AMK-Büchersammlung unter F 1)
[3] Michler, G. H.; Balta-Calleja, F. J.: Nano- and Micromechanics of Polymers: Structure Modification and Improvement of Properties. Carl Hanser Verlag, München (2012) (ISBN 978-3446427679; siehe AMK-Büchersammlung unter F 13)
[4] Woodward, A. E.: Understanding Polymer Morphology. Carl Hanser Verlag, München (1994)
[5] Michler, G. H.: Atlas of Polymer Structures. Morphology, Deformation and Fracture Structures. Carl Hanser Verlag, München (2016) (ISBN 978-1-56990-557-9; E-Book ISBN 978-1-56990-558-6; siehe AMK-Büchersammlung unter F 14)
[6] Grellmann, W., Seidler, S. (Hrsg.): Kunststoffprüfung. Carl Hanser Verlag, München (2015) 3. Auflage, S. 254 (ISBN 978-3-446-44350-1; siehe AMK-Büchersammlung unter A 18)
[7] Cäsar, T., Seidler, S., Grellmann, W.: Bruchmechanische Zähigkeitsbewertung des Rißinitiierungs- und Rißausbreitungsverhaltens von Ethylen-Propylen-Random-Copolymerisaten. In: Grellmann, W., Seidler, S. (Hrsg.): Deformation und Bruchverhalten von Kunststoffen. Springer Verlag, Berlin, Heidelberg (1998) S. 271–284, (ISBN 978-3-540-63671-7; siehe AMK-Büchersammlung unter A 6)
[8] Seidler, S.: Anwendung des Risswiderstandskonzeptes zur Ermittlung strukturbezogener bruchmechanischer Werkstoffkenngrößen bei dynamischer Beanspruchung. Habilitation (1997), Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, VDI-Verlag, Düsseldorf (ISBN 3-318-323118-2; siehe AMK-Büchersammlung unter B 2-1)